Von Wladislaw Sankin
Die Kämpfer der neonazistischen Asow-Brigade haben am Montag ein Video mit Kampfszenen auf ihrem YouTube-Kanal veröffentlicht. Das 16 Minuten lange Video zeigt die Eroberung der russischen Schützengräben im Forst Serebrjanski und die "Vernichtung der Besatzer aus der Ich-Perspektive". Es ist auch mit Asow-Wassermarken versehen: Links steht "Asow-Brigade", in der Mitte prangt die berühmt-berüchtigte "Wolfsangel", das weltweit bekannte Asow-Symbol, mit der Bezeichnung der Militäreinheit mit kyrillischen Buchstaben und rechts die Webadresse der Brigade azov.org.ua.
Im Video stürmen die Asow-Kämpfer im Morgengrauen einen Unterstand der russischen Armee in den Wäldern bei Kremennaja im Norden der Volksrepublik Lugansk – das ist der Frontabschnitt, für den die 12. Brigade der Asow-Spezialeinheit seit vielen Monaten zuständig ist. Hier verschiebt sich die Front kaum, und es finden Positionskämpfe statt. Die Eroberung eines feindlichen Unterstandes ist Ereignis, das in dieser Frontsituation auf jeden Fall mit den Mitteln des modernen PR medial zu "feiern" gilt – das tut jede Kriegspartei.
Im Video gibt es eine Sequenz, die die Tötung eines russischen Soldaten aus nächster Nähe zeigt. Gedreht wurde die Szene wie auch das ganze Video mit einer GoPro-Kamera eines Kämpfers als Nachahmung des Videospiels Counter-Strike. Das automatische Gewehr des "Kameramanns" leuchtet die Räume eines Schützengrabens aus, kurz zuvor ist er mit Granaten beworfen worden – der Rauch ist noch zu sehen. Das ist die routinierte Vorgehensweise bei jeder Erstürmung: Zuerst bewirft man die gegnerische Stellung mit Sprengsätzen, dann gehen die Kämpfer Raum für Raum "zur Kontrolle" durch.
Im Raum links befand sich ein verwundeter russischer Soldat. Er war unbewaffnet und stand auf den Knien, offenbar erlitt er ein Schleudertrauma von einer Granatenexplosion kurz zuvor. Nach der Genfer Konvention galt er als "außer Gefecht gesetzt", also nicht mehr kampffähig. Das erste Zusatzprotokoll dazu besagt (zitiert vom Deutschen Roten Kreuz):
"Personen, die sich in der Gewalt einer feindlichen Partei befinden, sich unmissverständlich ergeben möchten, bewusstlos oder anderweitig durch Verwundung oder Krankheit kampfunfähig sind, dürfen nicht mehr angegriffen werden, sofern sie jede feindselige Handlung unterlassen und nicht zu entkommen versuchen (Art. 41 I und II lit. a-c ZP I)."
Der ukrainische Soldat aber griff den gegnerischen Soldaten nicht einfach nur an. Mit Einzelschüssen feuerte er mehrere Kugeln eine nach der anderen in seinen Kopf. Als aus dem zerschossenen Schädel des Russen schon Gehirnmasse herausquoll, setzte der Ukrainer noch einen "Kontrollschuss" in seinen Kopf obendrauf und teilte seinen Kampfkameraden mit: "Minus einer." "Du bist ein Prachtkerl", lobte eine Stimme ihn.
Mit diesem kleinen Gespräch zeigten die Asow-Kämpfer, dass diese Vorgehensweise für sie Routine ist und ihr Prinzip lautet: "Keine Gefangene nehmen." Laut russischen Statistiken befinden sich nur 1.348 russische Soldaten in Gefangenschaft (Stand 6. Juni), in russischer dagegen 6.465 Ukrainer. Das ist ein großer Unterschied, und dieser kann nur mit der Überlegenheit der russischen Armee zu tun haben, sondern auch mit den von Asow offenbarten Handlungsweisen.
Im YouTube-Video sind die heftigsten Momente in der Tötungsszene unkenntlich gemacht – sonst hätte das Video auf der Plattform höchstwahrscheinlich gar nicht hochgeladen werden können. Den ungeschminkten Ausschnitt aus dem Video, die die Erschießung des Soldaten unbearbeitet und in hoher Auflösung zeigen, veröffentlichte die Asow-Brigade am gleichen Tag auf ihrem Telegram-Kanal. Das spricht dafür, dass die Medienabteilung von Asow sich entschieden hat, diese Einzelszene in ihrer rohen Form zusätzlich als Propaganda-Video zu verbreiten, um mit dieser Gewaltszene um Kämpfer-Nachwuchs aus der Egoshooter-Generation zu werben. Das Video ist so benannt worden, als ob es sich um ein Spiel handelt: "Hast du deine GoPRo-Kamera angemacht? Es ist so herrlich heiß hier".
Videos, die die Tötung wehrloser oder sogar sich erkennbar ergebender russischer Soldaten dokumentieren, gibt es seit Beginn des Krieges zuhauf. In manchen Videos freuen sich die ukrainischen Soldaten über das vergossene Blut. Der russische Militärkorrespondent Andrei Filatow sieht in der gekürzten Asow-Sequenz ein Propaganda-Video im Stile der IS-Terroristen, die seinerzeit demonstrativ Hinrichtungen gefilmt hatten – mit dem gleichen Zweck: einzuschüchtern, den Konflikt zu verschärfen, Hass zu schüren und Friedensinitiativen zu verhindern.
Die Reaktion aus Moskau zeigt, dass dieses Ziel durchaus erreicht worden ist. Der russische Präsidentensprecher Dmitri Peskow nannte die Mitglieder der Asow-Brigade "Faschisten", die "vernichtet werden sollen". "Wir sollten sie so behandeln, und sie sollten vernichtet werden", antwortete der Kremlsprecher auf eine Frage von Journalisten der Nachrichtenagentur TASS. Das ist eine sehr ungewöhnliche Wortwahl für Peskow, der zuvor niemals mit harschen Äußerungen aufgefallen war.
Noch heftiger äußerte sich der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats Dmitri Medwedew. Den Asow-Kämpfern könne keine Nachsicht entgegengebracht werden, schrieb er auf Telegram. In Anlehnung an ein berühmtes Agitationsgedicht des sowjetischen Schriftstellers und Kriegsberichterstatters Konstantin Simonow, "Töte ihn", forderte er: "Hier kann es keine Gnade geben. Hier ist kein Platz für das Gute. Töte einfach."
Es gebe keinen Grund für Mitleid mit den Asow-Kämpfern, da diese selbst niemals russische Armeeangehörige verschonten, betonte Medwedew. In dem Zusammenhang fordert er eine Bestrafung der "ukrainischen Monster":
"Nur totale Hinrichtungen. Es gibt keine Wahl. Es gibt keine Worte der Barmherzigkeit. Es gibt keine Menschlichkeit. Keine Begnadigung. Für sie gibt es kein Recht auf Leben. Hinrichten, hinrichten und hinrichten. Das ist das Kriegsrecht bezüglich des Feindes."
Die Asow-Brigade ist Teil des neonazistischen Netzwerks unter der Führung von Andrei Bilezki. Nach der Zerschlagung des Asow-Regiments in Mariupol im Mai 2022 kämpfen in der Brigade Teile der noch verbliebenen oder aus der Gefangenschaft zurückgekehrten "Asower" (freigelassen infolge eines Gefangenenaustauschs – Anm. der Red). Bis zu 1.000 ehemalige Asow-Kämpfer bleiben aber nach wie vor in russischer Gefangenschaft. Viele von ihnen wurden wegen des Mordes an Zivilisten und sonstigen Kriegsverbrechen in Russland zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Vereinigung selbst ist in Russland offiziell als terroristisch und extremistisch eingestuft. Derzeit sucht Asow nach neuen Kämpfern, denn die Kampfdokumentation auf YouTube ist Teil einer Werbe- und Rekrutierungskampagne.
Asow und andere militante Rechtsradikale sind beseelt von der Idee eines ewigen Krieges gegen das "unzivilisierte" Russland. Sie haben mit der Ukraine als einem traditionell orthodoxen Land kaum etwas zu tun, das sind heimatlose Technokrieger mit der Mentalität einer heidnischen Sekte. Sie empfinden keinen Schmerz und keine Gefühle, ihr Auftrag seit der Niederschlagung des russischen Aufstandes in Mariupol 2014 bestand immer darin, Hass zu säen und mit Gewalt Gegengewalt zu provozieren. Ihr Ursprung in der modernen Ukraine liegt in der militanten Ultra-Bewegung, deren Kader noch vor dem Maidan von CIA-Kadern für Kämpfe gegen die Polizei trainiert worden waren.
Der militärische Leiter der Brigade Denis "Redis" Prokopenko dankte in einem Video in englischer Sprache den USA ausdrücklich für die zur Verfügung gestellten Waffen, die seine Einheit "verstärkt" haben. Wie ein ergebener Untertan versprach Prokopenko, mit Disziplin der "uns übertragenen Verantwortung gerecht zu werden". "Mit unserer Tapferkeit und unserem Mut im Kampf werden wir beweisen, dass diese Entscheidung richtig und effektiv war", sagte er.
Unter Effektivität verstand Prokopenko, dem Feind – Russland – maximalen Schaden zuzufügen. "Die kolossale Kampferfahrung, die Soldaten und Offiziere von Asow haben, kombiniert mit der modernen US-Ausrüstung werden für die Feinde der Ukraine zur tödlichen Waffe". In einem weiteren Video betonte Prokopenko, dass Asow als erste Einheit der ukrainischen Streitkräfte die NATO-Standards in ihren Trainings und Kampfhandlungen eingeführt hat.
Damit offenbarte der Anführer eines nazistischen Militärverbandes, dass sein Zweck ausschließlich im Kampf als Stellvertreterkrieger im Dienste der USA besteht. Die gefeierte Tötung eines russischen Soldaten zeigt, dass rassistischer Hass und die zur Schau gestellte Brutalität und Herzlosigkeit auch zum "NATO-Standard" gehören, den die Asow-Bande so stolz praktiziert. Die provozierte Reaktion der russischen Offiziellen dürfte die US-Architekten des ewigen Krieges unter den Slawen sehr erfreut haben – die Gewaltspirale in Europa kann sich weiter drehen.
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