Von Gert Ewen Ungar
Im Osten deutet sich eine erdrutschartige Verschiebung der Parteienlandschaft an. Die Umfragen für sowohl das BSW als auch die AfD sind gut. Die Ampel wird absehbar abgestraft. Die Linke kommt laut einer aktuellen Umfrage in Thüringen nur noch auf 13 Prozent, weniger als die Hälfte des Ergebnisses, das sie bei den letzten Landtagswahlen erzielen konnte. Die Grünen fliegen wohl aus dem dortigen Landtag, die FDP ebenso. Die SPD ist einstellig, die CDU wird lediglich zweitstärkste Kraft hinter der AfD. Das erst Anfang des Jahres gegründete BSW kommt aus dem Stand auf 17 Prozent und überholt damit auf Landesebene jene Parteien, die auf Bundesebene die Regierung stellen. Ebenso lässt das BSW Die Linke hinter sich, die aktuell noch die Minderheitsregierung in Thüringen anführt.
Auch wenn die Zahlen für Sachsen und Brandenburg im Detail etwas anders aussehen mögen, deuten sie auf eine ähnliche Situation. Die deutsche Parteienlandschaft steht vor einer enormen Umwälzung.
Es ist kein Machtwechsel, der sich da andeutet, sondern die vollständige Erosion bisheriger politischer Gewissheiten. Man könnte diesen fundamentalen Wandel einfach nachrichtlich begleiten. Damit kämen die Öffentlich-Rechtlichen ihrem Auftrag nach.
Stattdessen aber greifen sie in den Wahlkampf ein, machen aktiv Politik und positionieren sich einseitig an der Seite der etablierten Parteien. Spätestens mit den von Correctiv erhobenen, faktisch aber frei erfundenen Vorwürfen, die AfD verfolge einen Geheimplan zur massenweisen Ausweisung von Deutschen, der trotz seiner offenkundigen Widersprüche und journalistischer Mängel ein großes Medienecho gefunden hat, ist klar, der Mainstream macht Wahlkampf an der Seite von CDU, SPD, FDP und vor allem an der Seite der Grünen.
Parteiferne, Bemühen um Objektivität und Ausgewogenheit, Fehlanzeige – es läuft etwas gründlich schief in der deutschen Medienlandschaft. Der Einfluss der Parteien in den Redaktionen der öffentlich-rechtlichen Medien wird in diesen Tagen besonders deutlich sichtbar. Die Panik ist offenbar groß, die sich daraus ergebende Aufgabe ebenso. Es gilt, Erschütterungen im Machtgefüge der Bundesrepublik mit allen Mitteln der Propaganda und Agitation zu verhindern – legitim sind auch Diffamierung und Lüge.
Die ARD veröffentlichte eine als Faktenfinder getarnte Kampfschrift gegen das BSW "Auf Linie mit der russischen Propaganda". Norbert Häring hat das Machwerk umfassend analysiert, der Hinweis darauf soll hier ausreichen.
Den bisherigen Tiefpunkt in der Berichterstattung zu den bevorstehenden Landtagswahlen lieferte allerdings das ZDF ab.
Unter der Überschrift "‘Wagenknecht möchte Wladimira Putinowa sein’" darf der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk sein systemkonformes Geschwurbel absondern.
Wagenknecht verspreche, den autoritären Staat zurückzubringen, behauptet Kowalczuk. Der autoritäre Staat sei die große Sehnsucht der Bürger auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, die das Prinzip von Demokratie bis heute nicht verstanden haben, trötet er ins populistische Horn.
Publikumsbeschimpfungen sind bei der ARD und dem ZDF spätestens seit Corona ganz groß in Mode. "Nein, ihr seid keine Kritiker, ihr seid nicht rational, ihr seid Covidioten, Coronaleugner, Verschwörungstheoretiker, Rechte und Putinversteher – ihr seid eine Gefahr für dieses Land. Deswegen müssen wir euch öffentlich runtermachen, an den Pranger stellen und ausgrenzen. Dazu haben wir jedes Recht, denn wir sind Journalisten und Experten." In diesem Stil werden die Deutschen seit Jahren allabendlich über sich selbst belehrt. Vertrauen in die Nachricht erzeugt man so natürlich nicht.
In einer bizarren Verdrehung der aktuellen Verhältnisse behauptet Kowalczuk, Wagenknecht plane eine Diktatur der Mehrheitsverhältnisse. Dabei ist die aktuelle Krise der deutschen Parteienlandschaft der Tatsache geschuldet, dass sich die ganz große Koalition von CDU, SPD, Grüne, FDP bis hin zur Partei Die Linke weigert, einen großen Teil der deutschen Gesellschaft politisch zu repräsentieren.
Man macht Minderheitenpolitik, setzt die Wünsche des transatlantischen Partners unter Umgehung der eigenen Interessen um. Staatsräson bis hin zur Unterstützung von Genozid steht über humanitären Grundsätzen. Für die Rettung des Klimas und die Abkehr von russischen Energieträgern sind Wohlstandsverluste zumutbar, glaubt man in der Ampel. Die Deutschen verzichten gern auf günstige Energie, weil sie wissen, dass das gut ist. Um die Ukraine für einen Sieg über Russland fit zu machen, nehmen die Deutschen auch gern in Kauf, dass die Infrastruktur zerbröselt und das Land immer weiter zurückfällt. Es gibt zwar eklatante Wohnungsnot, aber Zuwanderung ist natürlich das A und O. Den Widerspruch müssen die Wähler einfach mal aushalten. So ist es nun mal in Demokratien. Wer das kritisiert, ist rechts, Feind der Demokratie und Putinversteher. Die Vorstellungswelt ist in den abgehobenen Sphären deutscher Politik von tiefer Schlichtheit geprägt.
Es hat sich ein abgehobenes, von der Lebensrealität der Menschen abgekoppeltes, elitäres System etabliert, das sich vor allem um sich selbst dreht. Erkennbar sind klare Dekadenzerscheinungen.
Für Kowalczuk, wie auch für die etablierten Parteien, ist Demokratie lediglich Selbstzweck, der sich nicht positiv auf die Lebensverhältnisse auswirkt. Wer das fordert, redet dem autoritären Staat das Wort, so seine These. Demokratie nach seinem Gusto ist vor allem auch nur behauptet, denn Demokratie bedeutet nicht, das gesellschaftliche Ganze in den Blick zu nehmen, sondern auf Minderheiten, auf Einzel- und auf Sonderinteressen zu fokussieren.
Genau das aber ist der Grund für die Krise des deutschen Parteiensystems. Deswegen wird es im Osten abgewählt – und im Westen vermutlich auch. Deutsche Politik rückt die Interessen anderer in den Mittelpunkt, während die Basis für den deutschen Wohlstand, für die Sicherung des Standards (von Wachstum redet schon gar niemand mehr) erodiert.
Die Politik der etablierten Parteien ist zur existenziellen Zumutung geworden, die mit ihnen verbundenen Medien ebenso. Es muss die Möglichkeit geben, das abzulösen.
"Die meisten Ostdeutschen haben 1989, 1990 geglaubt, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Freiheit und Demokratie auf der einen Seite und dem Wohlstandsversprechen auf der anderen Seite gibt", behauptet Kowalczuk.
Das gilt allerdings nicht nur für die Ostdeutschen, es gilt sogar über Deutschland hinaus, denn das ist das Versprechen der EU. Nur funktioniert es inzwischen auch auf der EU-Ebene genauso wenig, wie in Deutschland.
Wagenknecht würde an Putin das Repressive faszinieren, diffamiert Kowalczuk offen und bekommt keinerlei Widerspruch. Dabei hat sich in Deutschland unter dem Vorwand, Demokratie schützen zu müssen, inzwischen ein deutlich autoritäreres System als in Russland etabliert.
Zensur, Repression und die Unterdrückung der Opposition sind in Deutschland inzwischen wesentlich klarer erkennbar. Ein Klima der Angst ist tief im deutschen Alltag verwurzelt. Sei vorsichtig, mit dem, was du sagst, und wem du es sagst.
Teil dieses repressiven Systems sind die deutschen Medien. Gerade die Öffentlich-Rechtlichen stellen mit ihrer staatsnahen, hofierenden Berichterstattung jeden echten Staatssender in den Schatten. Kowalczuk ist Teil eines Systems, das die Opposition aktiv diskriminiert und diffamiert. Er bringt nicht die Lösung, denn er ist Teil des Problems.
Wagenknecht wehrt sich. Ihre Kritik an der Berichterstattung wird natürlich weitgehend übergangen. Wer etwas anderes erwartet hätte, hat die in Deutschland herrschenden Zustände nicht verstanden. Dass all die Diffamierung jedoch den Effekt hat, Wähler grundsätzlich von der Wahl von BSW und AfD abzuhalten, ist nicht zu erwarten. Das System ist in einer derart tiefen Krise, dass jede politisch-mediale Agitation gegen die beiden neuen Parteien ihnen weiteren Zuspruch bringt. Das Vertrauen in das etablierte System ist komplett verspielt, ein Weiter-so die wohl schlimmste unter allen denkbaren Varianten. In Thüringen wird sich das absehbar deutlich zeigen.
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