Von Tom J. Wellbrock
CSU-Chef Söder hat immer tolle Ideen. Der Mann ist stets zur Stelle, wenn es irgendwo brennt und mimt den Feuerwehrmann. Im ARD-Morgenmagazin wies Söder auf folgendes Problem hin:
"Beim Auto werden Sie nämlich kontrolliert, anlasslos geht das. Bei Fußgängerzonen nicht."
Das sei zu ändern, findet Söder. Aber dabei tauchen zwei Probleme auf.
Kontrolle. Und dann?
Zunächst einmal bedarf es einer kleinen Fortbildung. Denn Messer ist nicht gleich Messer. Nach einer kleinen Recherche erfahren wir:
"Das Führungsverbot laut dem Waffengesetz verbietet das Mitführen bestimmter Messer in der Öffentlichkeit. Messer, welche nach dem Waffengesetz ins Besitzverbot fallen, dürfen auch nicht in der Öffentlichkeit getragen werden.
'Einhändig feststellbare' Messer sind Messer, die eine Vorrichtung zum einhändigen Öffnen und eine Klingenarretierung aufweisen. Sollte ein Messer nur eines dieser Merkmale aufweisen, ist es vom § 42a nicht betroffen.
Messer mit einer Klingenlänge von mehr als 12 cm dürfen laut dem Waffengesetz nicht in der Öffentlichkeit mitgeführt werden. Darunter fallen z. B. auch die meisten Küchenmesser.
Für alle diese Gegenstände (feststehende Messer über 12 Zentimetern Klingenlänge, einhändig feststellbare Messer und Hieb- oder Stoßwaffen) lässt der Gesetzgeber das Führen nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses zu. Dieses berechtigte Interesse definiert sich als Führen 'in Zusammenhang mit dem Sport, der Berufsausübung, der Brauchtumspflege oder einem allgemein anerkannten Zweck'."
Ach, du Schande! Im Falle einer Kontrolle muss also zunächst einmal festgestellt werden, ob es sich im Falle des Findens eines Messers auch wirklich um ein verbotenes Exemplar handelt.
Aber das ist ja noch der einfache Teil der Nummer. Denn was, wenn der Kontrollierte sich auf die Ausübung von Sport beruft? Oder das Messer mit der Ausübung von Brauchtumspflege erklärt? Oder wenn er sich gleich auf den "allgemein anerkannten Zweck" beruft? Ja, welcher Zweck ist denn allgemein anerkannt? Welcher nicht? Die anlasslose Messerkontrolle könnte womöglich in einer überschwänglichen Diskussion über die Art des Messers und den Grund seines Mitführens ausarten.
Nicht weniger brisant ist das zweite Problem, das sich mit den anlasslosen Messerkontrollen auftut.
Wen kontrollieren? Und wen nicht?
Ok, wir wischen Problem 1 jetzt einfach mal beiseite und unterstellen, dass Messergattung und Grund des Mitführens eines Messers geklärt sind. Also, los geht's mit der anlasslosen Kontrolle!
Wir stehen in einer Fußgängerzone und schauen uns um. Wen, denken wir uns, könnten wir denn jetzt mal kontrollieren? Ah, da hinten, der Kerl sieht irgendwie verdächtig aus; eindeutig arabischer oder eindeutig einer ähnlichen Herkunft. Vollbart, komischer Blick. Ziemlich gut gebaut, die Körperhaltung deutet auf eine passiv- oder sogar aktiv-aggressive Stimmung hin. Das passt, den kontrollieren wir jetzt mal.
Doch dann taucht in unserem Kopf eine Stimme auf, die warnt: "Sicher, dass du den kontrollieren willst?" Ja, jetzt, wo die Stimme es sagt, stellen wir fest, dass wir verdammte Rassisten sind. Ausländerfeinde sind wir, denn wir sind zu Fleisch gewordene Vorurteile, denken, nur weil der Typ da hinten so aussieht, wie er aussieht, muss er ein Messerstecher sein.
Nein, reden wir uns raus, stimmt ja gar nicht! Wir sind keine Rassisten, aber wir müssen doch jetzt mal jemanden kontrollieren, wenn wir schon jemanden kontrollieren sollen. Dann taucht plötzlich das Bild eines riesigen Shitstorms vor unserem geistigen Auge auf:
"Syrer nach anlassloser Messerkontrolle am Pranger! Hass und Hetze im Netz! Warum wurde er kontrolliert? Der Mann war gut integriert! Wir haben ein Problem mit den Ausländerfeinden und den Hetzern und Rechtsextremisten im Land!"
Uns dreht sich der Magen. Wollen wir das? Nein, natürlich nicht. Also kontrollieren wir den Mann lieber nicht und suchen uns jemand anderen. Und wir werden fündig, gehen zielstrebig auf die Person zu, die wir jetzt anlasslos auf Messer überprüfen wollen.
Es ist eine Frau, ziemlich klein, zierlich, blond und – wir erkennen es, als wir ihr näher kommen und sind nun endgültig sicher, die richtige Entscheidung gefällt zu haben – mit einem kleinen AfD-Sticker an ihrem T-Shirt. Na also, denken wir, geht doch!
Das Ergebnis der Kontrolle: Die Frau führte kein Messer mit sich, auch sonst war sie unbewaffnet. Aber ein Grundgesetz konnten wir in ihrer Handtasche finden. Daraus müsste sich doch auch etwas machen lassen.
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.
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