Von Pjotr Akopow
Joe Biden geht. Der amtierende Präsident der USA hat am Sonntag angekündigt, dass er für eine weitere Amtszeit nicht kandidieren wird. Der Rückzug seiner Bewerbung um die Nominierung durch die Demokratische Partei erfolgte eine Woche nach dem Attentat auf Donald Trump. Die vielfach geäußerte Vermutung, dass die Schüsse in Pennsylvania "auf Trump zielten, aber Biden trafen", erwies sich damit als zu 100 Prozent richtig.
In Bidens Erklärung hieß es, er sei der Ansicht, "im besten Interesse meiner Partei und des Landes zur Seite treten" zu müssen. Das bedeutet, dass er den Jungen den Vortritt lassen will. In einer separaten Erklärung unterstützte Biden die Vizepräsidentin Kamala Harris, woraufhin Trump sagte, sie sei noch leichter zu besiegen als der scheidende Präsident. Und Trump hat damit Recht: Bidens Rücktritt macht Trumps Sieg so gut wie sicher.
Es geht dabei nicht nur um Kamalas magere Beliebtheitsquote – sie verliert gegen Trump mit einer etwas höheren Punktzahl als Biden es getan hätte –, sondern um die Tatsache, dass der Rückzug des Amtsinhabers aus dem Rennen ein K.O.-Schlag für die Demokratische Partei und die Absicht des "Washingtoner Sumpfes" ist, Trumps Rückkehr ins Weiße Haus um jeden Preis zu verhindern. Dies ist nach Bidens vermasseltem Auftritt in der Fernsehdebatte mit Trump und dem Attentatsversuch auf Letzteren vor einer Woche der bereits dritte Schlag in weniger als einem Monat.
Beide vorangegangenen Schläge haben Trumps Umfragewerte in die Höhe getrieben, der im Rennen bereits in Führung lag. Es ist zu erwarten, dass Bidens Ablehnung der Nominierung sich für die Demokratische Partei als schlichtweg fatal erweisen wird. Schließlich haben die Demokraten bis zur letzten Woche öffentlich versichert, dass Bidens Gesundheit nicht so schlecht ist, wie Trump sagt, und er durchaus eine zweite Amtszeit anstreben könnte und sollte. Er hat eine praktisch alternativlose Vorwahl gewonnen und sollte in einem Monat offiziell als Präsidentschaftskandidat nominiert werden. Jetzt stellt sich "plötzlich" heraus, dass er nicht die Kraft dazu hat. Hat also die Demokratische Partei sowohl sich selbst als auch das amerikanische Volk belogen?
So werden es die Republikaner darstellen, und ein guter Teil der Wechselwähler wird ihnen zustimmen. Trumps Umfragewerte werden weiter steigen.
Es hat sich in den vier zurückliegenden Jahren als unmöglich erwiesen, Harris zu einer starken Führungspersönlichkeit zu machen, schon gar nicht ist das in den verbleibenden drei Monaten zu schaffen. Harris durch einen anderen Kandidaten zu ersetzen, ist theoretisch möglich, aber praktisch schwierig. Nicht nur, weil sie bereits von Biden unterstützt wird, sondern auch, weil die Herausnahme des Vizepräsidenten aus der Wahl bedeuten würde, dass die Demokraten selbst ihre absolute Unfähigkeit zur Personalauswahl unter Beweis stellen. Wie kann man solchen Leuten zutrauen, das Land zu führen?
Außerdem hat die Demokratische Partei einfach keinen starken Präsidentschaftskandidaten in ihren Reihen, und jeder weiß das sehr gut. Biden selbst hat dies besser als jeder andere verstanden und sich auch deshalb bislang geweigert, aus dem Rennen auszusteigen, nicht nur aus seniler Sturheit. Er hat Harris' Schwäche sehr gut erkannt, die Auswahl und Förderung eines anderen, starken Kandidaten hätte spätestens vor zwei Jahren beginnen müssen.
Nichts von alledem wurde getan, auch weil man erkannte, dass keiner der zur Debatte stehenden demokratischen Gouverneure und Senatoren in der Lage war, Trump zu schlagen. Die ehemalige First Lady Michelle Obama weigert sich hartnäckig, sich in die Auseinandersetzung einzumischen – und es ist unwahrscheinlich, dass sie jetzt dazu bereit wäre.
Biden wollte nicht zurückzutreten, aber die Hysterie, die in den Reihen der Demokraten nach dem Attentat auf Trump einsetzte, hat ihn auf sich allein gestellt. Die demokratischen Eliten glauben, dass sie durch die Absetzung Bidens die Partei retten, also ihre Chancen bei den Wahlen im November erhöhen. Aber in Wirklichkeit ist es nur Panik – denn Bidens Abgang wird den Sturz der Demokraten nur beschleunigen: Jetzt riskieren sie, nicht nur das Weiße Haus, sondern auch den Kongress zu verlieren.
Trump war auf dem Weg zum Sieg, aber die Chancen der Republikaner, eine Mehrheit in beiden Häusern zu erlangen (sie kontrollieren jetzt nur das Repräsentantenhaus), waren nicht absolut. Jetzt kann mit hoher Wahrscheinlichkeit alles nach dem schlimmsten Szenario für die Demokraten laufen. Im November werden die Republikaner die Kontrolle sowohl über die Legislative als auch über die Exekutive erlangen. Und sie werden nicht mehr die Republikaner von vor ein paar Jahren sein (als sie nur einer der zwei Köpfe des "Washingtoner Sumpfes" waren).
Jetzt werden sie in vielerlei Hinsicht Trumpisten sein, das heißt, eine Kraft, die einen Großteil des amerikanischen Establishments herausfordert. Es wird die Partei von dem Gespann Trump/Vance sein, eine Gegen- und teilweise sogar Anti-Elite-Kraft, die darauf abzielt, die Macht bis mindestens 2036 zu halten.
Es sind außergewöhnliche Maßnahmen erforderlich, um dieses Team noch zu stoppen. Die Absetzung Bidens gehört sicher nicht dazu. Deshalb müssen wir in den verbleibenden hundert Tagen vor der Wahl zu allem bereit sein. Denn es reicht nicht mehr aus, noch einmal zu versuchen, Trump zu ermorden: Hinter ihm steht der noch radikalere J.D. Vance.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 22. Juli 2024 auf ria.ru erschienen.
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