Telegram-Gründer Durow findet heraus, dass "Freiheit" nicht frei sein bedeutet

Pawel Durow, der aus seinem Heimatland Russland floh, weil er sich weigerte, mit den staatlichen Behörden zu kooperieren, hat am 24. August die persönlichen Grenzen der freien Meinungsäußerung in Frankreich kennen gelernt.

Von Rachel Marsden

Französische Beamte sind mit einem Haftbefehl in Aktion getreten, der scheinbar auf die Rückseite einer Serviette gekritzelt wurde, als sie feststellten, dass der Gründer der weltweit beliebten Online-Chat-App Telegram im Begriff war, den kolossalen Fehler zu begehen, in Frankreich zu landen, obwohl sein Unternehmen seinen Sitz weit außerhalb der Reichweite der EU in Dubai hat. 

Der gebürtige Russe Pawel Durow hatte es zuvor auf mysteriöse Weise geschafft, im Jahr 2021 die französische Staatsbürgerschaft zu erhalten, ohne jemals in dem Land gelebt zu haben. Normalerweise erfordert die französische Staatsbürgerschaft den Nachweis eines fünfjährigen Wohnsitzes und, was für die französischen Behörden noch wichtiger zu sein scheint, fünf volle Jahre der Zahlung von Einkommenssteuern in Frankreich. Stattdessen gelang es Durow, die Staatsbürgerschaft im Rahmen einer Initiative des französischen Außenministeriums im Eiltempo zu erhalten, bei der die Einbürgerung auf der Grundlage einer Handlung erfolgt, die zum Ansehen, zum Wohlstand und zu den internationalen Beziehungen Frankreichs beiträgt.

Niemand war in der Lage zu sagen, was genau Durow zu Frankreich beigetragen hat, abgesehen davon, dass er Russland schlecht gemacht oder die Chat-App entwickelt hat, die französische Medien seit mindestens 2016 als die erste Wahl des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und seines Gefolges bezeichnet haben.

Ebenso rätselhaft ist die Tatsache, dass nur drei Jahre später die Justiz derselben französischen Regierung, die ihm eine hochpolitische Abkürzung zur Staatsbürgerschaft verschaffte, Durow nun plötzlich beschuldigt, einen allzu lockeren Umgang mit den Inhalten seiner Plattform zu pflegen.  Französische Presseberichte zitieren anonyme Justizquellen, die dem Fall nahe stehen, und behaupten, dass sich die App zu einem riesigen Tummelplatz für den Abschaum der Welt (zusätzlich zu den bereits erwähnten Eliten) entwickelt hat: Terroristen, Geldwäscher, Drogenhändler, Pädophile.

Keine explizite Erwähnung von Menschen, die zufällig eine Meinung haben, die dem Establishment nicht besonders gefällt, und über deren Online-Verbreitung sich europäische Beamte immer wieder beschweren und den Plattformbetreibern öffentlich drohen. 

Wie zuletzt Elon Musk, dem Eigentümer der Plattform X. TikTok, Eigentum von China? Eine Bedrohung der nationalen Sicherheit, die der Westen verbieten will – es sei denn, sie überlassen den USA die Datenverwaltung und den Zugang. Huawei? Eine Bedrohung der nationalen Sicherheit, vor allem, weil es sich in das Revier westlicher Konkurrenten eingemischt hat, die es schwer hatten, zu konkurrieren. RT und andere mit Russland in Verbindung stehende Plattformen? Bedrohung der nationalen Sicherheit, weil sie alternative Ansichten und Informationen zur offiziellen Darstellung der EU über die Ukraine anbieten. Jetzt werden französische Medien wie C8 und CNews bedroht, als wären sie russisch – weil sie den inhaltlichen Forderungen der französischen Regulierungsbehörde nicht nachgekommen sind. 

Durows Verhaftung war offenbar Zeichen genug, um den kanadischen Gründer einer anderen Plattform für freie Meinungsäußerung, Chris Pavlovski von der Video-Plattform Rumble, umgehend zu veranlassen, seine Reisetasche zu packen und sich aus dem Staub zu machen. So informierte er via X-Posting:

"Ich bin ein bisschen spät dran, aber aus gutem Grund – ich bin gerade sicher aus Europa abgereist. Frankreich hat Rumble bedroht, und jetzt haben sie eine rote Linie überschritten, indem sie den CEO von Telegram, Pawel Durow, verhaftet haben, angeblich, weil er keine Rede zensiert." 

Pavlovski hatte sich zuvor dafür entschieden, Rumble in ganz Frankreich zu sperren, anstatt Inhalte zu zensieren, um die ihn die französische Regierung gebeten hatte – wie zum Beispiel RT. Aber Durow sang eine Zeit lang eine Melodie, die dem Westen sehr gefiel: Er wurde von der russischen Regierung wegen der Kontrolle von Inhalten und des Backdoor-Zugangs unter Druck gesetzt und wies sie im Grunde nur heldenhaft zurück.

Seine Verfolgung durch Russland ging so weit, dass er nie wirklich verhaftet oder angeklagt wurde, und Telegram ist in Russland immer noch in Betrieb, während Durow frei war, um die Welt zu bereisen und sich als professionelles Opfer seines Heimatlandes zu präsentieren.

Durow hat sogar den Forderungen der EU von oben nachgegeben, RT und andere russische Medien zu zensieren. Doch in jüngster Zeit hatte es eine deutliche Veränderung gegeben. Vor einigen Monaten deutete er in einem X-Interview mit Tucker Carlson an, dass das FBI versucht habe, einen seiner Ingenieure davon zu überzeugen, westliche Hintertüren einzubauen, die den Geheimdiensten einen einfachen Zugang zu verschlüsselten Telegram-Inhalten ermöglichen würden. Er fügte hinzu, dass sie besonders daran interessiert zu sein schienen, Gruppen zu infiltrieren, die sich gegen die COVID-Mandate und sogenannte "Corona-Impfungen" stellten. 

Der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew sagte nach der Verhaftung Durows, er habe ihn zuvor gewarnt, dass er in praktisch jedem Land, in dem er nicht mit den Behörden bei schweren Verbrechen zusammenarbeiten wolle, Probleme bekommen werde. Es ist nicht so, dass Leute, die COVID-Mandate anprangern, schwere Verbrechen begehen. Da fragt man sich, wie viel von dem, was hier geschieht, wirklich nur Frankreich darstellt, das das Element des schweren Verbrechens hochspielt, um gegen viel geringere Dinge vorzugehen, die sie eher als Bedrohung ihrer eigenen Macht denn als Bedrohung der Gesellschaft ansehen.

Durow könnte nun lernen, dass Russland trotz seiner persönlichen antirussischen Rhetorik im Vergleich gar nicht so schlecht dasteht, sobald seine neuen Freunde beschließen, dass sie die Nase voll von ihm haben – und seine gefeierte App wandert vom Trinkspruch im Élysée-Palast in den Mülleimer. 

Fragen Sie einfach den russischen Künstler Pjotr Pawlenski , dessen vermeintliche "Kunst" in Brandstiftung bestand. Er zündete die Tür des Lubjanka-Büros des russischen Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) in Moskau für ein Tableau namens "Freiheit" an und kam mit einer Geldstrafe davon. Er floh nach Frankreich, wo er zwei Jahre später, im Jahr 2017, beschloss, für sein nächstes Meisterwerk die Fenster der Bank von Frankreich in Brand zu setzen – weil Kunst heutzutage anscheinend einfach bedeutet, ein rasender Idiot zu sein. Am Ende verbrachte er genug Zeit im französischen Gefängnis, um sich in der "Kunst" des Hungerstreiks zu versuchen. 

Natürlich gibt es keine konkreten Beweise dafür, dass dies mit der Meinungsfreiheit zu tun hat. Aber das westliche Establishment hat die unangenehme Angewohnheit, autoritäres Verhalten als Maßnahme im Rahmen der nationalen Sicherheit oder gegen Schwerverbrechen zu tarnen, sodass man aktuell nicht ausschließen kann, dass dies auch hier der Fall ist. Und sobald die Behörden unter dem Vorwand, schwere Verbrechen eindämmen zu wollen, Zugang oder Kontrolle erhalten, haben sie diesen Zugang für absolut alles. 

Ausgehend von früheren Berichten aus Deutschland und den Niederlanden hat Telegram tatsächlich auf gerichtliche Anordnungen zur Offenlegung von Informationen aus Gründen der nationalen Sicherheit in begrenzten Fällen von unmittelbarer Lebensgefahr reagiert. Aber es gibt keinen Mangel an Leuten, die das alles beobachten und denken, dass dies womöglich nur ein Weg ist, um mithilfe von Nötigung das Fenster zu einer viel größeren Kooperation mit der App zu öffnen, als sie es sonst hätten tun können. 

Man fragt sich, wie die Regierungen es jemals geschafft haben, Verbrechen zu untersuchen, bevor es mobile Apps und das Internet gab, wenn sie sich so verzweifelt darauf verlassen wollen, um herauszufinden, was vor sich geht.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg wird von amerikanischen Behörden regelmäßig beschuldigt, Sexualstraftäter auf seiner App nicht aufzuspüren. Als ob die Betreiber der Plattformen irgendwie für jeden Fiesling verantwortlich wären, der hinter einem Computerbildschirm lauert. Viel Glück bei diesem Hau-Drauf-Spiel à la "Whack-a-Mole" (Hau den Maulwurf)! Zuckerberg ist allerdings nie verhaftet worden. Sicherlich ist es nur Zufall, dass er ständig vor der Macht kuscht und Forderungen nachgibt.

Vielleicht wird Durow zuerst von den französischen Behörden an das örtliche Decathlon-Sportgeschäft hier in Paris verwiesen, wo er in ein schönes Paar Knieschoner investieren kann. 

Rachel Marsden ist Journalistin und politische Expertin in internationaler Politik. Sie ist Produzentin und Moderatorin verschiedener TV- und Radioproduktionen. Ihre Webseite heißt rachelmarsden.com

Der englische Originalbeitrag wurde vom RT-DE-Team übersetzt.

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