Von Geworg Mirsajan
Die erste Wahlrunde der am 24. November in Rumänien abgehaltenen Präsidentschaftswahlen endete mit einem sensationellen ersten Platz für Călin Georgescu, einen unabhängigen Kandidaten mit rechtsgerichteten Ansichten. Dabei handelt es sich um einen Spezialisten für Landgewinnung, der früher im Außen- und im Umweltministerium beschäftigt war und dessen Wahlkampf praktisch durch Crowdfunding – also über soziale Netzwerke – finanziert wurde.
Vor allem aber ist er ein Mann, der der westlichen Unterstützung für die Ukraine (die er als "fiktiven Staat" bezeichnete), den Kampfhandlungen in diesem Land (die er als Instrument der Manipulation betrachtete) und dem Konflikt mit Russland (zu dem Rumänien nach Ansicht von Georgescu gute Beziehungen unterhalten sollte) äußerst skeptisch gegenübersteht.
Zugleich hat er eine positive Einstellung zum russischen Präsidenten. "Wladimir Putin ist ein Mann, der sein Land liebt. Meiner Meinung nach handelt es sich um einen Mann, der sich sehr gut mit den diplomatischen Aspekten auskennt und diese beherrscht und von sehr kompetenten Fachleuten umgeben ist", so Georgescu.
Westliche Medien bezeichneten den Ausgang der ersten Wahlrunde bereits als ein "politisches Erdbeben". Wie The Financial Times in Erinnerung ruft, stellte Georgescu die NATO-Mitgliedschaft Rumäniens in Frage und sprach sich gegen die Stationierung einer US-Raketenabwehrbasis im Land aus. "Was für eine schallende Ohrfeige für die EU, die NATO und die Kriegsbefürworter!", reagiert Florian Philippot, ein Politiker der französischen Partei "Les Patriotes", auf die Ergebnisse der ersten Wahlrunde.
Der russische Präsidentensprecher Dmitri Peskow kommentierte Georgescus Sieg in vielfältiger Weise. Zum einen erklärte er, dass "noch keine Prognosen abgegeben werden können" und "wir mit der Sichtweise dieses Kandidaten hinsichtlich der Beziehungen zu unserem Land noch nicht so vertraut sind". Zum anderen wies er darauf hin, dass die Politik der derzeitigen rumänischen Führung nicht russlandfreundlich sei. Daher werde Georgescus Sieg Russland nicht schlechter stellen.
"Gewinnt Georgescu, könnte er das Ausmaß der rumänischen Unterstützung für die Ukraine reduzieren. Diese Entscheidung wird nach dem Kompromissprinzip zwischen ihm und der euro-atlantischen Führung getroffen werden. Gewinnt Elena Lasconi, die es ebenfalls in den zweiten Wahlgang geschafft hat, wird sich gar nichts ändern",
erklärt Wadim Truchatschew, Dozent an der Russischen Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften, gegenüber der Zeitung Wsgljad.
Der Löwenanteil der rumänischen Medien berichtet nun, dass ihre russischen Kollegen über den Sieg von Georgescu jubeln und dass man ihn in Moskau als "Russlands Verbündeten" bezeichnet. Sie sagen, dass Russland sich freut, und sie scherzen, dass sie Russisch lernen sollten. Sie deuten sogar an, dass der Sieger Hilfe aus dem Kreml gehabt habe.
"Noch immer ist nicht ganz klar, ob Georgescus Erfolg nur auf seine kolossale Social-Media-Kampagne in den letzten zwei Wochen zurückzuführen ist oder ob er auch das Resultat einer Unterstützung seitens Russlands darstellt", schreibt die rumänische Niederlassung der Deutschen Welle (in Russland als ausländischer Medienagent anerkannt).
Einige Lokalpolitiker äußern sich sogar ganz direkt dahingehend, dass ihrer Meinung nach der Sieg von Georgescu zweifellos eine russische Spezialoperation darstelle.
"Moskau steckt zweifelsohne hinter dieser Operation. Die europäischen Institutionen müssen dringend begreifen, was in Europa geschieht und wer unsere Demokratie in den Würgegriff nimmt, und zwar mithilfe der raffiniertesten Methoden der Manipulation einer desillusionierten Bevölkerung, die auf radikale Revanche gegen ein nicht ihren Erwartungen entsprechendes System sinnt",
empört sich Eugen Tomac, Vorsitzender der rumänischen Partei PMP ["Partidul Mișcarea Populară" (Partei der Volksbewegung)].
Und das ist erst der Anfang. Bis zum 8. Dezember (dem Datum des zweiten Wahlgangs) werden zahlreiche weitere derartige Veröffentlichungen erscheinen. Es hat den Anschein, dass sie ihre Arbeit tun werden – zwar belegte Georgescu im ersten Wahlgang den ersten Platz, aber lediglich mit 22,94 Prozent. Und den ersten Platz konnte er nur erringen, weil Diana Șoșoacă, eine andere rechtsextreme Kandidatin, vom Obersten Gerichtshof wegen ihrer radikalen Ansichten – die unter anderem "prorussisch, antieuropäisch und anti-NATO" sind – von den Wahlen ausgeschlossen wurde. Daraufhin gingen ihre Wähler zu Georgescu über. Zugleich hat seine Konkurrentin Elena Lasconi, die Vorsitzende der Partei "Union Rettet Rumänien", 19,7 Prozent der Stimmen, sodass sie theoretisch die Stimmen der ausgeschiedenen Kandidaten auf sich vereinen könnte.
In der Praxis könnte jedoch das Gegenteil der Fall sein. Das liegt vor allem an Lasconi selbst.
"Was seine Konkurrentin im zweiten Wahlgang betrifft, so hat er sicherlich Glück. Elena Lasconi ist eine ausgewiesene Russenhasserin, die den Rumänen im Interesse der Ukraine den letzten Leu aus der Tasche ziehen will. Für sie ist die Position der EU und der NATO wichtiger als die Meinung der Rumänen", sagt Wadim Truchatschew.
Und die Rumänen denken viel und kritisch über ihre Machthaber nach, und sie haben Gründe dafür. "In einem der ärmsten Länder der EU wurde eine halbe Million Ukrainer aufgenommen. Außerdem hat Rumänien ein sehr akutes Roma-Problem, auf das rechtsgerichtete Politiker hinweisen, während andere versuchen, nichts davon zu bemerken", so Wadim Truchatschew weiter.
Tatsächlich wird die zweite Präsidentschaftswahlrunde in Rumänien in etwa so verlaufen wie die Präsidentschaftswahlen in den USA 2016 und 2024: Auf der einen Seite ein rechter, manchmal sogar radikal rechter Kandidat – auf der anderen Seite ein "altbackener, abstoßender" Vertreter des etablierten Establishments.
Doch wen wählt letztendlich die rumänische Bevölkerung, die laut einem rumänischen Medienorgan "kein Interesse an einem Konflikt mit Russland hat und... von dem derzeitigen Politiksystem, in dem sie sich von niemandem vertreten fühlt, extrem enttäuscht ist"? Vielleicht fällt die Wahl auf jemanden, der den Wählern die Befreiung von dem belastenden Gefühl eines ständigen Konflikts mit Russland verspricht.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 25. November 2024 zuerst auf der Seite der Zeitung Wsgljad erschienen.
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