Von Uli Gellermann
Irgendwann in den 1960er-Jahren hatte die Polizei den ziemlich jungen Gellermann aus einer Friedensdemo gefischt und auf das Düsseldorfer Präsidium zur politischen Polizei verbracht. Erkennungsdienstliche Behandlung und Befragung waren die Folgen: Wer ihn denn auf die Demo aufmerksam gemacht habe, ob er Kontakt zum Osten habe, ob er schon mal in Russland gewesen sei? Gellermann bekam seine erste Akte.
Russisches Narrativ verbreiten
Vor ein paar Tagen hat der Bayerische Verfassungsschutz seine Akte geöffnet und Gellermann fand sich mal wieder im Geheimdienstordner und in interessanter Gesellschaft: "Bei den in einer 'Tabelle 6' gelisteten Webseiten und Publikationen handelt es sich unter anderem um die Berliner Zeitung, den Freitag, die Junge Freiheit, die Schweizer Weltwoche, das Compact-Magazin sowie Medienblogs wie die 'NachDenkSeiten', 'Rationalgalerie' und 'Neulandrebellen'" Es handele sich, so die Beamten vom "Verfassungsungschmutz", um "Webseiten, die Nachrichten passend zum russischen Narrativ verbreiten".
Gegen den Westen marschieren
Gellermanns Webseite, die Rationalgalerie, sieht der Herausgeber gern neben den NachDenkSeiten, der Berliner Zeitung oder dem Freitag. Und warum verbreitet er angeblich beharrlich ein russisches Narrativ? Damals hatte er doch zu Ostern gern gesungen "Marschieren wir gegen den Osten? Nein! – Marschieren wir gegen den Westen? Nein!" (Text und Musik: Hannes Stütz. Lied der Ostermarsch-Bewegung, entstanden Anfang der 1960er-Jahre). Die Jahre sind vergangen und man weiß heute: Wer sich ernsthaft für den Frieden einsetzen will, der muss gegen die NATO, also gegen den Westen marschieren.
Russische Armee im Weg
Längst ist Russland kein sozialistisches Land mehr, sondern kapitalistisch. Aber immer noch ist es dem Westen geostrategisch im Weg und seine Rohstoffe sind immer noch so verlockend, dass dem rohstoffgeilen Westen der Sabber aus dem Mund tropft, wenn er nur daran denkt, er könne das Land besitzen. Aber um es zu besitzen, müsste er es erst besetzen. Da ist ihm allerdings die russische Armee im Weg. Und weil die sehr sperrig ist, muss sie mit einer NATO-Einkreisung beschäftigt werden. Wer diese einleuchtende Wahrheit erzählt, verbreitet russische Erzählungen – erzählt der Verfassungsschutz.
Eine knappe halbe Milliarde Steuergelder
Das Bundesamt für Verfassungsschutz bekommt jährlich offiziell rund 470 Millionen Euro an Steuergeldern, um friedliche Bürger zu bespitzeln und einzuschüchtern. Das Amt ist im Dauerkrieg für die US-NATO unterwegs, obwohl es gar nicht von den USA bezahlt wird.
Erich Kästner hat mal höflich gedichtet: "Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken." Der "Kakao" war eine vorsichtige Umschreibung. Heute müsste es im Klartext heißen: "Nie solltet ihr die Ärsche, die euch nur bescheißen, mit Steuergeld am Leben halten."
Bei Putin bedanken?
Der Kreis schließt sich: Über die Spitzel- und Denunziations-Attacke wird Gellermann durch einen Artikel der Webseite von RT DE informiert. RT ist ein russisches Nachrichtenformat, von dem die Meinungs-Maschine Wikipedia zu berichten weiß, dass es als "Propaganda-Apparat des russischen Präsidenten Wladimir Putin" gilt. Muss Gellermann sich jetzt bei Putin für die ihn betreffende Info über den Verfassungsschutz bedanken?
Schwarze Listen
In Deutschland gilt der Russe als Feind. Bei den Nazis galten die Russen als Untermenschen, in der Adenauer-Ära konnten Freunde der Sowjetunion im Gefängnis landen. Nach kurzem Tauwetter wird Russland wieder als Gegner gehandelt, weil die USA als Freund gilt und Deutschland Mitglied der US-NATO ist. Damit dieses Verhaltensmuster wirklich durchgesetzt wird, führt der Verfassungsschutz schwarze Listen über "Putin-Versteher". Das soll einschüchtern. Bei Gellermann wirkt es eher nicht.
Uli Gellermann ist Filmemacher und Journalist. Seine Erfahrungen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern begründen seine Medienkritik. Er ist Betreiber der Internetseite www.rationalgalerie.de.
Der Beitrag wurde zuerst am 10. September 2024 auf www.rationalgalerie.de veröffentlicht.
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