Von Susan Bonath
Während im sozialen Bereich überall gekürzt wird, soll der bundesdeutsche Militäretat kommendes Jahr weiter wachsen. So will es die Mehrheit im Parlament. Begleitet von der üblichen Propaganda von einer "Bedrohungslage durch Russland", welche Deutschlands Aufrüstung zu neuer "Kriegstüchtigkeit" alternativlos mache, stritt der Bundestag am Mittwoch über Einzelheiten dieses Regierungsplans.
Der CSU/CSU-Fraktion ging die anvisierte Erhöhung nicht weit genug. Die SPD beschuldigte diese, das Militär zuvor kaputtgespart zu haben – obwohl sie damals mitregierte. Die AfD forderte noch mehr Aufrüstung ohne Waffenlieferungen in die Ukraine und neue Schulden. Doch woher nehmen?
Die Grünen, früher Friedens-, heute Kriegspartei, hätten lieber die Schuldenbremse fürs Militär ganz ausgesetzt. Dem steht aber der "Aufrüstungskompromiss" der Ampel entgegen. Diesen wiederum lobte die FDP und freute sich über ihre "kompromissbereiten" Koalitionspartner SPD und Grüne. Grundsätzlichen Gegenwind gab es nur von den Abgeordneten der Linken und des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW).
Rekordsummen für Rüstung(sindustrie)
Dem Haushaltsentwurf der Ampel zufolge soll der Grundetat von knapp 52 auf 53,25 Milliarden Euro steigen. Dazu kommen weitere 22 Milliarden Euro aus dem 2022 beschlossenen "Sondervermögen".
Nicht eingerechnet in den Gesamtbetrag sind die geplanten Milliarden für die Waffen, die Deutschland in die Ukraine liefert. Dafür muss ebenfalls der Steuerzahler aufkommen. Überdies sind zahlreiche Ausgaben für NATO-Verpflichtungen der Bundesrepublik darin nicht enthalten. Beides wird zusätzlich aus dem Gesamthaushalt geschröpft, was auf weitere soziale Kürzungen hinauslaufen dürfte.
Die tatsächliche Summe der deutschen Militärausgaben könnte nächstes Jahr somit die 100-Milliarden-Euro-Marke überschreiten. Bereits für dieses Jahr schätzte die NATO die deutschen Gesamtausgaben für das Militär auf insgesamt 90,6 Milliarden Dollar, was in etwa der Euro-Summe entspricht. Das ist mehr als doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren.
Darüber berichtete im Juni der Verein Informationsstelle Militarisierung (IMI) mit Verweis auf das entsprechende NATO-Dokument. Bei der Rüstungsindustrie sorgt das für sprudelnde Sonderprofite.
Der expandierende Düsseldorfer Konzern Rheinmetall ist nur ein Beispiel von vielen dafür.
SPD: "Mehr Sicherheit" im Armenhaus
Die Bundestagsdebatte war ein Schauplatz für Propaganda und Desinformation. So schwadronierte der SPD-Politiker Wolfgang Hellmich von einer "Verteidigung der Freiheit" vor dem "Aggressor Russland". Das Erreichen des NATO-Ziels, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Rüstung auszugeben, illustrierte er als "Garantie für Sicherheit", welche die Regierung den Bürgern schulde. Auch das Märchen, wonach die Ukraine "unsere Freiheit verteidigt", fehlte nicht.
Dass in Deutschland immer mehr Menschen ihre vermeintliche "Sicherheit und Freiheit" unter der Brücke "genießen" dürfen (sofern sie nicht wie in Dresden einstürzen), ficht den Politiker der von einer einstigen Arbeiterpartei zu einem PR-Klüngel der NATO und des Großkapitals mutierten SPD nicht an. Im Gegenteil: Den Armen will die Ampelregierung mit der SPD an der Spitze noch mehr vom Existenzminimum rauben.
"Episch" kriegstüchtig mit der CDU
Johann David Wadephul von der CDU, die auch bei Sozialkürzungen ganz vorn mit dabei ist, geißelte die geplante Aufrüstung als "Fassadenhaushalt" und "Epos von Kriegstüchtigkeit", der in Wahrheit eine "billige Klamotte" sei, mit der die Ampel "der Zeitenwende nicht gerecht" werde. Kurzum: 75 Milliarden Euro plus viele weitere Milliarden für Ukraine und NATO reichen seiner CDU/CSU-Fraktion noch lange nicht.
Grünes Moralin, gelber Beifall
Agnieszka Brugger von den Grünen drückte auf die wertewestliche Tränendrüse und führte moralinsauer ukrainische Kinder ins Feld, welche in Bunkern zur Schule gingen und "nach Russland verschleppt" würden. Und weil sie sich so sehr nach Frieden sehne, so ihr historisch verdrehtes Märchen, müsse Deutschland der Ukraine mehr und mehr Waffen liefern. So verdeutlichte sie die Position ihrer Partei, die von "keine Waffen in Kriegsgebiete" im Jahr 2021 in Windeseile mutiert ist zu "Frieden schaffen mit noch mehr Waffen". Sie bedauerte lediglich, dass die Schuldenbremse einem "noch mehr" entgegenstehe.
Die deutsche Sicherheitslage habe sich, so fantasierte auch Karsten Klein von der FDP, "dramatisch verschlechtert". Er lobte die "neue nationale Sicherheitsstrategie der Ampel" und den Kompromiss seiner Koalitionspartner, keine neuen Schulden dafür aufzunehmen und dafür lieber in den Sozialetat zu greifen. Klein freute sich: Im Jahr 2025 werde Deutschland "erstmals das Zwei-Prozent-Ziel der NATO überschreiten".
AfD will aufrüsten – aber Ukraine-Hilfe stoppen
Der AfD-Abgeordnete Michael Espendiller fragte, woher das Geld denn kommen solle. Dafür habe die Ampel keinen Plan und werde dann wohl, so spekulierte er, den Vermögenden Geld abknöpfen. "Das lehnen wir in der AfD konsequent ab", sagte er. Aufrüsten will die AfD trotzdem, und zwar noch mehr als geplant, denn, so Espendiller: "Der Überfall auf die Ukraine hat nach einer langen Phase des Friedens in Europa gezeigt, dass man grundsätzlich jederzeit mit einem Angriff rechnen und auch darauf vorbereitet sein muss."
Trotzdem will die AfD keine Waffen in die Ukraine liefern, um "nicht weiter zu eskalieren". Woher sie das Geld für die Aufrüstung nehmen würde, ließ Espendiller ebenfalls offen – von den Reichen jedenfalls nicht.
BSW und Linke: Mehr Gemeinwohl, weniger Kriegsgerät
Zaklin Nastic von der Gruppe BSW warf der Ampel vor, Deutschland "weiter kaputtzusparen". Sie forderte, das Geld statt in "Panzer, die nach Moskau rollen", in die Infrastruktur und die Wirtschaft zu pumpen. Sie sagte: "In allen Haushaltsressorts wird gekürzt, nur die Ausgaben für's Militär steigen weiter an." Das Geld müsse in Bildung, Gesundheit, Bauen und Wohnen fließen, die Waffenexporte in die Ukraine sofort gestoppt und Friedensgespräche mit Russland geführt werden. "Die Ampel verschärft die Sicherheitslage", so Nastic.
Gesine Lötzsch, Die Linke, will Deutschland "nicht kriegstüchtig", sondern "friedenstüchtig" machen. Sie verglich die Summen: In Berlin-Lichtenberg sei eine Kita für 130 Kinder eröffnet worden. "Sie kostete 6,5 Millionen Euro – ein Leopard-Panzer kostet 27,5 Millionen Euro." Nötig sei ein Sondervermögen für Bildung und Soziales statt für Aufrüstung. "Die Kindergrundsicherung wurde auf dem Altar der Rüstungsindustrie geopfert", so Lötzsch.
Doch die Linken, zersplittert in die Bundestagsgruppen BSW und Die Linke, sind hoffnungslos in der Unterzahl. Zu befürchten ist: Die Kindergrundsicherung wird wohl nicht das einzige Opfer der deutschen Rüstungsspirale bleiben. Die läuft längst wie geölt, propagandistisch geschmiert von den meisten Parteien, finanziert auf dem Rücken der lohnabhängigen Bevölkerung.
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