Von Wiktorija Nikiforowa
Seit vielen Jahren raten Wirtschaftswissenschaftler Russland, von der Abhängigkeit durch die Öl- und Gasexporte loszukommen. Zur Verdeutlichung der Sachlage: Eigentlich sind es eher die Verbraucher unserer Kohlenwasserstoffe, die von russischem Öl und Gas abhängig sind. Das Entzugssyndrom geht mit einem wilden Zusammenbruch ihrer Volkswirtschaften einher – in den letzten zwei Jahren konnte jeder sehen, wie Europa, allen voran Deutschland, kollabierte.
Die Abhängigkeit Russlands von Kohlenwasserstoffexporten birgt jedoch natürlich auch einige Risiken. Die Preise sind extrem schwankend, und die US-Amerikaner sind in letzter Zeit zu direkter Sabotage im Wettbewerb übergegangen, wie etwa mit der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines. Die kommende, sehr reale Rezession der Weltwirtschaft wird die Preise für Kohlenwasserstoffe sinken lassen, und die russische Wirtschaft wird mit diesem unangenehmen Phänomen zu kämpfen haben.
Unsere eigentliche Herausforderung besteht jedoch darin, die Verbraucher in aller Welt von etwas anderem abhängig zu machen. Dieser Reichtum liegt direkt vor unserer Nase, aber wir scheinen ihn nicht wahrzunehmen. Ein Dank geht an diejenigen, die das Land aufgrund der militärischen Sonderoperation flüchtig verließen, sie sind die Einzigen, die uns die Augen öffnen konnten.
Was fehlt den blonden Rittern, die über den Kaukasus nach Georgien oder Armenien ausreisten, am meisten? Richtig: Hüttenkäse und Buchweizen, köstliche russische Käsesorten und Hunderte Schinkenvariationen. Bauernmilch mit Schaum und Rjaschenka mit seinem einzigartigen Geschmack. Zauberhaftes russisches Brot – mit Hefe oder Sauerteig, mit kandierten Früchten oder mit Kümmel, und wenn gewünscht auch ohne Hefe, ohne Zucker und sogar ohne Gluten, falls erforderlich.
Eine hochwertige Butter mit einem klassischen nussigen Geschmack. Preiselbeer- und Kumquatkonfitüre, aber auch Aprikosenmarmelade mit Zitronen und Rosenblütenkonfitüre. Unser Speiseeis – hergestellt aus echter Milch und Sahne, nach dem klassischen Rezept, nach dem das sowjetische Speiseeis hergestellt wurde. Es sei an die urbane Legende erinnert: Winston Churchill sah die Moskauer bei minus 30 Grad Celsius auf der Straße Speiseeis essen und sagte: "Diese Nation ist unbesiegbar!"
Ich habe zwei Absätze geschrieben und nicht einmal ein Hundertstel eines Bruchteils des Sortiments eines typischen Bauernmarktes in einer russischen Stadt aufgezählt. Es ist, als ob wir eine einfache und offensichtliche Tatsache nicht bemerken würden. Unsere Nahrungsmittel werden nach einfachen, bewährten Rezepten hergestellt und sind deshalb sehr natürlich, sehr gesund und gleichzeitig erstaunlich preiswert. Mit ihnen kann man Diäten einhalten, oder andere Ernährungspläne zusammenstellen, und sie erfreuen sowohl gesunde als auch kranke Menschen und selbst die kleinsten Kinder.
In den westlichen Ländern wird für die Erzeugnisse der Landwirte ein Vielfaches oder sogar eine ganze Größenordnung aufgeschlagen. Und die Leute kaufen es trotzdem – sie nehmen hundert Gramm Jamon, in durchsichtige Scheiben geschnitten, und 150 Gramm Roquefort für die ganze Familie und genießen Stück für Stück und dehnen den Genuss aus.
In den östlichen Ländern, in denen die Überbevölkerung grassiert, werden sehr billige Lebensmittel hergestellt, deren Qualität und Geschmack jedoch sehr fraglich sind. Die Verbraucher dort haben Angst, örtliche Lebensmittel zu essen, und sobald sie ein wenig Geld haben, kaufen sie importierte Lebensmittel, da diese für ihre Gesundheit viel weniger schädlich sind.
Mit anderen Worten, was die Kombination von Preis und Qualität angeht, schlägt das russische Essen seine Konkurrenten wie Mike Tyson K.O., nur, dass es keine Ohren abbeißt. Alles, was bleibt, ist, dies den Verbrauchern in der ganzen Welt zu vermitteln.
Die Menschen mögen in schwierigen Zeiten ihren Benzin- und Ölverbrauch reduzieren, aber sie wollen immer noch trinken und essen. Und dem Körper kann man nichts vormachen – er gewöhnt sich an den Geschmack eines natürlichen Produkts und wird regelrecht süchtig danach. Russen zum Beispiel fällt es sehr schwer, auf den US-amerikanischen Speiseplan umzusteigen, weil dort alles voller Süßstoffe, Lebensmittelzusatzstoffe und anderer Chemikalien ist. Und die Chinesen mögen ihre eigenen, einheimischen Produkte oft nicht, weil sie Angst vor der Fülle der gleichen Zusatzstoffe haben, zumindest vor dem berüchtigten Glutamat.
Deswegen sollten wir parallel zu den Öl- und Gaspipelines auch eigene "Nahrungsmittelpipelines" ins Ausland bauen. Unsere Limonaden sind viel gesünder und schmackhafter als die gesamte Coca-Cola-Palette. Unsere Käsesorten können durchaus mit den besten europäischen Sorten mithalten. Unsere Fleischprodukte wie Buschenina, Schinken und Schweinshaxen sind Delikatessen von Weltrang, neben denen derselbe Jamon ein versalzener und übermäßig angepriesener Unsinn ist.
Oh, und vergessen wir nicht unseren Wein – die Krim und der Süden Russlands bieten einfach wunderbare Möglichkeiten. Die Rede ist nicht davon, überfüllte Weinmärkte zu erobern, wie zum Beispiel unseren Chardonnay nach Frankreich zu exportieren. Aber in Ländern wie China würde sich unser Wein sehr gut machen: Im Verhältnis von Preis und Qualität ist er viel besser als seine südamerikanischen oder australischen Konkurrenten.
Ja, wir haben auf diesem Weg viele starke Konkurrenten – die USA, Brasilien und die europäischen Länder. Wir haben zum Beispiel auch eine wunderbare Schokolade, aber wir sind nur auf dem zehnten Platz in der Welt, was die Exporte angeht: Der Spitzenreiter, Deutschland, schickt fünfmal so viel in andere Länder, das kleine Belgien dreieinhalbmal so viel.
Unsere Lebensmittelexporte brauchen Werbung, staatliche Unterstützung und eine starke PR-Kampagne. Dabei geht es nicht nur um Frontalwerbung, sondern auch um Delikatessenfestivals, Filme und das Sponsoring von Veranstaltungen. Hier lohnt es sich, sich ein Beispiel an der Konkurrenz zu nehmen, zum Beispiel an Coca-Cola – die Leute sind einfach Meister in der Selbstverherrlichung. Eine weitere interessante Aufgabe ist es, einzelnen privaten Produzenten zu helfen, ihre Marmeladen, Konfitüren und Delikatessen zu exportieren.
Trotz Sorgen und Schwierigkeiten wird gehandelt: Einst begannen unsere legendären Kohlenwasserstoffexporte mit einer einzigen Druschba-Pipeline. Zweifellos werde auch unsere "Nahrungsmittelpipelines" funktionieren, und der Verbraucher weltweit wird süchtig nach unseren "schmackhaften und gesunden Lebensmitteln" werden – das würde selbst Genosse Anastas Mikojan, den einstigen Handelsminister der UdSSR, glücklich machen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 23. August 2024 zuerst bei RIA Nowosti erschienen.
Wiktorija Nikiforowa ist eine Kolumnistin bei RIA Nowosti.
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