Joe Biden in Deutschland – der US-Präsident besucht seine Kolonie

Mitten im US-Wahlkampf stattet der scheidende US-Präsident Joe Biden Deutschland ab dem 10. Oktober einen mehrtägigen Besuch ab. Warum rückt der größte europäische Vasall der USA ausgerechnet jetzt in den Mittelpunkt der Außen- und Innenpolitik des "großen Bruders" in Übersee?

Von Wolfgang Bittner

Für den 10. Oktober, wenige Monate vor dem Ende seiner Amtszeit, hat sich US-Präsident Joseph (Joe) Biden zu einem Abschiedsbesuch in Deutschland angesagt. Fraglich, ob er erwünscht ist, aber es ist davon auszugehen, dass er mit allen Ehren empfangen wird. Wie das Weiße Haus mitteilte, werde er führende deutsche Politiker treffen, um "die enge Verbindung der Vereinigten Staaten und Deutschland als Verbündete und Freunde weiter zu stärken und sich über gemeinsame Prioritäten abzustimmen".

Des Weiteren heißt es, Biden wolle "das Engagement der USA und Deutschlands für Demokratie und gegen Antisemitismus und Hass bekräftigen", die "unverbrüchlichen zwischenmenschlichen Verbindungen unserer Länder stärken" und "für die Kooperation in Wirtschaft, Handel und Technologie werben". Außerdem wolle er Deutschland seine Anerkennung für die Unterstützung der Ukraine in ihrer Abwehr der russischen Aggression, für die Aufnahme der US-Militärangehörigen und für den Beitrag zur Sicherheit der Vereinigten Staaten, Deutschlands und des gesamten NATO-Bündnisses aussprechen.

Biden wird nicht nur Berlin besuchen, sondern am 12. Oktober an einem Gipfel-Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe auf der Luftwaffenbasis Ramstein teilnehmen, wohin die USA führende Politiker aus etwa 50 Staaten eingeladen haben. Dazu sind sie zwar nicht berechtigt, denn die US-Basis Ramstein ist kein exterritoriales Gebiet; aber wie sich immer wieder herausstellt, benötigen die USA in Deutschland keine Genehmigungen für ihre Aktivitäten. Eingeladen ist auch der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij, der über seinen bereits in den USA präsentierten "Siegesplan" sprechen und weitere Unterstützung mit Waffen und Geld einfordern wird.

Die USA tun, was sie wollen, und dafür steht insbesondere Joseph Biden. Bis sich zeigte, dass er allmählich dement wird, galt er als der maßgebende Realpolitiker des Westens, der das Schicksal der Welt bestimmt. Aber der "gute Onkel aus Amerika" hat nun auch in Deutschland an Glanz verloren, die neue Lichtgestalt ist die von den US-Demokraten als Präsidentschaftskandidatin gegen Donald Trump aufgestellte derzeitige Vizepräsidentin Kamala Harris. Wie schon bei den Wahlen von 2016 und 2020 mischen sich auch jetzt wieder deutsche Spitzenpolitiker zugunsten der Demokraten und gegen Donald Trump in höchst undiplomatischer Weise in den Wahlkampf ein. Falls Trump gewinnt, wird das Folgen haben.

Dass Joseph Biden, der fast alle Konflikte und Kriege der vergangenen Jahrzehnte als Senator, Präsidentenberater und Vizepräsident mitzuverantworten hat, 2021 Präsident der Vereinigten Staaten wurde, ist ein großes Unglück. Ginge es mit rechten Dingen zu, müsste er vor den Internationalen Gerichtshof gestellt werden. Aber die US-Regierung weiß sehr genau, warum sie dieses Gericht nicht anerkennt.

Biden verfolgte die Agenda derjenigen, die ihn ein Leben lang protegiert und in dieses Amt geschoben haben, rigoros weiter. Und augenscheinlich hält er sich an die Analyse des Politologen und langjährigen Präsidentenberaters Zbigniew Brzezinski, der Europa als Schachbrett ansah, auf dem die USA ihre Züge machen, und in seinem 1997 erschienenen Buch "Die einzige Weltmacht" über die Ukraine schrieb:

"Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung Russlands beiträgt. Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr."

Insofern bewies Biden besonderen Einsatz bei der Destabilisierung und kalten Übernahme der Ukraine, wobei er von Außenminister John Kerry, CIA-Chef John Brennan, Senator John McCain und weiteren hochrangigen US-Politikern unterstützt wurde. Wie schon bei anderen Regime-Changes, Konflikten und Kriegen profitierte die US-amerikanische Führungsschicht von dem Wechsel, so auch Joe Bidens Sohn Hunter, der bereits zuvor offensichtlich durch Patronage in verschiedene gut dotierte Ämter befördert worden war. Im Mai 2014, also kurz nach dem Putsch in Kiew, erhielt er einen eigens für ihn geschaffenen Vorstandsposten im Verwaltungsrat der Burisma Holdings, dem größten nicht staatlichen Gasproduzenten der Ukraine.

Weitere Vorstandsämter bei Burisma erhielten der ehemalige Wahlkampfleiter Kerrys, Devon Archer, der früher bei Merrill Lynch und J.P. Morgen tätige Investmentbanker Alan Apter sowie Polens Ex-Staatspräsident Aleksander Kwasniewski. Ihnen folgte im Februar 2016 noch Josef Kofer Black, von 1999 bis 2002 Direktor des CIA Counterterrorist Centers. Das alles geschah unter der Vizepräsidentschaft Joseph Bidens.

Seinerzeit begann der ukrainische Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin wegen Interessenkollision, Korruption und Vetternwirtschaft zu ermitteln. Im Jahr 2018 wurde dann bekannt, dass Biden den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und Premierminister Arsenij Jazenjuk, beide Günstlinge der USA, genötigt hatte, Schokin zu entlassen. Zu vermuten ist, dass die Ermittlungen den US-Vizepräsidenten und seinen Sohn schwer belastet hätten. Denn abgesehen von der Patronage hat Burisma Medienberichten zufolge 2014 und 2015 mehr als drei Millionen US-Dollar an eine Firma namens Rosemont Seneca Bohai LLC gezahlt, die bis zu 50.000 Dollar monatlich an Hunter Biden zahlte. Der wiederum war zusammen mit Christopher Heinz, dem Stiefsohn von John Kerry, Eigentümer von Rosemont Seneca Partners.

Es handelte sich um eines der üblichen Beziehungs- und Korruptionsgeflechte der US-amerikanischen Führungsschicht. Daher zeigten die in die Washingtoner Obama-Clinton-Kamarilla eingebundenen Politiker und Journalisten, die eifrig wegen angeblicher Beziehungen Trumps zum Kreml polemisierten, wenig Interesse, die Vorwürfe zu überprüfen. Erst als Trump im Oktober 2020 im Wahlkampf Korruptionsvorwürfe gegen Biden erhob, kamen dessen Machenschaften in der Ukraine ans Licht. Biden reagierte empört:

"Es ist der letzte Versuch in dieser verzweifelten Kampagne, mich und meine Familie zu verleumden." 

Lautete die Frage zuvor, warum geschäftliche Kontakte amerikanischer Politiker nach Russland ein Staatsverbrechen sein sollten, war jetzt zu fragen, warum nicht dem manifesten Korruptionsverdacht gegen den Präsidentschaftskandidaten und seinen Sohn nachgegangen wurde. Die Sache verlief im Sande. Vetternwirtschaft, Korruption, Erpressung, wohin man blickt.

Dass die USA die Bedrohung Russlands unter Benutzung der Ukraine ständig vorangetrieben haben, bestätigte Biden am 2. Oktober 2014 in einer Rede an der Harvard Kennedy School in Cambridge/Massachusetts:

"Wir haben Putin vor die einfache Wahl gestellt: Respektieren Sie die Souveränität der Ukraine oder Sie werden sich zunehmenden Konsequenzen gegenübersehen. Dadurch waren wir in der Lage, die größten entwickelten Staaten der Welt dazu zu bringen, Russland echte Kosten aufzuerlegen. Es ist wahr, dass sie [die EU] das nicht tun wollten. Aber wiederum war es die Führungsrolle Amerikas und die Tatsache, dass der Präsident der Vereinigten Staaten darauf bestanden hat, ja, Europa des Öfteren in Verlegenheit bringen musste, um es dazu zu zwingen, sich aufzuraffen und wirtschaftliche Nachteile einzustecken, um Kosten [für Russland] verursachen zu können. Und die Folgen waren eine massive Kapitalflucht aus Russland, ein regelrechtes Einfrieren von ausländischen Direktinvestitionen, der Rubel auf einem historischen Tiefststand gegenüber dem Dollar, und die russische Wirtschaft an der Schwelle zu einer Rezession."

Wie verlogen die Begründung für die Sanktionen ist, wird daran deutlich, dass die USA zu dieser Zeit den jahrelang vorbereiteten Staatsstreich in Kiew – unter Missachtung der Souveränität der Ukraine – bereits vollzogen und ihren Günstling Arsenij Jazenjuk als Ministerpräsidenten eingesetzt hatten. Der Bürgerkrieg in der Ostukraine hatte begonnen, Kiew sollte die Blaupause für das sein, was man in Moskau beabsichtigt und bis dato durch ständige Provokationen und den Ukraine-Krieg vorantreibt.

Wie es um das Selbstverständnis der US-amerikanischen Regierung bestellt ist, demonstrierte Präsident Joseph Biden am 6. Juli 2024 in einem Interview mit dem US-Sender ABC, als er nach einem desaströsen Wahlkampfduell mit Donald Trump nach seiner körperlichen und mentalen Verfassung gefragt wurde. Vor laufender Kamera erklärte er:

"Ich absolviere jeden Tag einen kognitiven Test. Wissen Sie, ich mache nicht nur Wahlkampf, ich regiere die Welt. Das klingt wie eine Übertreibung, aber wir sind die wichtigste Nation der Welt." 

Diese Aussage wurde von den westlichen Politikern und Journalisten nahezu kritiklos hingenommen, was wiederum Rückschlüsse auf die mentale Verfassung dieser Akteure zulässt. Eingegangen wurde hauptsächlich auf die Frage, ob Biden noch die Fähigkeit für eine zweite Amtszeit habe. Die Kontroverse darum beendete er am 24. Juli 2024 durch den Verzicht auf seine Kandidatur. Seine Aggressionspolitik gegen Russland setzte er hingegen fort, zudem führt er nun Wahlkampf für Kamala Harris, demnächst auch persönlich in Deutschland.

Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen und ist Autor zahlreicher Bücher. Soeben ist von ihm das Buch "Niemand soll hungern, ohne zu frieren" im Verlag zeitgeist erschienen.

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