Deutschland steht vor den schmutzigsten Wahlen seiner Geschichte

Der bevorstehende Wahlkampf in Deutschland wird heftig. Persönliche Angriffe und populistische Versprechen treten längst an die Stelle der eigentlichen Politik, und die Spaltung zwischen den Parteien ist so gravierend wie nie zuvor. Die Frage ist, wie lange die Deutschen dieses politische Theater noch ertragen werden.

Von Igor Malzew

Nach dem Zusammenbruch der deutschen Regierungskoalition infolge der Verschwörung eines Koalitionspartners, nämlich der Freien Demokratischen Partei Deutschlands (FDP), ist diese nun endgültig gescheitert.

Die ganze Zeit über dachte der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), er habe das Kabinett unter Kontrolle. Er war sich sogar sicher, dass seine Initiative, die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen, seine Kanzlerschaft retten und den Sozialdemokraten den Status einer Regierungspartei erhalten würde. Doch die Aufführung wurde von einem ganz anderen Dirigenten geleitet.

Oberflächlich betrachtet sieht es so aus, als sei die Koalition an der Frage der weiteren Staatsverschuldung zerbrochen – Scholz forderte die Umwidmung der Corona-Hilfsgelder, um Löcher in der Sozialpolitik zu stopfen und einen Teil davon für die Ukraine bereitzustellen.

In Wirklichkeit ist der Grund ein anderer: Die drei Regierungsparteien (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP) führten das Land in den vergangenen drei Jahren auf einen Weg der Deindustrialisierung, der Verwicklung in den Krieg im Osten, eines sinkenden Lebensstandards und der zunehmenden Migration. Und das Wichtigste ist, dass all diese Prozesse völlig ignoriert werden. Nur zwei Parteien – die Alternative für Deutschland (AfD) und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – äußerten sich zu den Themen Krieg und Frieden sowie Migration, wofür sie von anderen Parteien und den staatsnahen Medien als ultrarechts beziehungsweise ultralinks bezeichnet wurden. Aber sie gehören nicht zur Regierung und haben keine Chance, in Regierungsbeteiligung zu gelangen.

Unter völliger Missachtung der Volksinteressen wurden von der deutschen Führungsspitze der Regierungszusammenbruch, die Auflösung des Bundestags und die Ausrufung von Neuwahlen herbeigeführt. Und dies geschah fast ein Jahr vor dem offiziellen Ende der Amtszeit der alten Regierung.

In der Tat, das ist eine Schande und Ohnmacht.

Aber diese Leute leben in einer Parallelwelt. Immerhin glaubte Scholz wirklich, dass sein Mandat im Rahmen einer "Vertrauensfrage" vom Bundestag bestätigt werden würde. 

Seine Wahlkampfrede im Bundestag war die Rede eines Aliens, der erst gestern in Berlin landete. Oder einfach nur Chuzpe.

Keine Spur von Reflexion, geschweige denn von Selbstkritik, stattdessen eine Wahlkampagne, die von einem nicht nachvollziehbaren Populismus geprägt war. Keine einzige Antwort auf die Frage, welche Lehren er aus dem Systemversagen zu ziehen gedenkt. Kein einziges Wort. Anstatt die zahlreichen Misserfolge einzugestehen, konzentrierte sich Scholz auf Schuldzuweisungen – vor dem Hintergrund der Deindustrialisierung des Landes und des Absturzes der Wirtschaft ist das eine merkwürdige Art der Selbstverteidigung.

Dazu versprach er vage Millionen für die Wirtschaft, die durch die Erhöhung von Steuern und Staatsverschuldung gegenfinanziert werden sollen.

"Seine Achtung hört offensichtlich dort auf, wo andere Meinungen beginnen. Die Angriffe auf seinen ehemaligen Finanzminister Christian Lindner (FDP), den er rausgeschmissen hatte, grenzen an Unverschämtheit und sind die reinste Chuzpe", sagte CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz später. "Wie kann man so über drei Jahre gemeinsame Regierungsarbeit reden?" Vor der Vertrauensabstimmung wurde dem Bundeskanzler gesagt: "Sie blamieren Deutschland. Es ist eine Schande!", schreibt die Berliner Zeitung

Scholz verlor die Abstimmung im Bundestag. Ihm fehlte die notwendige Mehrheit: Nur 207 Bundestagsabgeordnete stimmten dafür, ihm das Vertrauen auszusprechen. 394 Abgeordnete stimmten dagegen und 116 enthielten sich.

Der Spitzenkandidat für den deutschen Kanzlersessel ist Friedrich Merz aus der CDU (die Partei Merkels), die trotz ihrer Bezeichnung als Oppositionspartei für all die Vorbedingungen der heutigen Katastrophe verantwortlich ist – von der Schließung der Kernkraftwerke bis zur uneingeschränkten Migration. Die Nominierung von Robert Habeck als Kandidat der Grünen wirkt unglaublich dreist – dieser Mann würgt die deutsche Energie und Industrie buchstäblich mit den Händen ab und schiebt der Bevölkerung die Kosten für das Scheitern der "grünen Energiewende" zu. Beide Kandidaten brennen auf einen Krieg mit Russland und sind wie besessen davon, "die Russen auf dem Schlachtfeld zu besiegen". Beide sind bereit, Taurus-Raketen schon heute bereitzustellen, um Moskau zu bombardieren.

Friedrich Merz hat mit 17 Prozent die höchste Wählerzustimmung. Aber er wurde schnell von Alice Weidel, der Co-Vorsitzenden der AfD, eingeholt – sie erreicht ebenfalls 17 Prozent.

Unglaublich – sie darf nicht im Fernsehen auftreten, die Presse veröffentlicht nichts Positives über sie – nur Schelte und Vorwürfe von Rassismus, Nazismus und Putinismus. Zu diesem Thema wurden 5.600 Artikel in der deutschen Presse ausgewertet.

Plötzlich wird ihr aber keine Antimigrationspolitik mehr vorgeworfen – nach beinahe neun Jahren der beispiellosen Migration nach Deutschland fordern die "System"-Parteien ein Migrationsende und Abschiebungen – wofür die AfD neun Jahre lang als "rassistisch" und "rechtsradikal" abgestempelt wurde. Nun gibt es eine neue Wendung: Weil die AfD ein Ende der Aufrüstung der ukrainischen Seite mit deutschen Waffen fordert, gilt sie nun als "Putins Partei" und Vaterlandsverräterin.

Der Mechanismus zum Ausschluss der AfD von der Macht wurde in den Bundesländern, in denen sie bei den Landtagswahlen den ersten und zweiten Platz belegte, bereits ausgearbeitet: Sie wird einfach durch Koalitionen der Verlierer ausgeschaltet – womit das bisher ewige Prinzip "der Sieger bildet die Regierung" annulliert wird. Eine Welt, die auf Regeln und nicht auf Gesetzen beruht, ändert diese "Regeln" sofort – und dann gelangt der Wahlsieger in die Opposition und nicht in die Regierung.

Daher sind die bevorstehenden Bundestagswahlen am 23. Februar ziemlich kritisch – die AfD kann nur dann in die Regierungskoalition eintreten, wenn sie mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält, was nicht sehr realistisch erscheint. Ein Teil der Protestwählerschaft wird von dem "Bündnis Sahra Wagenknecht" gewonnen, das nur als Gegengewicht zur AfD gegründet werden durfte.

Sahra Wagenknecht sagt selbst, sie sei sich darüber im Klaren, dass sie in den nächsten Jahrzehnten nicht Kanzlerin werden könne, aber sie kandidiere trotzdem, damit andere Kandidaten keinen Vorteil hätten.

Mit Blick auf das "Bündnis Sahra Wagenknecht" äußerte der vertrauenslos gewordene Bundeskanzler Scholz: "Ich stehe zu dem, was unsere Bundesrepublik in den letzten 75 Jahren stark gemacht hat: die NATO-Mitgliedschaft, das transatlantische Bündnis, die Europäische Union, die gemeinsamen Werte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die uns wichtig sind. Und man sollte nicht in Richtung Russland schauen, wie es das BSW tut."

Somit trägt auch das BSW, wie die AfD, den Stempel "Putin-Partei". Nur weil sie die Nichtbeteiligung Deutschlands an einem fremden Krieg und die Verweigerung von Waffenlieferungen fordert. Allerdings hat sie nicht mehr als sieben bis zehn Prozent der Wählerstimmen.

Bislang sieht alles so aus: Wahlprogramme ähneln Wunschzetteln, die keinen Bezug zur Realität haben. Kurzum: Geschenke für alle und Investitionen werden wie Konfetti verteilt – an die Wirtschaft und an die Bevölkerung. Vor allem das Programm von Olaf Scholz sieht aus wie ein Ausflug ins Land der Verrückten: 95 Prozent der Arbeitnehmer werden steuerlich entlastet, der Mindestlohn steigt auf 15 Euro pro Stunde, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel wird gesenkt und auch die Energiepreise sollen sinken. Wer soll das alles finanzieren? Die Reichen und natürlich die künftigen Generationen über die Staatsverschuldung. 

Das Thema Migration wird fast vollständig ausgeklammert. Statt der einst versprochenen harten Abschiebepolitik plädiert Scholz nun für eine "humanitäre Asylpolitik". Private "Seenotrettungen" (auch "Dschihad-Taxis" genannt) sollen explizit unterstützt werden: "Zivile Seenotrettungsorganisationen sollen nicht kriminalisiert werden", heißt es in seinem Programm. Damit geht Scholz erneut auf Konfrontationskurs zur CDU/CSU, aber vor allem zur Bevölkerungsmehrheit, die endlich ein Ende der illegalen Migration will.

Der Grünen-Kandidat Habeck übertrifft Scholz sogar an Großzügigkeit: Er verspricht Zuschüsse von 1.000 Euro für die Führerscheinausbildung und Milliardenhilfen für die Wirtschaft durch die "Deutsche Stiftung". Das Wort "Wettbewerbsfähigkeit" taucht in den Reden der roten und grünen Parteien nicht auf. Diese Programme wirken weniger wie seriöse politische Pläne, sondern eher wie ein Wettbewerb um die spektakulärsten Versprechungen – mit zweifelhaftem Realismus.

Der bevorstehende Wahlkampf in Deutschland wird ebenso heftig wie schmutzig sein. Persönliche Angriffe und populistische Versprechen treten längst an die Stelle der eigentlichen Politik, und die Spaltung zwischen den Parteien ist so gravierend wie nie zuvor. Nach Weihnachten beginnt die heiße Phase – und es wird nicht um Problemlösungen gehen, sondern um Schuldzuweisungen und Machterhalt. Die Frage ist, wie lange die Deutschen dieses politische Theater noch ertragen werden.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 24. Dezember 2024 zuerst in der russischen Zeitung Wsgljad erschienen.

Igor Malzew ist ein russischer Schriftsteller, Journalist und Publizist.

Mehr zum Thema – Frankreich, Deutschland, Großbritannien: Westeuropas politische Instabilität