Fiktive Gedanken des Balkonisten: Pawell D. – freiwillig gefangen im Spinnennetz der Intrigen?

Ein jugendlicher IT-Nerd und Gründer eines sozialen Netzwerks wird festgenommen. Anlass genug für unseren Balkonisten, sich auch dazu seine Gedanken zu machen – und eine fetzige "Verschwörungstheorie" zu entwerfen. Ähnlichkeiten mit realen Vorgängen sind natürlich rein zufällig.

Eine Lesermeinung von Mikhail Balzer

Unlängst befiel unseren Balkonisten eine völlig absurde Verschwägerungs*Theorie, die er beim Lesen eines Cyberspionageromans entwickelt hatte und die in zusammenfassender Form nachfolgend wiedergegeben werden soll. Selbstverständlich sind Handlung und Charaktere ebenso wie die Namen frei erfunden, absurd und irreal. Leider ist vorab ein wenig der unglaubwürdigen Vorgeschichte vonnöten, die einem Dreigroschenroman hätte entspringen können.

Es gab einmal einen superintelligenten IT-Nerd, anfänglich lediglich russischer Staatsangehörigkeit (was an sich schon eine absolute Provokation für alle Silicon Valleys des Werte*Westerns darstellte). Wie dem auch sei, er hatte mal beiläufig zwei große, aber anfänglich überwiegend von russischen Leuten genutzte soziale Netzwerke mit Messengerfunktionen gegründet, die recht gut gegen "Abhören unter Freunden" (und auch unter Feinden) abgesichert waren – sodass sich sogar die Lauschohren jenseits des Großen Teichs taub darstellten. Das Ganze dann noch unter Vorgabe des absurden, fadenscheinigen und politisch inkorrekten Arguments der Meinungsfreiheit und Freiheit des Internets.

Dieser, mögen wir ihn Pawell D. nennen, bekam konsequenterweise gewissen Ärger mit heimatstaatlichen Behörden wegen seiner Weigerung, Nutzerdaten von Kriminellen herauszugeben, woraufhin er, ganz Weltbürger, den Firmensitz verlagerte. Wohlgemerkt geschah dies seinerzeit noch unter dem ganz großen Applaus des Werte*Westerns, weil dieser Pfeil ja gegen Russland abgeschossen zu sein schien, wo man es eben "bekanntermaßen" mit der individuellen Freiheit nicht ganz so genau nehme.

In diesem Zusammenhang übernahmen die beteiligten Journalhaie und etliche gemeinnützige NGOs auch gerne das gar wohlfeile Narrativ, dass dort ja ein "Diktator" herrsche und man Pawell deshalb absolut verstehen und unterstützen müsse. Unser Weltbürger, dem es zudem schon ein wenig eng und langweilig in seiner traditionellen Heimat geworden war, leistete sich rasch eine zweite Staatsbürgerschaft in einem warmen arabischen Land, verlagerte dorthin seine Firmensitze und erzielte dadurch vielleicht noch weitere steuerliche Vorteile. Man darf aber im positiven Sinne hervorheben, dass ihm in dem Zuwanderern gegenüber sehr aufgeschlossenen Land keine Zensur und Überwachung der unzähligen Nutzer oktroyiert wurde.

So weit, so passend. Wie viele andere Menschen kann auch ein Weltbürger eine Art Sammelleidenschaft entwickeln: Warum bei nur zwei Pässen verweilen, wenn es womöglich noch einen dritten, vierten, ... geben kann? Ein solches Spiel ist auch eine gute Medizin gegen die immer wieder aufkommende Langeweile und Ödnis eines Menschen, der in materieller Hinsicht schon fast alles Mögliche erreicht zu haben scheint, aber im inneren Kern noch ein wenig "großes Kind im Manne" geblieben ist. Selbst schöne Großspielzeuge wie Flieger und Jachten in Originalgröße machen da im größten Sandkastenspiel der globalen Bürger wenig her.

Also ergab sich zufällig (oder clever eingefädelt?), dass ein napoleonischer politischer "Jungspund" aus der Schwab'schem Kaderschmiede an einen der ausgelegten Köder ging: Man traf sich, besprach maximal Geheimnisvolles, und irgendwie (keiner der Beteiligten weiß heute mehr, wie es geschah!) erhielt unser Held einen weiteren, nunmehr franzofonen Pass. Hinzu kam, dass besagter "macronischer Napoleon" sich mangels Kaiserkrone gerne mit berühmt-berüchtigten Bürgern schmücken wollte, zumal ihm kürzlich ein eigener abhandengekommen war (ausgerechnet nach Russland hatte es einen äußerst prominenten und sehr reichen frankofonen Schauspieler gezogen!).

Übrigens ist die offizielle Lesart solcher Verleihungen einer Staatsbürgerschaft "an Ordens statt", dass durch diese herausragenden Neubürger der "Einfluss des Frankenreiches auf der Welt" vergrößert werden solle. Diese ominösen Geschehnisse sollen sich unbestätigten Berichten zufolge bis 2021 zugetragen haben – welche Mittelsmänner und Geheimnisdienste, Angelköder und etwaige Escort-Damen beteiligt waren, ist bis zum heutigen Tage unbekannt. Nichtsdestotrotz roch der aufstrebende Landesherr wohl schon einen feinen Braten, wenn sich perspektivisch noch eine der Firmen des Pawell D. in die französische Einflusssphäre bewegen würde.

Und überhaupt könne solch eine "Freundschaft" auch in Wahlkampfzeiten womöglich nützlich sein. Mutmaßlich hat sich der pfauenartige Landesfürst, der gerne noch größer und bedeutender sein möchte, hier aber geirrt: scheint Pawell D. doch an dem völlig irrationalen und finanziell schädlichen Dogma der Meinungs- und Internetfreiheit festzuhalten. Und dies, obwohl bereits noch glänzendere Vorkämpfer der IT alles vorgemacht hatten: nämlich, wie einfach es sein kann, größere Zugriffsrechte an Lauschohren zu verleihen.

Diese Verweigerungshaltung Pawells bedeutete nun eine schwere narzisstische Kränkung für etliche Elitenköpfe in Politik und Prominenz; nicht nur im Frankenreich, sondern auch darüber hinaus in der aufgeblasenen, abgehobenen Aureole des Werte*Westerns. So rasch schafft man sich Feinde, wo man sich als Weltenbürger noch nicht einmal seiner wahren Freunde sicher sein darf!

Irgendwie hat unser Held dennoch davon Wind bekommen und umschiffte die bedrohlich gewandelten Länder einige Zeit – aber dadurch wurde seine "Welt" eben wieder enger! Dieses schnöde Gefühl der Langeweile war dann vielleicht die Ursache, dass er nach einem großen und gefährlichen Abenteuer suchte und entgegen den Warnungen einiger weniger Freunde am 24. August den Trip mit dem Privatjet nach Paris wagte. Kaum dort gelandet, war er (recht erwartungsgemäß) unter Vorgabe vielfacher Anklagepunkte gefasst worden – selbstverständlich keinesfalls politisch motiviert, wie ein Pfau im Élysée-Palast verkündete! Und natürlich genauso wenig politisch motiviert wie die Passverleihung am 25. August 2021.

Um noch eine auffallende zeitliche Koinzidenz zum Besten zu geben: Pawell wollte am Tag nach seiner Einreise eigentlich das "dreijährige Passjubiläum" recht ordentlich mit Freunden feiern. Leider musste der kaltgestellte Schampus mitsamt Kaviar und Coq au Vin zurück in den Kühlschrank, da die Feier so unerwartet kurzfristig abgesagt werden musste.

Dies ist die eine Variante. Die zweite (das offizielle Narrativ) spricht von der naiven Dummheit Pawells, in Kenntnis der PanEU*ropischen Justizmaßnahmen gegen ihn und seine Dienste überhaupt nach Paris zu reisen: dergestalt gerne kolportiert von der Journaille und etlichen NGOs, die nun unseren Helden schön abblitzen lassen.

Die dritte Variante des Balkonisten liest sich da zumindest spannender, obschon wir nicht wissen, wo die Wahrheit verborgen liegt. Er mutmaßt nämlich, dass ein derart hyperintelligenter, äußerst rational handelnder (und vielleicht im Emotionalen noch jungenhafter) Pirat nicht nur das ganz große Abenteuer suchte, sondern sich sogar bewusst in das zurecht gesponnene Intrigennetz hinein begab. Denn abseits des Mainstream entstand nach der Inhaftierung quasi aus dem Nichts ein heftigster breiter Aufschrei und Sturm auf den Weltenmeeren: von oppositionellen freiheitlichen Medien und prominenten Personen aus den USA über die recht deutlichen öffentlichen Stellungnahmen aus Russland und der arabischen Welt, aus dem "globalen Süden" ... Und es gab sogar vorsichtige kritische Andeutungen aus dem Iran.

Mit diesem großen explosiven Feuerwerk hatte sich gerade die scheingoldene Elite des Westens unwollentlich aber weltöffentlich enttarnt hinsichtlich ihres moralischen Doppeldenk! Dies ausgerechnet in einer Zeit, da viele Nationen des "globalen Südens" sowieso widerspenstiger werden gegenüber den moralinsauren quasi-imperialen Vorgaben des Werte*Western, der anderen gerne den großen Revolver zeigt – so wie damals den Indianern (pardon: So heißen diese ja nicht mehr, wir sollten "Indigene Völker Amerikas" schreiben – dabei vewässernd, dass es diese auch in Südamerika gibt). Wir lernen hieraus Folgendes: Manchmal sind dann doch die lautlosen Pfeile nachhaltiger als das große Kaliber!

Damit noch nicht genug, hatte Pawell doch vorausgeahnt, dass es nun Recherchen zu und Zweifel an jener ominösen frankofonen Staatszugehörigkeit geben würde – womit plötzlich auch die scheinbar eherne Phalanx der Mainstream-Medien mit den Eliten zu bröckeln begann. Und selbst der mainstreamsüchtige Normalbürger überlegt nun, welche peinlichen Fragen man nunmehr dem Pfau im Élysée-Palast vorlegen sollte, sind doch die Vorgänge rund um jene Staatsbürgerschaft zweifellos recht dubios.

Gerade scheint auch die politische Lage in diesem Kozentrum der Macht des PanEU*ropischen Gartens etwas wackelig, musste man doch kürzlich alle demokratisch geeinten Kräfte gegen "den Schreibstift der Räächden" sammeln, um Le Pen zu verhindern. Au weia, dies wäre gar Wind in deren unsäglichen und undemokratischen Segeln. Und wenn dann noch manche autochthone Eulenspiegel Südfrankreichs und am deutschsprachigen Dreiländersee auf eine geläufige Beobachtung zu sprechen kämen und fragten, ob womöglich die Besitzer nagelneuer Großlimousinen ukrainischer Kennzeichnung auch in den zweifelhaften Genuss derartiger passrechtlicher Vorrechte kommen könnten.

Nein, bitte doch: Wir denken hier nicht an Korruption – die gibt es in PanEU*ropien definitionsgemäß gar nicht!

Ebenso kryptisch wie jene Beziehung zum kostenfreien Mieter des Élysée-Palastes ist auch die zu der weltenbürgerlichen Gesellschaft derer vom Davos'schen Turm (frei umgewandelt nach Goethe). Wenngleich die allwissende und nie Fake News verbreitende "Wiki-Dingsda" behauptet, Pawell sei in einer Klasse der "Young Global Leaders" gewesen, so finden wir hierüber keinen Hinweis auf der Seite der babylonischen Turmbauer zu Davos. Unabhängig von dieser Lapalie ist allerdings denkbar, dass auch die turmbauenden Weltbürger recht skeptische bis gar gekränkte Blicke auf diesen piratischen Helden werfen, also keinesfalls geneigt sind, ihm aus der Patsche zu helfen.

Doch nun genug dieser ganzen Verschwägerungs*Theorien, die sich nur im sandigen Gehirn unseres wie im Fieberwahn fantasierenden Balkonisten abgespielt haben – beobachten wir den Fortgang der Angelegenheit distanziert und emotionslos mit den neutralen und stets faktengeprüften Dioptrien der Qualitätsmedien!

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