Warum es Erdogan nicht gelingen wird, eine Pipeline durch Syrien zu bauen

Erdogan träumt schon lange davon, alle alternativen Routen zu den russischen Kohlenwasserstofflieferungen nach Europa aus östlicher, nördlicher und südlicher Richtung bei sich zu vereinen. Für Ankara ist dies nicht bloß eine Einnahmequelle, sondern auch ein Druckmittel gegenüber Brüssel.

Von Geworg Mirsajan

Die Eroberung des größten Teils Syriens durch die von Ankara kontrollierten Islamisten ermöglicht es Recep Erdogan nun, mit der Verwirklichung seiner geopolitischen Ambitionen zu beginnen. Dabei geht es um die nordsyrischen Gebiete (Aleppo war schon immer das wirtschaftliche Zentrum der Region), die Lösung der Kurdenfrage, den Status eines neuen Sultans des Nahen Ostens – und natürlich um den Bau einer Gaspipeline von Katar über Saudi-Arabien, Jordanien, Syrien und die Türkei nach Europa.

Tatsache ist, dass Erdogan seit den 2000er Jahren davon träumt, alle alternativen Routen zu den russischen Kohlenwasserstofflieferungen nach Europa aus östlicher, nördlicher und südlicher Richtung bei sich zu vereinen. Für Ankara ist dies nicht nur und nicht einmal so sehr eine Einnahmequelle, sondern auch ein Druckmittel gegenüber Brüssel. Und die Türken würden dieses Druckmittel viel effektiver einsetzen als die Ukraine. Sie würden nicht nur Geld aus Europa herausschlagen, sondern auch Druck in Bezug auf den EU-Beitritt des Landes ausüben. Auch in der Frage der Verteidigung der türkischen Diaspora in Deutschland und anderen europäischen Ländern würde das Land Druck machen.

Allerdings stellte sich in den 2000er Jahren Baschar al-Assad den geopolitischen Ambitionen Erdogans in den Weg. Der syrische Präsident weigerte sich, die Pipeline durch sein Territorium zu führen. Man glaubte, dass er damit die Interessen Russlands (Hauptlieferant von Erdgas nach Europa, der keine Konkurrenz durch billiges Pipelinegas aus Katar brauchte) und Irans (der sein Erdgas nach Europa schicken wollte) schützen wollte. Die Weigerung Assads wurde als einer der Gründe dafür angesehen, dass die Türkei einen Stellvertreterkrieg gegen ihn führte und die syrische Phase des Arabischen Frühlings in den 2010er Jahren unterstützte.

Jetzt hat Ankara den Krieg gewonnen. Assad ist weg, und der Chef des türkischen Geheimdienstes kutschiert mit dem Chef der Gruppierungen, die Syrien übernommen haben, durch die Straßen von Damaskus.

Ein Geschenk in Form einer Pipeline wird Erdogan jedoch nicht erhalten.

Erstens, weil sich das anfängliche Hindernis in das einzig mögliche Instrument verwandelt hat. Es wäre durchaus möglich gewesen, mit Baschar al-Assad eine Einigung zu erzielen ‒ als Teil einer umfassenden Regelung der syrisch-türkischen Beziehungen. Der syrische Präsident bemühte sich aktiv darum, die Beziehungen zu diversifizieren und Mittel für den Wiederaufbau des vom Bürgerkrieg verwüsteten Landes zu finden. Jetzt, nach dem Sturz von Assad und der Aussicht auf eine Libyisierung Syriens (das heißt ein Krieg aller gegen alle), gibt es keine einzige Kraft, die die Sicherheit des Baus und vor allem das Funktionieren der Pipeline gewährleisten kann. Es besteht die Chance, dass sich ein lokaler Stammesführer auf die Pipeline stützt und Zahlungen für ihren weiteren Erhalt verlangt (wie es bei den Erdölterminals in Libyen geschieht).

Und bei solchen Risiken wird niemand Milliarden von US-Dollar in den Bau der Pipeline investieren. Genauso wenig wie jemand Geld in Projekte investiert, die zentralasiatische Kohlenwasserstoffe über Afghanistan an die Küste des Indischen Ozeans exportieren könnten.

Zweitens gibt es nicht genügend freie Erdgasmengen. Katar exportiert sein Erdgas inzwischen per Tanker nach Ostasien und in andere Premiumregionen – und hat viel Geld in den Ausbau dieser Exporte investiert. Vor allem in den Bau von Erdgasverflüssigungsterminals. Wenn Katar Pipeline-Gas (das heißt viel billigeres Gas) nach Europa schicken würde, würde es sich selbst einen Teil der Flüssiggasausfuhren (LNG) entziehen und generell den weltweiten Erdgaspreis senken. Das ist, einfach gesagt, ein relativer Verlust.

Ja, Katar könnte theoretisch solche Verluste hinnehmen, vor allem wenn seine türkischen Freunde es freundlich bitten. Und die Diversifizierung der Gasversorgungsrouten könnte für einen Teil der katarischen Führung von Interesse sein.

Aber es gibt noch ein "Drittens" – nämlich neue Transitrisiken. Und zwar nicht nur in Syrien, sondern auch in Saudi-Arabien – dem größten Transitland in Bezug auf die Länge der Pipeline.

Tatsache ist, dass sich die saudi-katarischen Beziehungen in den 2010er Jahren verschlechtert haben. Geopolitische Konflikte, komplizierte persönliche Beziehungen zwischen den herrschenden Dynastien, unterschiedliche Auffassungen über den politischen Islam und darüber, welche der terroristischen Gruppierungen im Nahen Osten zu unterstützen sind – all dies führte zu dem Konflikt, dessen Höhepunkt eine vollständige Blockade Katars von 2017 bis 2021 war. Der Konflikt ist weitgehend beigelegt – aber es gibt keine Garantie dafür, dass Riad die Blockade nicht wiederholen und erneuern wird. Das bedeutet, dass es unmöglich ist, die für Katar strategisch wichtige Pipeline durch Saudi-Arabien zu führen.

Darüber hinaus werden sich auch die US-Amerikaner dagegen wehren. Ja, in den 2000er Jahren haben die Vereinigten Staaten alle Pläne zur "Diversifizierung" der russischen Gaslieferungen nach Europa auf Kosten anderer Lieferanten aktiv unterstützt. Jeder beliebige Lieferant war willkommen. Doch nun haben US-amerikanische Unternehmen den Platz dieser "beliebigen" Lieferanten eingenommen – Washington hat damit begonnen, Flüssiggas nach Europa zu exportieren. Dieses Erdgas ist viel teurer als russisches Gas – ganz zu schweigen von katarischem Gas. Und deshalb brauchen die US-Amerikaner nun keine "anderen" Lieferanten mehr. Und Katar wird dieser Bitte aus den USA sicher nachkommen – denn die Rolle der Vereinigten Staaten liegt nicht einmal in der Verteidigung, sondern im Überleben dieses kleinen Emirats im Nahen Osten, und ist somit viel größer als die Rolle der Türkei.

Schließlich erfordert der Bau der Pipeline nicht nur Transitsicherheit und ausreichende Mengen an freien Erdgaskapazitäten, sondern auch eine Garantie, dass diese Mengen auch verkauft werden. Und eine solche Garantie gibt es nicht. Während es in den 2000er Jahren eine gab (der Gasverbrauch in Europa stieg), ist jetzt, im Zuge der Deindustrialisierung der Alten Welt, die Zukunft des Gasverbrauchs unklar. Anders ist die Lage beispielsweise auf dem ostasiatischen Markt.

Deshalb wird Recep Erdogan keine katarische Pipeline bekommen. Er kann froh sein, wenn er andere syrische Geschenke bekommt.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 22. Dezember 2024 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.

Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren wurde er 1984 in Taschkent. Er machte seinen Abschluss an der Staatlichen Universität in Kuba und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Er war von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.

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