Eine Nation im Verfall – Der wahre Preis endloser Kriege und Auslandsabenteuer

Während wir beobachten, wie die Eliten in Washington zunehmend verzweifelt versuchen, die ausgehöhlte Macht des amerikanischen Imperiums mit militärischen Drohungen und wirtschaftlichen Sanktionen rund um den Globus aufrechtzuerhalten, zerbröckeln im eigenen Land die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur und die Reste des gesellschaftlichen Zusammenhalts immer stärker.

Von Rainer Rupp

Das stetig wachsende Militärbudget

Jahr für Jahr schwillt das US-Militärbudget auf unvorstellbare Höhen an. Allein im Jahr 2023 überstieg der Verteidigungshaushalt 800 Milliarden Dollar, mehr als die Militärausgaben der nächsten zehn Länder zusammen. Dabei sind die tatsächlichen US-Ausgaben für ihren gigantischen Militärapparat noch weitaus größer, denn die Kosten der Nuklearwaffen-Wartung, -Weiterentwicklung, -Modernisierung, -Lagerung und -Sicherung sind in dem 800 Milliarden Dollar-Haushalt des Pentagons nicht enthalten, sondern in dem des Energieministeriums. Und die Kosten etlicher der inzwischen auf die Zahl 17 angeschwollenen Geheimdienste des US-Überwachungs- und Polizeistaats sind ebenfalls nicht in den 800 Milliarden enthalten, wie z.B. die über 50 Milliarden Dollar im Jahr für die CIA. Insgesamt dürften sich daher die US-Ausgaben für seine Militär- und globale Erpressungsmaschinerie auf über 1.000 Milliarden Dollar jährlich belaufen.

Diese enormen Ausgaben werden unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit gerechtfertigt. Doch die Bedrohungen dieser nationalen Sicherheit scheinen zunehmend nebulös und die Vorteile für das Gemeinwesen USA sind schwerer zu erkennen. Leicht zu erkennen sind dagegen die Vorteile, die die Eliten des Rüstungsindustriellen Komplexes, die von ihnen gekauften und bezahlten Politiker sowie Akademiker der Denkfabriken, und nicht zuletzt die Presstituierten in den Meinungsfabriken daraus ziehen.

Ebenfalls klar sind die Opportunitätskosten dieser Prioritätensetzung: Jeder Dollar, der für Krieg und Waffen ausgegeben wird, ist ein Dollar, der für den Wiederaufbau der bröckelnden Infrastruktur fehlt, die für das tägliche Leben von 340 Millionen Amerikanern unabdingbar ist.

Betrachtet man z.B. den Zustand der Straßen und Brücken des Landes, denn erfährt man laut der American Society of Civil Engineers (ASCE) aus deren neuestem Bericht, dass mehr als 2,6 Billionen (zweitausendsechshundert Milliarden) Dollar über das nächste Jahrzehnt nötig sind, um die Infrastruktur des Landes wieder auf einen guten Zustand zu bringen.

Währenddessen kämpfen die Einwohner des US-Städtchens Flint, im Bundesstaat Michigan, immer noch mit bleiverseuchtem Wasser. Und die Folgen des katastrophalen Unglücks in 2023 beim Städtchen East Palestine in Idaho, bei demgroße Mengen giftiger Chemikalien bei der Entgleisung eines Güterzugs freigesetzt wurden, scheinen den Behörden auch egal zu sein. Dabei sind die gesellschaftlichen Ursachen dieser und ähnlicher Katastrophen mit Händen zu greifen.

Jedes Jahr kommt es in den Vereinigten Staaten zu mehr als 1.000 Zugentgleisungen, also im Durchschnitt etwa drei pro Tag. Bereits wenige Tage nach dem Unglück in East Palestine gab es eine weitere Zugentgleisung in Houston (Texas), und eine weitere in Van Buren (Michigan), wobei ebenfalls Chemikalien aus den Kesselwagen freigesetzt wurden. Die enorme Katastrophe in East Palestine sticht jedoch aus dem Durchschnitt hervor, ebenso wie die dabei erkennbare schockierende Skrupellosigkeit, sowohl der Eisenbahngesellschaft als auch der Bundesbehörden.

Diese Infrastruktur-Unglücke und -Katastrophen sind keine Probleme der fernen Zukunft; sie sind Krisen der Gegenwart und erfordern sofortige Aufmerksamkeit und Finanzmittel, die allerdings in endlosen US-Kriegen und Billionen teuren Waffenprojekten verpulvert werden, wie z.B. die angelaufene Rundum-Modernisierung des US-Nuklearwaffenbestandes.

Die menschlichen Kosten falscher Prioritäten

Die menschlichen Kosten dieser Fehlallokation von Ressourcen sind erschütternd. In einem Land, dessen zahlenmäßig große Oberschicht so wohlhabend ist wie die der Vereinigten Staaten, ist es eigentlich unvorstellbar, dass Hunderte Millionen von US-Bürgern ohne grundlegende Unterstützung leben müssen. Das US-Gesundheitssystem zum Beispiel bleibt eines der teuersten und zugleich ineffizientesten der Welt und ist folglich für den Großteil der US-Bürger unerschwinglich. Selbst viele Mittelschicht-Bürger sind unversichert und bei einer ernsten Krankheit kann die Krankenhausrechnung sie das eigene Häuschen kosten.

Verdienen tut bei der Sache vor allem der Pharma- und Gesundheitsindustrielle Komplex (PGK). Laut dem Commonwealth Fund geben die USA prozentual fast doppelt so viel für Gesundheitsversorgung aus wie andere wohlhabende Länder, doch Amerika rangiert in Bezug auf die Gesundheitsergebnisse an letzter Stelle. Ein weiterer Grund dafür ist der Mangel an Investitionen in Präventivmedizin und soziale Dienste, denn mit gesunden Menschen kann der PGK keine Profite machen und folglich gibt es im US-Kongress keine Lobby für Vorsorgemedizin. Die US-Regierung braucht die Finanzmittel ohnehin für die Ukraine und ihre anderen Kriege.

Die sozialen Sicherheitsnetze, die einst eine Lebensader für die Schwächsten im Land darstellten, sind längst zerrissen. Programme wie Social Security, Medicare und Medicaid sind ständig bedroht und werden von Militär-Politikern als nicht gerechtfertigte "Ansprüche" bezeichnet, die gekürzt werden müssen, um den US-Haushalt auszugleichen, bzw. um mehr Platz für Militärausgaben zu schaffen.

Trotz der immer dringlicher werdenden Notwendigkeit, die gigantischen Defizite im US-Bundeshaushalt auszugleichen, die einen staatlichen Verschuldungsgrad am BIP von 127 Prozent (Italien lässt grüßen) erreicht haben, und obwohl das Defizit derzeit alle 3 Monate um Tausend Milliarden Dollar wächst, gibt es im US-Kongress nur vereinzelt einen Drang, die Rüstungsausgaben zu kürzen. Das Pentagon erhält weiterhin Blankoschecks, während soziale Programme im Namen der fiskalischen Verantwortung gekürzt werden. Dies ist nicht nur ein politisches Versagen; es ist ein moralisches Versagen – ein Verrat an den Bürgern, die die Regierung eigentlich schützen soll.

Wirtschaftspolitik und der Mythos des militärischen Keynesianismus

Befürworter massiver Militärausgaben argumentieren oft, dass diese gut für die Wirtschaft seien, da sie Arbeitsplätze schaffen und technologische Innovationen anregen. Dieser Glaube, verwurzelt im Konzept des militärischen Keynesianismus, geht davon aus, dass staatliche Ausgaben für Verteidigung ein mächtiges Instrument für Wirtschaftswachstum sein können. Doch die Realität ist weitaus komplexer. Während Verteidigungsausgaben Arbeitsplätze schaffen, befinden sich diese oft in Industrien, die nicht denselben Multiplikatoreffekt haben wie Investitionen in Infrastruktur, Bildung oder Gesundheitsversorgung.

Zudem sind die wirtschaftlichen Vorteile von Militärausgaben auf einige wenige Sektoren und Regionen konzentriert, während weite Teile des Landes unberührt bleiben. Vergleichen Sie dies mit Investitionen in Infrastruktur, die Arbeitsplätze in einer breiten Palette von Industrien schaffen und langfristige Vorteile für die gesamte Wirtschaft bieten. Eine neue Brücke oder Autobahn beschäftigt nicht nur Bauarbeiter, sondern bringt auch Unternehmen und Verbrauchern Vorteile, indem sie Transportkosten senkt und den Zugang zu regionalen Märkten verbessert.

Es gibt auch eine tiefgreifende moralische und ethische Dimension bei diesem Thema. Die US-Kriege in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, in der Ukraine und anderswo haben nicht nur Billionen von Dollar gekostet; sie haben neben Tausenden von US-amerikanischen Menschenleben unter den Bevölkerungen dieser Länder millionenfach tote, verstümmelte Opfer gefordert und zig Millionen von Flüchtlingen produziert. Die Rechtfertigungen für diese Kriege – seien es Massenvernichtungswaffen im Irak, die Verbreitung von Demokratie oder die Bekämpfung des Terrorismus – haben sich immer wieder als Lügen erwiesen. Doch das menschliche Leid, das sie verursacht haben, ist keine Fiktion.

Zugleich steht die Kriegsgeilheit der US-Eliten in ursächlichem Zusammenhang mit der gleichzeitigen Vernachlässigung inländischer staatlicher Pflichten, die eigentlich Priorität haben sollten, nämlich Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnungsbau und Infrastruktur. Durch deren Vernachlässigung wird eine eigene Art von struktureller Gewalt gegen die amerikanische Bevölkerung ausgeübt.

Die Kinder, die überfüllte und unterfinanzierte Schulen besuchen, die Familien, die mit Schulden für ärztliche Behandlungen kämpfen, die Arbeiter, die über gefährliche Brücken und Straßen fahren, sie alle sind Opfer des auf Krieg und Weltherrschaft ausgerichteten "Tiefen Staates". Der repräsentiert die eigentliche, nicht demokratische Macht, der bisher jede US-Regierung als aufführendes Organ diente, egal welche Partei gerade im Weißen Haus eingezogen war. Sie alle stellten daher ausländische Abenteuer über die Bedürfnisse ihrer eigenen Bürger.

Es wäre höchste Zeit zu einem fundamentalen Umdenken, höchste Zeit, das Zeitalter endloser Kriege zu beenden und mit dem Wiederaufbau Amerikas zu beginnen. Aber es wird schwer, wenn nicht sogar unmöglich sein, ohne Revolution an den Graswurzeln die festgefügten Strukturen an der Spitze des US-Staates und die realen Machtverhältnisse zu verändern, die hinter den jeweiligen Regierungen stehen; ähnlich wie in Deutschland.

Bei den bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen kann man davon ausgehen, dass sich unter einer Präsidentin Kamala Harris nichts ändern wird und die Strukturen an der Spitze, wie sie schon unter der Biden-Harris-Administration existierten, fortwirken werden.

Mit Trump im Weißen Haus besteht zumindest eine kleine Hoffnung, dass er wenigsten mit ein paar Elementen des "Tiefen Staates" aufräumen und versuchen wird, den Sumpf an einigen Stellen trocken zu legen. Für diese These spricht die reale Angst, ja sogar die Panik, die derzeit im Tiefen Staat herrscht, der mit allen Mitteln eine zweite Trump-Präsidentschaft verhindern will.

Ob es jedoch einer Trump-Regierung gelingen würde, trotz Trumps diesbezüglicher Beteuerungen, die Bedürfnisse der US-Bevölkerung über die Profite von Rüstungsunternehmen zu stellen, ist fraglich. In der US-Bevölkerung gibt es allerdings zunehmend Anzeichen für eine neue Art von Patriotismus, der im Unterschied zum früheren Hurra-Patriotismus für mehr Militär nun Frieden und den Wiederaufbau des eigenen Landes fordert.

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