Von Susan Bonath
Die westlichen Sanktionen gegen Russland haben die Energiepreise mit Ansage explodieren lassen. Fast nirgendwo ist die Steuer- und Abgabenlast für Fachkräfte mit mittleren Einkommen so hoch wie in Deutschland. Während internationale Großkonzerne sich an deutschen Fördertöpfen laben und dank Schlupflöchern oft kaum Steuern zahlen, wandern große Unternehmen ab, kleine gehen pleite.
Bürgerliche Ökonomen warnen vor einer Deindustrialisierung. Die Ampel-Regierung habe kein Konzept und ruiniere wohl aus purer Inkompetenz die deutsche Wirtschaft, mahnen Kritiker. Doch liegt es wirklich nur an Inkompetenz? Das mag sicherlich für Einzelne zutreffen. Doch insgesamt ist ein anderes Szenario viel wahrscheinlicher: Die Ampel folgt dem Ruf des hoch konzentrierten westlichen Großkapitals und setzt damit auf die natürliche Tendenz des Wirtschaftssystems zur Monopolbildung.
Wirtschaftlicher Niedergang
Die Folgen der deutschen Wirtschaftspolitik nehmen immer mehr an Fahrt auf. Große Unternehmen wandern ab, kleine gehen pleite oder werden von Großkonzernen einverleibt. Jüngst berichtete das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), die Zahl der Firmenpleiten habe im Juli erneut einen Rekordwert erreicht. Betroffen sind vor allem energieintensive mittelständische Unternehmen.
Der Niedergang der deutschen Wirtschaft begann bereits mit der Corona-Politik. Der Shutdown setzte vor allem Mittelständlern zu, trieb Gastwirte und Kleinbetriebe in den Ruin. Die im Jahr 2022 verschärften Sanktionen gegen Russland und der Terrorangriff auf die Nord-Stream-Pipelines, wohl mindestens unter Mitwirkung der USA, gab vielen den Rest, trieb die Preise hoch, die Armut rauf und das Bruttoinlandsprodukt runter.
Sozialhilfe für deutsche Unternehmen?
In nationalen Wirtschaftsverbänden ist man darüber überwiegend sehr erbost. BDI-Chef Siegfried Russwurm kritisierte nicht nur einmal Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er will mehr Wachstum, mehr Handlungsspielraum für Unternehmen und natürlich, wer hätte das gedacht: mehr Subventionen, sprich Steuergeschenke vom Staat. Sonst verliere die deutsche Wirtschaft immer mehr Marktanteile.
Um festzustellen, dass die deutsche Wirtschaft sich im Niedergang befindet, muss man kein Ökonom sein. Doch Russwurm beschränkt sich just darauf, selbst die Hände aufzuhalten und schlägt wie immer etwas vor, was einst Albert Einstein mit folgendem Zitat bedachte: "Die Definition von Wahnsinn ist: immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten."
Im Dienst der Monopolisten
Nach Russwurms Logik also müsse die Regierung nationale Unternehmen gegen die Übermacht der großen Player unter ihre Fittiche nehmen. Andererseits fordert er mehr Kapitalismus und Marktfreiheit für alle Unternehmen. Diese Rechnung geht nicht auf. Objektiv betrachtet folgt die Ampel gerade der aktuellen Entwicklung des Systems hin zur Kapital- und Machtkonzentration in wenigen Händen.
Das ist sogar nachvollziehbar: Ein großer, mächtiger Kapitalblock, der Industrie- und Finanzgeschäft vereint, Märkte, Preise, Wissenschaft und Politik beherrscht, Einfluss auf militärisches Vorgehen hat (und sich gegenseitig die Profite zuschustert) könnte man durchaus als imperialistischer Schutzschild verstehen, um westliche Wirtschafts- und Machtinteressen gegen gegnerische Mächte aus dem Osten durchzusetzen.
Vielleicht glaubt manch Politiker sogar, mithilfe mächtiger multinationaler Großkonzerne drängende Probleme "lösen" zu können. Dabei spielt die alte deutsche Kapitalelite keine nennenswerte Rolle mehr. Dies und die damit einhergehende Machtkonzentration außerhalb Deutschlands nimmt man wohl in Kauf.
Systemkonforme Machtkonzentration
Auf die Idee solcher Strategien kommt ganz sicher kein einzelner Politiker, kein Bundeskanzler oder Minister von ganz allein. Dafür sorgen einflussreiche Beraterfirmen, welche die Bundesregierung bekanntlich rege nutzt und gut mit Steuergeld bezahlt. In einem solchen Szenario, der kapitalistischen Logik folgend, wird der gesamte NATO-Block zu einem einzigen imperialistischen Gebilde, das seine Vorherrschaftsinteressen weltweit durchsetzt. Nationalstaaten dienen darin praktisch nur noch der Verwaltung der Bevölkerung.
Ob Deutschland, vielleicht auch die gesamte EU, zum deindustrialisierten Agrargebiet mit einer verarmten und einfach ausbeutbaren Bevölkerung und einem ruinierten Sozialwesen verkommt, während das Großkapital sich in den USA zusammenballt, könnte in diesen Dimensionen dann wie ein notwendiges Übel betrachtet werden. Vielleicht ist das ja einkalkuliert?
Betrachtet man die gegenwärtige Entwicklung, erscheint Kalkül sogar sehr wahrscheinlich. Die Arroganz, mit der die Regierenden und Teile der Opposition diesem Niedergang zuschauen, ihn sogar fördern, dabei die Interessen von multinationalen Monopolisten bedienen und sogar verbrecherische Anschläge auf deutsche Energieinfrastruktur mit einem Schulterzucken abtun, spricht sehr dafür.
Unerwünschte Gegenstrategie
Es gebe freilich einen anderen Weg: Nicht mehr Kapitalismus, wie es Russwurm vorschlägt, sondern weniger. Man könnte Konzerne an die Kandare legen, hohe Vermögen höher besteuern, Riesenunternehmen verstaatlichen, den Sozialstaat ausbauen, statt ihn einzustampfen, und die Außenpolitik darauf ausrichten, gute und gleichwertige Lebensbedingungen auch in armen Ländern zu schaffen, durch Zusammenarbeit statt Konkurrenz.
Damit nähme man zugleich Unternehmen die Möglichkeit, in arme Länder abzuwandern, wo Lohnabhängige besonders heftig ausgebeutet werden können. So könnte man mehr Frieden in der Welt schaffen, Flüchtlings- und Migrationsströme eindämmen, Armut beseitigen, Lebensbedingungen verbessern. Nicht Machtkampf, sondern Friedensdiplomatie und wirtschaftliche Zusammenarbeit wären der Wegweiser in eine lebenswerte Zukunft für alle.
Doch das ist nicht gewollt, ja dies widerspricht gerade den neoliberalen Doktrinen westlich geprägter bürgerlicher Staaten, getrieben von Wirtschafts- und Politikeliten und ihren Klüngeln. Ihnen müssten die Bevölkerungen den Kampf ansagen, um ihr mutmaßliches menschenfeindliches Kalkül zu brechen.
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