Von Wiktorija Nikiforowa
Die Flut an Nachrichten, wonach Donald Trump Friedensgespräche über die Ukraine mit Russland führen wolle, nimmt kein Ende. Man möchte meinen, dass für Moskau alles gut aussieht – sowohl der wundersame Fehlschuss, der dem Ex-Präsidenten den Wahlsieg praktisch sichert, als auch die Ernennung von J. D. Vance, der gegen die Ukraine und gegen Selenskij persönlich eingestellt ist, zum Vizepräsidentenkandidaten. Dazu kommt die Idee von Friedensverhandlungen. Doch ist all das nicht zu idyllisch?
Erstens sollte man verstehen, dass Donald Trump sich weder um die Ukraine noch um Russland einen Dreck schert. Es ist nicht so, dass ihm plötzlich Donezker und Belgoroder Kinder, die durch US-Raketen sterben, leidtun. Stattdessen glauben gegenwärtig viele Republikaner schlicht, dass der Konflikt am osteuropäischen Kriegsschauplatz den USA nicht die gleichen Profite wie zuvor einbringt. Deswegen müsse man ihn auf Europa abwälzen und selbst zum Krieg gegen China übergehen.
Die seit Langem geplante Eskalation gegen die Volksrepublik musste ohnehin viel zu lange aufgeschoben werden, weil alle Ressourcen – ob finanziell, militärisch oder propagandistisch – an die Ukraine-Front gingen.
Trump wird in Europa eben deswegen so gefürchtet, weil man dort versteht: Er ist allen Ernstes in der Lage, die Alte Welt bis zu deren völligen Untergang in den ukrainischen Fleischwolf zu werfen. Europa fürchtet nicht, dass er die Ukraine fallen lässt, sondern dass er sie auf die Europäer abwälzen wird. Dazu könnte er Europa mit seinem Nuklearschirm erpressen, es bei Verhandlungen unter Druck setzen, zetern, mit der Faust auf den Tisch schlagen – er ist eben nicht der nuschelnde Biden oder Blinken.
Wie ein erfahrener Unterhändler wird Trump gerade mit dieser Trumpfkarte zu Verhandlungen mit Russland erscheinen: entweder schließt ihr Frieden mit Kiew oder ich überlasse den Konflikt den Europäern und werde ihnen gegen euch Waffen liefern. Mit Waffenlieferungen drohte Trump offen, und das sollte man ernst nehmen.
Zweitens benötigt Trump Verhandlungen mit Russland nicht wegen gut gemeinter Absichten, wie etwa für einen "weltweiten Frieden". Er ist kein Gorbatschow und verfolgt ein bestimmtes Ziel. Die Republikaner hatten ihren Wählern im Voraus versprochen, gegen China zu rüsten. Dazu könnten sie den militärisch-industriellen Komplex fördern, den "Rust Belt" neu industrialisieren, Importe mit Zöllen erwürgen, eigene Produzenten subventionieren und schließlich Chinas Märkte für sich selbst einnehmen. Die sich dabei abzeichnenden Profite sind riesig, doch das Risiko ist ebenfalls groß.
Es ist gänzlich unmöglich, in einen Konflikt mit Peking zu treten, wenn hinter seinem Rücken Moskau steht, das den chinesischen Genossen mit Ressourcen, logistisch und notfalls auch militärisch unter die Arme greifen kann. Das bedeutet, dass die Republikaner Moskau von Peking losreißen müssen. Für Trump ist es dringend notwendig, den Eskalationsgrad mit Russland zu reduzieren. Daher kommt all seine unerhörte Großzügigkeit – Versprechen, den Krieg "binnen 24 Stunden" zu beenden, die Kritik der Ukraine, Ausfälle gegen Selenskij.
Für russische Ohren mag diese Rhetorik zugegebenermaßen angenehm klingen, doch stellen wir uns die Frage: Woher kommt eine solche Liebe eines von der Idee der Wiederherstellung der Macht der USA besessenen US-Politikers zu Russland? Es scheint, dass Trump bei seinem Versuch, Moskaus Sympathien zu gewinnen, schlicht zu ungeschickter Schmeichelei greift. Um jeden Preis benötigt er, wenn nicht schon eine Unterstützung Russlands, so doch zumindest seine Neutralität, wenn die USA ihren großangelegten Angriff auf China starten werden.
Indessen tickt die Uhr weiter, und US-Strategen haben gar nicht so viel Zeit übrig. In wenigen Jahren wird sich nur noch ein Selbstmörder trauen, gegen China aufzutreten. Andererseits ist es der letzte Versuch, die US-amerikanische Industrie noch irgendwie wiederzubeleben und ihren "Rust Belt" vor dem Aussterben zu retten. Eine andere Chance werden die USA nicht erhalten: Europa haben sie bereits ausgeplündert, ihren "Hinterhof" in Lateinamerika erst recht. China ist der letzte fette Bissen des Weltmarkts, und wenn Washington ihn nicht erbeutet, steht den Vereinigten Staaten nur noch Stagnation und Zerfall bevor.
Im Übrigen muss es sich dabei nicht unbedingt um einen großen heißen Krieg gegen China handeln. Nein, die Republikaner wollen an diesem Land das gleiche Schema ausprobieren wie die Demokraten an Russland: ein beschränkter militärischer Konflikt um Taiwan, "Sanktionen aus der Hölle", um die Volksrepublik um ihre Absatzmärkte und Ressourcenquellen zu bringen, Versuche, die Bevölkerung zu demoralisieren und zu verärgern, um sie zum Aufruhr zu bewegen und damit das Land so weit zu schwächen, dass es selbst unter die Oberherrschaft der USA übertritt, nur um diesem ganzen Schrecken ein Ende zu setzen.
Doch ohne Russland ist ein solches Abenteuer lebensgefährlich. Deswegen kommt Trump nicht umhin, sich als Wohltäter aufzuspielen – sowohl er selbst, als auch seine Partei müssen sich mit Moskau versöhnen, um ein weiteres neokoloniales Abenteuer anzutreten, das das Leben der rapide verarmenden US-Bevölkerung zumindest ein wenig verbessern könnte. Andernfalls wird sein Land schlicht in Stücke zerfallen – allein das Attentat auf Trump zeugt davon, dass die Vereinigten Staaten außer Rand und Band geraten.
Egal, wie gern wir denken möchten, dass der neue Präsident der USA zumindest ein wenig vernünftiger als der alte sein wird, ist es nicht so. Beide werden von den gleichen Rüstungskonzernen finanziert, die von Kriegen auf der ganzen Welt profitieren. Gerade die Interessen dieser Konzerne bedienen fleißig sämtliche US-amerikanische Politiker ungeachtet ihrer politischen Orientierung.
Deswegen werden alle Ideen von "Friedensverhandlungen" darauf hinauslaufen, dass Trump versuchen wird, gegen eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Russland und den USA einen Bruch zwischen Moskau und Peking zu erfeilschen. Ist es für Russland in langfristiger Perspektive vorteilhaft? Die Antwort ist offensichtlich.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 17. Juli bei RIA Nowosti.
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