Von Wladislaw Sankin
"Der Medienkonzern Deutsche Welle produziert nicht nur massenweise Informationssaboteure, darunter auch russische Journalisten, sondern führt auch antirussische Medienkampagnen durch." Mit diesem Argument will die russische Staatsduma bei der Generalstaatsanwaltschaft das Verbot des deutschen Auslandssenders erwirken – RT DE berichtete. In dieser Woche ist in Russland ein Gesetz in Kraft getreten, das die Möglichkeit vorsieht, ausländische Organisationen, deren Gründer Behörden ausländischer Staaten sind, für in Russland unerwünscht zu erklären. Als Staatssender eines unfreundlichen Staates könnte die Deutsche Welle ohne Weiteres in diese Kategorie fallen.
Als Mitarbeiter eines in der EU verbotenen russischen Senders, aber vor allem als Journalist, steht mir nicht zu, Zensur und Medienverbote gutzuheißen – gegen wen auch immer. Das tue ich an dieser Stelle auch nicht. Aber ich kann sehr gut nachvollziehen, warum die russischen Abgeordneten ein Verbot der Deutschen Welle beabsichtigen.
Nehmen wir ein aktuelles Beispiel, das eindrücklich zeigt, welche Stimmungen die Deutsche Welle in der Gesellschaft erzeugen will und auf wessen Seite sie mit Herz und Seele steht. Gleich vorab – es ist nicht die Seite der Wahrheit, Objektivität und der Völkerfreundschaft. Der Beitrag des ukrainischsprachigen DW-Ablegers, der mich wegen seiner Pietätlosigkeit, Lügen und Hetze zum Staunen gebracht hat, wurde als Video mit einer Länge von 2:22 Minuten auf X unter dem Titel "Verbot der Russischen Orthodoxen Kirche: Gott, wie gut!" am Dienstag veröffentlicht.
Schon der Verweis auf die Russisch-Orthodoxe Kirche im Titel ist propagandistisch und irreführend. Es gibt in der Ukraine keine Russisch-Orthodoxe Kirche. Im Land tätig ist die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (UOK), die zu einhundert Prozent unabhängig von Moskau agiert und die angebliche Unterstützung des russischen "Angriffs" auf die Ukraine durch die Russisch-Orthodoxe Kirche offiziell scharf verurteilt hat. Was die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche allerdings nicht getan hat, ist die Loslösung vom Moskauer Patriarchat abseits des kanonischen Rechts und die Gründung einer schismatischen Landeskirche nach Muster von Pseudo-Institutionen wie der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) im Jahr 2019. Diese geschah auf Geheiß weltlicher Instanzen wie dem US-Außenministerium und dem ehemaligen Präsidenten Petr Poroschenko. Auch der Vorbote der OKU-Schismatiker, die im Jahr 1992 gegründete sogenannte Ukrainische Orthodoxe Kirche des nicht existierenden Kiewer "Patriarchats", ist ein weiteres Beispiel für eine solche Pseudo-Kirche.
Das Beharren auf Kirchenrecht und universelle Geistlichkeit sowie die bloße Position der Nichtablehnung des Russischen bringt die nationalistischen Feinde der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche zur Weißglut. Bar jeder Ahnung über Religion und Frömmigkeit werfen sie der UOK vor, ein antiukrainisches Werkzeug des Kremls und der Abteilung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB zu sein. Was das am Dienstag beschlossene Gesetz vorsieht, ist die Liquidierung der UOK nach dem Ablauf einer gesetzten Frist, weswegen es Kirchenexperten nicht ohne Grund "Das Gesetz über das UOK-Verbot" nennen. Somit ist es richtig, von der Liquidierung der UOK zu sprechen, und wenn die DW vom angeblichen Verbot der Russisch-Orthodoxen Kirche spricht, dann entspricht das nicht der Wahrheit. Das gilt auch für andere deutsche Medien, die die Wahrheit über die Bekämpfung der Orthodoxie in der Ukraine verschleiern.
Warum geht es bei dem Verbot um die Vernichtung des orthodoxen Glaubens? Weil die UOK die meisten wahren Gläubigen in der Ukraine vereint und nicht diejenigen, die nur einmal im Jahr in die Kirche gehen, um eine Kerze anzuzünden. Die UOK vereinigt mehrere Millionen Gläubige in rund 8.000 Kirchengemeinden und UOK-Hierarchen wie das Oberhaupt der Kirche, Metropolit Onunfri der Selige oder der Abt des Bantschen-Klosters, das mehr als 500 Waisenkinder beherbergt, Metropolit Longin genießen im Land ein hohes moralisches Ansehen.
Doch wie Dutzende andere UOK-Geistliche wurde auch Michail Longin Opfer behördlicher Schikanen. Als bewaffnete Soldaten das von ihm gebaute Bantschen-Kloster umzingelten und ins Innere eindrangen, wandte sich Longin an sie und sagte, sie sollen ihn lieber erschießen. Zuvor wurde sein Haus durchsucht und er selbst brutal verprügelt. Longin drohen für seine kritischen Äußerungen zum Selenskij-Regime bis zu fünf Jahre Haft, das Verfahren läuft noch.
Der schleichende Übertritt vieler Gemeinden in die nationalistische Ersatzkirche geht mit offener Gewalt, Häme und Behördendruck vonstatten. Appelle der UOK-Juristen an die internationale Gemeinschaft bewahrt die Kiewer Behörden vor noch offener Willkür. In ihrem Verbotseifer versuchen sie durch Rada-Beschlüsse, den Anschein eines ordentlichen juristischen Verfahrens zu wahren. Unter der Hand äußern die Maidan-Politiker aber offen, worum es ihnen eigentlich geht – um die vollständige Liquidierung der kanonischen Kirche, deren Geschichte bis zur Taufe des Heiligen Wladimir vor mehr als tausend Jahren zurückreicht, und um die Schaffung einer Phantomkirche, die den "ukrainischen Geist" predigt.
Doch zurück zur Videoumfrage, die Mitarbeiter des deutschen Senders auf den Straßen Kiews kurz nach dem Rada-Beschluss am Dienstag durchgeführt haben. Der Beitrag sollte die uneingeschränkte Zustimmung der Ukrainer zu dem Rada-Beschluss vermitteln. Die von der DW gezeigten Ausschnitte aus immerhin 15 Kurzinterviews zeigten allerdings mehr als nur Zustimmung: Sie zeigten Jubel und Glück. Schon der erste Befragte äußerte Begeisterung, seine spontane Reaktion auf die Frage spendete dem Video seinen Titel ("Oh mein Gott, wie schön es ist!"). Er stimmte die Zuschauer auf den "richtigen" Ton ein. Alle der zumeist sehr jungen und gut aussehenden Befragten äußerten tiefste Zufriedenheit und Freunde über das Kirchenverbot.
Kann es sein, dass es keine Gegenstimmen gab zu einem Beschluss, der in das Seelenleben der ganzen Nation eingreift? Zu einem Beschluss, der das Verbot einer Gemeinde mit Millionen Mitgliedern möglich macht? Wenigstens eine nachdenkliche Stimme, die diesen Beschluss zumindest bezweifelt? Nein, das ist im DW-Universum völlig undenkbar. Die Deutsche Welle zeigt mit der Freude eines Kleinkindes, das ein lang ersehntes Spielzeug geschenkt bekam, dass es in der Ukraine – wie in einer mustergültigen Diktatur – nur eine Meinung geben kann.
Andererseits müssten wir dem deutschen Staatssender aber dankbar für den Beitrag sein. Er zeigte eindrücklich, was für ein totalitärer Staat die Ukraine tatsächlich ist. Diesen geradezu Orwellschen Fünf-Minuten-Hass gegen die Menschen einer Glaubensgemeinde gaben die vom deutschen Steuerzahler finanzierten Russenhasser in der Kiewer Redaktion als die Meinung des ganzen ukrainischen Volkes aus. Sie gingen nicht zu einer Kirche, um die Gläubigen zu befragen, was naheliegend wäre, wenn die DW journalistisch gearbeitet hätte. Sie gingen zum Prachtboulevard Kreschtschatik in der Nähe des Maidan-Platzes und des Regierungsviertels. Dort ist das Machtzentrum des ukrainischen Staates, eines Staates, der den lange tot geglaubten Nazismus wieder salonfähig gemacht hat. Glaubt jemand ernsthaft, dass sich an diesem Ort irgendwer kritisch gegenüber den Machthabern äußern kann? Das kann nicht einmal die Zielgruppe des Senders denken, die hauptsächlich aus Nationalisten und Russenhassern besteht.
Die Aussagen und Argumente der Befragten klangen so, als ob sie gerade eine Kundgebung der berühmt-berüchtigten Hasspredigerin Irina Farion besucht hätten. Hier eine Auswahl:
"Der Kreml hat diese Kirche für Einflussagenten benutzt."
"Das Verbot war längst überfällig. Weil das eine FSB-Kirche ist".
"Diese Kirche war eine Kreml-Vertretung auf dem ukrainischen Territorium".
"Es ist wichtig für die nationale Sicherheit der Ukraine."
"Wir wissen doch alle, dass die Ukrainische-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats ein Hebel und ein Agentennetz gegen die Ukraine war."
"Man hätte sie schon im Jahre 2014 verbieten müssen, weil sie eine Außenstelle des FSB in der Ukraine ist."
Und was sagte Farion selbst dazu? Noch vor dem Euromaidan, im Jahr 2011, behauptete sie in einem Interview, dass die UOK-Priester "nichts mit dem Christentum zu tun haben". Diese seien ein "Teil des Russischen Föderalen Sicherheitsdienstes". Farion gilt als Vordenkerin des modernen ethnozentrischen ukrainischen Nationalismus und ist wegen ihrer Radikalität selbst für die deutschen Medien "umstritten". Ihre Aufrufe zur Vernichtung der russischsprachigen Bevölkerung und der sonstigen "Moskauer" in der Ukraine sind ein Paradebeispiel für ihren steinzeitlichen Ethnonazismus, der sogar die ukrainische Naziszene gespalten hat. Im Juli wurde sie von einem 18-Jährigen am Eingang ihres Hauses in Lwow mit einem Kopfschuss ermordet – RT DE berichtete.
Die Argumente der Nazistin Farion folgen den verschwörungstheoretischen Mustern der deutschen Nationalsozialisten und werden nun ausgerechnet von einem "demokratischen" deutschen Auslandssender verbreitet. Inzwischen treten an die Stelle der Moskauer Judo-Bolschewisten der Kreml und der "allmächtige" FSB.
Was Deutsche Welle am Dienstag ausgestrahlt hat, war ein pietätloser, mit Häme und Hetze angefüllter Beitrag, ein "leckerer Knochen" der Russophobie, der auf X der nationalistisch gesinnten Community zum Fraß vorgeworfen wurde. Er sollte die Zustimmung des "Volkes" zu dem Kirchenverbot dokumentieren, wurde aber zum Beleg dafür, dass die Ukraine ein totalitärer Staat ist, in dem nur eine Meinung geduldet wird. Und der Sender selbst handelt als dessen treuer Diener.
Sollte die Deutsche Welle in Russland also verboten werden? Das werden am Ende allein die russischen Behörden entscheiden. Wenn es dazu kommt, werde ich diesem Sender allerdings nicht nachtrauern.
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