Von Susan Bonath
Das muss man erst einmal bringen: In der ZDF-Talkshow von Maybritt Illner kritisierte die BSW-Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht kürzlich die explodierenden Rüstungsausgaben Deutschlands. Sie nannte eine Zahl, woraufhin andere Gäste sie scharf attackierten: Wagenknecht lüge, hielt man ihr entgegen. Das Axel-Springer-Blatt Welt unterstellte der ehemaligen Linken-Politikerin daraufhin selbiges – obgleich es wenige Wochen zuvor die von Wagenknecht genannte Zahl eigens publiziert hatte.
Diffamierungskampagne
"Sahra Wagenknecht und ihr "anderes Verhältnis zu Fakten" in Sachen Wehretat", titelte die Welt am Wochenende mit Blick auf die zwei Tage zuvor ausgestrahlte Sendung. Mit dem Titel "NATO in der Krise – stark genug gegen Putin" war diese ihrerseits bereits ein klassisches Kriegspropaganda-Machwerk.
In einer Zwischenüberschrift behauptet das Axel-Springer-Blatt schließlich: "Sahra Wagenknecht verrechnet sich beim Rüstungsbudget". Gemeint ist der Militärhaushalt Deutschlands. Dieser sei, so die Politikerin in der Talkshow, in den letzten Jahren um das 2,5-fache auf nunmehr 90 Milliarden Euro angestiegen. Die anderen Gäste im Stil drei gegen einen attackierten sie umgehend scharf: Das sei unwahr, behaupteten sie.
So hielt ihr etwa die eng mit dem Auswärtigen Amt verbundene Politikwissenschaftlerin Claudia Major eine andere Zahl entgegen: Der Verteidigungsetat betrage dieses Jahr nur 71 Milliarden Euro, Wagenknechts Aussage stimme also nicht. Auch die Welt machte ihren Lesern unter Berufung auf Majors Behauptung klar: Wagenknecht arbeite mit falschen Zahlen, kurzum: Sie sei eine Lügnerin.
Weitere Medien schwangen die diffamierende Keule gegen die in weiten Teilen der Politik gehasste Parlamentarierin Wagenknecht, so etwa die Frankfurter Rundschau und t-online. Das selbst ernannte Schweizer Aufklärungsportal watson.ch behauptete gar: "Wagenknecht lügt vor laufender Kamera."
Medien leugnen eigene Zahlen
Dass dies eine reine Kampagne ist, die selbst mit falschen Daten jongliert, ist leicht belegbar. So hatte die Welt sogar selbst nicht einmal vier Wochen zuvor mit genau jener Zahl getitelt, die auch Wagenknecht nannte: "90,6 Milliarden Euro – Deutschland knackt Zwei-Prozent-Marke der NATO". Sie berief sich dabei auf eine NATO-Übersicht.
Viele weitere Medien hatten darüber berichtet, so etwa das Schlachtschiff der Deutungshoheit in Deutschland, die ARD-Tagesschau, der Tagesspiegel, die Rheinische Post und andere.
Es ist nicht plausibel, dass die Medien, die Wagenknecht der Lüge bezichtigten, einfach ihre eigene Berichterstattung wenige Wochen zuvor übersehen haben könnten. Es handelt sich also um eine klassische Diffamierungskampagne, wie sie inzwischen auch außerhalb der Springer-Klatschpresse alltäglich ist.
Wagenknecht hat Recht
Tatsächlich stimmt auch Wagenknechts Angabe nahezu, Deutschland habe seinen Militäretat in den letzten Jahren auf das 2,5-fache erhöht. Das zeigt ein Blick in die statistischen Daten, wobei eingeschränkt werden muss, dass diese bestimmte Sonderausgaben nicht oder nicht vollständig berücksichtigen.
Demnach gab Deutschland vor genau 20 Jahren knapp 36 Milliarden Euro für den Militäretat aus. Das mal 2,5 genommen, ergibt genau 90 Milliarden Euro. Auch 2015 lag dieses Budget mit 38,2 Milliarden Euro demzufolge nur knapp darüber.
Mit anderen Worten: Nicht Wagenknecht, sondern die sie diskreditierenden Medien haben gelogen. Die Zahlen, die die BSW-Namensgeberin nannte, stimmen also. Sie stammen sogar von der NATO selbst.
Verschleierte Rüstungsausgaben
Ganz offensichtlich ist es überdies das Anliegen der Bundesregierung, die wahren Summen der Militärausgaben möglichst zu verschleiern. Obwohl aus dem allgemeinen Haushalt der Bundesrepublik Deutschland, somit aus dem Steuertopf finanziert, rechnet die Bundesregierung einige Kosten nicht in den unmittelbaren Verteidigungshaushalt ein.
Dazu gehören aktuell die Gelder aus dem 2022 beschlossenen "Sondervermögen" für die Bundeswehr von insgesamt 100 Milliarden Euro, bestimmte Ausgaben "nach NATO-Kritieren" sowie die immensen Kosten für die Waffenlieferungen an die Ukraine, für die ebenfalls der deutsche Steuerzahler aufkommen muss.
So kommen beispielsweise zu den für dieses Jahr eingeplanten knapp 52 Milliarden fast 20 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen hinzu, obendrauf weitere Milliarden für Waffenlieferungen sowie sonstige Ausgaben, die von der NATO erfasst werden. Die Regierung lässt damit die Bürger im Unklaren darüber, was tatsächlich in die Aufrüstung fließt.
Bundesamtlich kleingerechnet
Am Spiel des Kleinrechnens und Verschleierns beteiligt sich offensichtlich auch das Statistische Bundesamt. In einer aktuellen Pressemitteilung erfasste es – neben den anders als oft deklariert im Vergleich zum Gesamthaushalt gesunkenen Sozialausgaben – ein Militärbudget für das Jahr 2023, das sogar viel niedriger ist als die von der Bundesregierung verkündeten Zahlen.
Angeblich habe dieser Haushalt genau 7,1 Prozent vom Gesamthaushalt von knapp 627 Milliarden Euro betragen. Dies wäre eine Summe von etwa 44,5 Milliarden Euro. Allerdings lag schon die für 2023 geplante Summe höher, nämlich plus des Anteils aus dem Sondervermögen, aber ohne weitere zusätzliche Posten bei knapp 60 Milliarden Euro.
Das Portal Statista nennt eine Summe von rund 67 Milliarden US-Dollar für das vergangenen Jahr, was der Euro-Summe fast entspricht. Doch auch hier fehlen offenbar die Ausgaben für diverse Sonderposten, darunter für die Waffenlieferungen in die Ukraine, von denen Rüstungskonzerne wie Rheinmetall kräftig profitieren.
Man könnte es vielleicht so beschreiben: Wenn es um das Vorbereiten von Kriegen geht, gehören Propagandalügen wohl zum Geschäft der Regierung – und ihrer willfährigen Medien und Behörden.
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