Tyrannei der "Guten" – Harakiri des Westens

Die soziale Spaltung – angeblich verursacht durch vermeintlich Rechtsextreme – ist für pluralistische Gutmenschen geradezu unerträglich. Im Wettkampf, wer die eigentlichen "guten Absichten" hegt, geht es darum, ob der Nachtexpress in die Hölle bereits bestiegen wurde.

Von Elem Chintsky

Ein für heute relevantes, viel zitiertes Meme lautet wie folgt:

"Harte Zeiten schaffen starke Männer, starke Männer schaffen gute Zeiten, gute Zeiten schaffen schwache Männer, schwache Männer schaffen harte Zeiten." 

Es sind insbesondere die schwachen Männer, die am fähigsten zur Grausamkeit und Dummheit sind.

Im Westen befinden wir uns gerade in der zivilisatorischen Ellipse zwischen der vorletzten und letzten Etappe. Die schwachen Männer in Führungspositionen, die von einer überaus guten und großzügigen Zeit hervorgebracht worden sind, besitzen zurzeit die Narrenfreiheit – immun gegen nukleare Abschreckung, unbeeindruckt von der Friedensforschung, grausam dem eigenen Volk gegenüber. Und dieser Entwicklungsstand war wohl – zu Ende gedacht – bewirkt durch einen langen Marsch durch die Institutionen. Ein Marsch der "guten Absichten".

Um die Zeit der deutschen Wiedervereinigung, als die DDR der BRD einverleibt wurde und keinerlei Bremsen an neue NATO- und EU-Mitgliedschaften Richtung Osten gestellt wurden, entwickelte sich mit US-Segen eine dreiste Selbstverständlichkeit für ein unrealisierbares "ewiges Wachstum" und einen vermeintlich immerwährenden Wohlstand auf Kosten der rohstoffreichen Länder, die leider ohne die "liberale Demokratie" leben müssen (auf dem afrikanischen Kontinent, aber auch Russland usw.). In den dann regierenden Eliten entstand ein durch Hybris und hinterhältigen, kleingeistigen Ehrgeiz betriebenes Unternehmen, das vom alten, westlichen Finanzkartell veranlasst und gelenkt wurde. Brauchen wir ein konkretes Bild zu dieser Beschreibung und wie weit diese reichte?

Allein die Aussage eines Michail Chodorkowskis, der enorme Teile der sowjetischen, energetischen Infrastruktur auf Kosten der post-sowjetischen und russischen Bevölkerung ausgebeutet und geplündert hatte, erinnerte in einem Interview mit dem russischen Vorzeige-Liberalen, Interviewer und Blogger Juri Dud daran, für wen er all die Zeit über, als er russische Ressourcen Vorort stahl, arbeitete: für den kürzlich verstorbenen Lord Jacob Rothschild. (Volles Interview hier.) Das Oberhaupt der Rothschild Bankier-Familie war sein "Protektor", wie Chodorkowski ihn nennt.

Würde Chodorkowskis "Entscheidungsfähigkeit" über das gestohlene Kapital, das er bei Yukos bündelte, durch den Kreml beeinträchtigt werden, würde Chodorkowskis Vollmacht mit all den Befugnissen augenblicklich an Herrn Lord Rothschild übertragen. Dies geschah 2003, als der liberale Agent des Westens Chodorkowski endlich seine wohlverdiente Haftstrafe in Russland antrat. Das ist nur ein kurzer Schnappschuss einer riesigen westlichen Strategie der 1990er-Jahre, Russland vollends als souveränen Staat zu vernichten. Diesen Prozess hat Putin pünktlich zum Wechsel des Millenniums unterbrochen. Ein frühes Symbol für die eigentliche Haltung des Westens schon damals könnte der Abgeordnete Werner Schulz von den Grünen im September 2001 geliefert haben: Schulz war derjenige, der den Plenarsaal des Deutschen Bundestags moralisch empört verließ, als der russische Präsident dort seine berühmte Rede hielt.

Würde heute ein Politologe tatsächlich behaupten, dass das wichtigste Attribut eines westlichen Karrierepolitikers und Volksvertreters tatsächlich selbstaufopfernde Integrität wäre, würde der Saal voller Hohn in keifendes Gelächter ausbrechen. Gleichzeitig wäre das ein weiterer Hinweis dafür, dass das Gleichnis von weiter oben umso mehr wahr ist. Das Bild eines schwachschultrigen Bundeskanzlers Scholz, der mit leerem Lächeln neben dem US-Präsidenten Biden steht und zuhört, wie dieser versichert, dass es "kein Nord Stream 2 geben wird, wenn Russland in die Ukraine einmarschiert" (Ende 2021 alle sicherheitspolitischen Friedensvorschläge Moskaus ignorierend), gehört zu den grellsten Ikonografien der Gegenwart: "Schwacher und schwächerer Mann im Weißen Haus beim Anzünden der Welt. Washington D.C. Frühjahr 2022".

"Demokratie um jeden Preis" wird zu einem tragischen Unterfangen, wenn die in der Mehrheit verschreckte, harmoniebedürftige und von Neurosen durchsetzte Gesellschaft voller Feiglinge ist – das zeigte die zweijährige Coronakrise zum großen Teil mit Bravour. Dass aber heute eben keine unbarmherzige Skepsis gegenüber dem Staat, der Big Pharmaindustrie, dem militärisch-industriellen Komplex und den etablierten Systemmedien herrscht und zum neuen Standard des normativen Diskurses wurde, zeigt nur, wie tief sich die Feigheit, die Furcht und das Zittern in der Gesellschaft verwurzelt hat – sie leben dort praktisch ohne Miete zu zahlen. Warum ist das aber so?

Schwache Männer schreiten durch ihr Leben und werten neue Informationen mit einem sogenannten "Konsens-Filter" aus, der als sozialkognitiver Sicherheitsmechanismus herhalten soll. Demnach ergibt sich bei deren Entscheidungsprozess – konfrontiert mit dieser neuen Information – beileibe nicht die Grundsatzfrage "Ist dies wahr?", sondern vielmehr die Frage "Werden Andere damit einverstanden sein, dass ich dies für wahr erachte?". Dieser verschreckte Ansatz macht schwache Männer besonders anfällig für groß und zentral angelegte Propaganda-Kampagnen, in denen voller Nutzen aus der örtlichen Deutungshoheit geschöpft wird, um die eine, "richtige, wichtige und gute" Meinung zu adaptieren. Lautet die Narrative "Frieden mit Moskau kann nur durch mehr Eskalation und die Vernichtung Russlands und einen totalen Sieg Kiews erreicht werden", so wird das mehrheitlich unangefochten vertreten. Noch.

Auf Landesebene tut sich zwar etwas in der ehemaligen DDR. Aber ob das reicht (und rechtzeitig geschieht), um einen besonders in der BRD insgesamt trägen Prozess zu beschleunigen, kann man wagen zu bezweifeln.

Die sogenannte "Komfort-Klasse" im Westen, wie anderswo treffend analysiert wird, ist in ihrer hedonistischen Blase kaum mehr imstande, in einer halbwegs verifizierbaren Wirklichkeit weit zurückreichende historische Muster und Prozesse zu reflektieren, noch (bedrohliche) Zukunftsszenarien zu antizipieren. Das Unglück besteht darin, dass die vermeintlichen Säulen der Produktion per Zwang in einem grün-faschistischen, planwirtschaftlichen, Gesinnungskanon verortet werden, wie ihn die Berliner Ampel behauptet und repräsentiert.

Darin wurden ganz andere Prioritäten gesetzt, die mit künstlicher Relevanz versehen und aufgeladen wurden. Die ausschweifende Gender-Ideologie und der "Kult konstruierter Minderheiten" müssen an dieser Stelle immer zuerst genannt werden, da sie den verletzlichsten, verwundbarsten Aspekt der Gesellschaft direkt angreifen: die Kindheit. Denn genau hier sollten die "starken Männer" von morgen zu verorten sein, die in 20 bis 30 Jahren die undankbare Aufgabe auf sich nehmen müssten, "gute Zeiten" aus der Asche der Brände von heute zu errichten.

Während die tatsächlichen Säulen der Produktion einer Nation, wie in der Landwirtschaft, Schwerindustrie oder im Transport zu finden, grob automatisiert, bürokratisch malträtiert und schließlich schlicht demontiert werden. Die realitätsferne Erwartungshaltung dieser Ideologen, die sich per Einschüchterung der Massen in die Rollen der erhabenen Kultur-Priester aus der neuzeitlichen NATO-Konfession gezwängt haben, hat seit der Coronazeit offen autoritäre Züge angenommen. Strom soll "ein Grundrecht" sein, gleichzeitig sollen aber Atomkraft- und Kohlekraftwerke rasch abgebaut werden.

Steuerfinanzierter Wohnraum für illegale Einwanderer soll in "chinesischer" Geschwindigkeit erbaut werden, aber deutsche Bürger sollen an der Armutsgrenze entlang balancieren, während sie mitansehen müssen, wie die Kaufkraft ihres Monatslohns sich in Luft auflöst. Rede-, Presse- und Meinungsfreiheit wurden weitestgehend erfolgreich dekonstruiert – der unangefochtene Trendsetter hier ist jedoch mit Abstand noch Großbritannien unter Keir Starmer. Wer "wahre Meinungsfreiheit" will, der ist "gesichert rechtsextrem" und "ein Nazi", der die "demokratische Grundordnung" fahrlässig gefährdet und für 20 Monate für einen Post in den sozialen Medien in den Knast geht.

Zurück zu den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Dazu gab es jüngst eine Welt-Debatte, in der Jens Spahn – auch allemal als prächtiger Archetyp des "schwachen Mannes" anzunehmen – versucht hatte, das Mandat, welches die AfD in diesen beiden Bundesländern verliehen bekommen hat, als nichtig zu werten. In seinem typisch belehrenden Ton erklärte der ehemalige Gesundheitsminister unter Merkel, dass all die AfD-Wähler um die Verschwendung ihrer Stimmen hätten im Vorfeld wissen müssen. Habe doch die AfD sowieso keinen relevanten Koalitionspartner, so Spahn. Nach "Spahn dem Maskenbeschaffer", müsse jeder Wähler genügend abgeklärtes Kalkül an den Tag legen, jeden potenziellen Koalitionspartner seiner Wunschpartei mitzuberücksichtigen, damit die abgegebene Stimme wahrlich Sinn ergibt.

Jede linksgrüne NATO-Systempartei (CDU/CSU, SPD, FDP und Die Grünen) sei da normativ erwünscht: Jeder kann mit jedem gut und gerne koalieren – überhaupt kein Problem, da am Ende sowieso alles Plusminus genauso gemacht wird. Die deutsche Klimapolitik von Angela Merkel ab "Fukushima im März 2011" (oder ihre Migrationspolitik ab 2015) hätte keine deutsche Grünen-Regierung an ihrer Stelle anders oder "noch radikaler" gemacht – egal, wie sehr man es auch behaupten möge.

Einzig die AfD liefert zumindest die Illusion eines potenziellen Kurswechsels – in Regierungsverantwortung war die Partei ja noch nie. Die Bewegung Sahra Wagenknecht ist dahingehend ein Hybrid mit einem klaren und mächtigen Vorteil einerseits gegenüber den etablierten BRD-Systemparteien, andererseits gegenüber der AfD: Die BSW ist die einzige, welche Israel für den Genozid in Gaza verurteilt. Das jüngste Anbiedern der BSW an die Systemparteien aber verspielt und entkräftet diese rare und tragisch unterrepräsentierte Position in der deutschen Politik rasant. Die mittlerweile explizite "Brandmauer" zur AfD wird der BSW an den kommenden Wahlurnen auch teuer zu stehen kommen und lässt Vermutungen aufkommen, zu welchem Zweck die Bewegung eigentlich wirklich gegründet wurde.

Jedenfalls verlässt sich der Ex-Gesundheitsminister zu sehr auf die über zwei Prozentpunkte, die die AfD bei der Bundestagswahl 2021, im Vergleich zu ihren Ergebnissen im Jahr 2017, verlor. Im Zeitverständnis der deutschen Legislaturperioden war das aber vor langer Zeit. Leider wäre also so eine lineare Sichtweise zur Beschwichtigung nicht ausreichend. Denn obwohl sich der vorzüglich zwangsfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk alle Mühe gibt, die AfD weiter anzuschwärzen, wirken die Erziehungsmethoden der neoliberalen Staatsmedienmagier mittlerweile sogar für den "feig-verängstigten schwachen Mann" von nebenan (analysiert weiter oben) zu plump. Denn die anmaßende und lebensmüde Position Deutschlands zum Ukrainekrieg und zur eigenen deindustrialisierenden Beschneidung seither, zur illegalen Massenmigration seit 2015, die besonders in den letzten zwei Jahren die deutsche Zivilgesellschaft strapaziert, hat einen Schienenwechsel Richtung Zäsur erzwungen. Ob rechtzeitig, ist erneut die Frage.

Das Zeitalter der sensorischen und sozialwirtschaftlichen Völlerei im Westen ist aber in jedem Fall bald vorbei. Kein ohnehin in seinem Abwechslungsreichtum überstrapaziertes Netflix-Programm wird den gemeinen deutschen Bürger hinweg über die Tatsache ablenken, dass die Epoche der Wohlstandsselbstverständlichkeit abrupt vorüberzieht. Mit all den regionalen Kriegen und Konflikten auf der Welt (, die niemand in Washington oder Brüssel bereit ist, kompromissbereit zu schlichten) – und einer lodernden Bundesrepublik im Innern – wird sich in absehbarer Zeit noch zeigen, wie abrupt und rabiat der Realitätscheck im Westen wirklich ausfallen wird. Ob die hier getätigten, trüben Zustandsbeschreibungen und Prognosen nicht doch widerlegt werden könnten, wird die Bundestagswahl 2025 zeigen. Andererseits könnten strengere Geister wieder meinen, dass das brave "Warten" auf die kommende Bundestagswahl schon eine von vornherein zum Scheitern verurteilte Einstellung entblößt.

Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.

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