Von Wladislaw Sankin
Am 21. Juli startet die Asow-Bewegung ihre Europatournee mit den Angehörigen ihres Kampfverbands, der 3. separaten Sturmbrigade der ukrainischen Armee. Darüber berichtet die Zeitung Junge Welt (jW). Geplant hat die Einheit, die von Andrei Bilezki, einem der einflussreichsten Neonazi-Führer der Ukraine angeführt wird, zunächst Auftritte in Warschau und Wrocław, später in Prag, Vilnius, Rotterdam und Brüssel.
Auch in Deutschland sind drei Auftritte geplant – in Berlin, Hamburg und Köln –, und alle sind kostenpflichtig. Diejenigen, die die "Helden" im Live-Format "zum Anfassen" erleben möchten, müssen in Berlin 20 Euro als "Spende" für Kampfzwecke abgeben, und in Hamburg 15 Euro. Dafür bekommen sie "die epischsten Geschichten von der Front" geboten, garniert mit "Soldatenhumor".
Welchen Humor? Nicht etwa diesen: "Hast du die GoPro-Kamera angemacht? Es ist herrlich heiß hier!"? Was "heiß" bedeutet, wird in einem Video der Schwester-Einheit der 3. Brigade, der 12. Brigade der Asow-Spezialeinheiten, erläutert. Im Video zertrümmert ein Asow-Kämpfer den Kopf eines wehrlosen russischen Soldaten mit mehreren Gewehrsalven aus nächster Nähe – RT DE berichtete über das Video und Reaktionen darauf in Russland.
Bilezki und seine Leute – zunächst als militante "Aktivisten" des Maidan, dann als Angehörige des Asow-Bataillons – sind diejenigen, die ihr Land ins Chaos eines Bürgerkriegs gestürzt haben. Dann haben sie als Freiwillige des Asow-Regiments und seines politischen Flügels "Nationales Korps" mit Randalen und Morddrohungen den Weg der Ukraine zur friedlichen Beilegung des Donbass-Konflikts auf diplomatischem Wege verhindert – gemeint ist eine ganze Reihe von Ausschreitungen im Zuge der sogenannten "Anti-Kapitulationsdemos" in den Jahren 2018 bis 2020.
"Kommt zum Treffen mit den echten Kämpfern der Brigade, die in den Schlachten von Bachmut, Awdejewka und Charkow waren", heißt es in der Werbung zur bevorstehenden Reise, die auf Social-Media-Kanälen verbreitet wird. "Unzensiert erzählen sie alles über ihren Dienst."
Die 3. Sturmbrigade inszeniert sich bis heute mit Stolz als historischer Erbe des Bandera-Flügels der faschistischen Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und deren bewaffneten Arms, der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA), die einst zu den willigsten Helfern im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und beim Holocaust zählten, stellt die jW fest. Ihre historische Verbundenheit mit Banderisten haben die Angehörigen der 3. Sturmbrigade im Zuge eines "historischen" Fotoshootings zum Ausdruck gebracht, wo sie sich in den gleichen Posen wie UPA-Kämpfer auf Archivfotos ablichten ließen, wie eine Ausstellung im Kiewer Stadtmuseum im September 2023 zeigte. Damit demonstrierten sie mehr als deutlich, dass sie nicht in den Kämpfern gegen den Hitler-Faschismus ihre Vorläufer sehen, sondern in deren Gegnern, den Nazi-Helfern.
Ungebrochen ist entsprechend ihre Bewunderung für Hitlers Elitekrieger: Diverse Symbole der 3. Sturmbrigade sind in Anlehnung an die Insignien der Waffen-SS gestaltet, eines sogar nach dem Truppenkennzeichen der 36. Waffen-Grenadier-Division "Dirlewanger". "Dirlewanger" und ähnliche Verbände der ukrainischen Nationalisten wüteten unter anderem in der benachbarten Weißrussischen SSR und halfen den Deutschen, die "Drecksarbeit" bei den sogenannten Strafaktionen gegen Partisanen und Zivilisten zu erledigen.
Natürlich bestreitet Bilezki stets, ein Nazist im Geiste des Dritten Reiches zu sein. Die SS-Wolfsangel sei nur entfernt den Asow-Symbolen ähnlich. Diese hätten nichts mit der mittelalterlichen deutschen Heraldik oder mit Nationalsozialismus zu tun, sondern mit den Zeichen des wolhynischen Adels und alten Kosakenfamilien, die nun die rein ukrainische "Idee der Nation" verkörpern, argumentiert Bilezki (in diesem Fall im Interview mit dem Nachrichtenportal LB im Dezember 2014).
Aber das ganze Bild zählt. Und in der ganzen Asow-Ästhetik schlägt purer Militarismus und esoterisch angehauchter Kriegskult durch. Die Asow-Leute sehen sich als Eliteorden, als übermenschliche Helden aus heidnischen Sagen und gleichzeitig bis auf die Zähne bewaffnete Technokrieger, die sich entsprechend gut auch in Sachen Vermarktung auskennen.
Zweck der Europatournee ist also, "Fans im Ausland zu treffen". Wie der Ankündigung zu entnehmen ist, geht die Mission der Tournee über Finanzmittelakquise und das bereits weit fortgeschrittene Branding von Asow – mit eigenen Filmproduktionsfirmen, Modelabels, Verlagen, neuerdings sogar einer Netflix-Serie – weit über die Pflege des Kulturindustriemarktes im Westen hinaus.
Es geht wohl um die Verstärkung der durch die heftigsten Kämpfe stark ausgedünnten Fronteinheit. "Wir wissen, dass ihr die Heimat vermisst. Ihr könnt euch unseren Reihen anschließen", appelliert die 3. Sturmbrigade an die hier lebenden ukrainischen Männer. Wer sich partout nicht für den Heldentod an der "Ostfront" begeistern will, soll wenigstens Ersatzdienst im Ausland leisten: "Ihr könnt lokale Initiativen gründen", so die Aufforderung von Asow, die Bewegung in Deutschland zu etablieren.
Diese hat mit einem Ableger von "Centuria" (einer weiteren Neonazi-Organisation der Ukraine, deren militärischer Arm in die 3. Sturmbrigade eingegliedert ist) bereits in Magdeburg Fuß gefasst – RT DE berichtete. Dass Asow Expansionsdrang nach Europa hat, indiziert auch der Titel der Tournee: "Unsere Leute sind überall". #
Die Junge Welt weist auch auf die deutschen Gastgeber des "Nazispektakels im Talkshowformat" hin. In Hamburg sei es der Verein der deutsch-ukrainischen Zusammenarbeit "Feine Ukraine", der regelmäßig Kundgebungen für mehr Waffenlieferungen und die Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine initiiert. Damit wirbt der Verein faktisch für den Einsatz der NATO-Truppen gegen Russland und damit die Ausweitung des Konflikts.
Vergangenen Monat war "Feine Ukraine" Mitorganisator einer Veranstaltung, inklusive Autogrammstunde, mit der ukrainischen Sanitätssoldatin Julia Pajewska – einem Ex-Mitglied des banderistischen "Rechten Sektors" – in der renommierten Bucerius Law School. In Berlin soll die Asow-Show am Donnerstag im Hotel Continental – Art Space in Exile, Zentrum für Moderne Kunst in Treptow stattfinden, das vorwiegend von geflohenen ukrainischen Künstlern genutzt wird und dessen Träger "ogalala Kreuzberg e.V." sich für die "Förderung von Kunst und Kultur" einsetzt.
Eine Anfrage der jW-Redaktion beim Hotel Continental – das auch Kooperationspartner des Deutschen Theaters ist – zu seiner fragwürdigen Kooperation mit faschistischen Kriegern blieb bislang unbeantwortet.
Wenn das Hotel und seine vornehmen städtischen Partner das Werben für ukrainische Neonazis nicht anstößig finden, könnten wenigstens die zahlreichen Bündnisse gegen rechts dies mit einem Protest vor dem Veranstaltungsort tun. Auch die "Omas gegen Rechts" könnten aktiv werden sowie andere Organisationen, die vorgeben, antifaschistisch zu sein. Als Beispiel könnten sie den Protest gegen den "gesichert" rechtsextremistischen Publizisten Martin Sellner aus Österreich nehmen, der vergangene Woche eine Lesung in einem Vereinshaus in Berlin-Lichterfelde durchführte – RT DE berichtete. Dabei haben bis zu tausend Protestler ihm und seinen 50 bis 60 Zuhörern, überwiegend im Rentenalter, beim Hinein- und Hinausgehen einen Spießrutenlauf mit "Nazis raus"-Parolen bereitet.
Aber ich bezweifle, dass sich jemand zu einer Protestaktion bereiterklären wird. Niemand wird sich dafür zuständig fühlen. Protest gegen die "coolen" Jungs von Asow, die modische Bärte tragen und brachiale Gewalt witzig finden, würde in Berlin gleich Protest gegen den Berliner Senat und die Bundesregierung bedeuten. Denn sie sind es, die ukrainische Faschisten als Freiheitskämpfer verklärend seit Jahren hofieren.
Und das ist das Schrecklichste. Diejenigen, die sich ausdrücklich als Proxy-Armee und NATO-Speerspitze gegen Russland begreifen (Aussagen eines Asow-Kommandeurs dazu hier zitiert), die Völker ganz unverblümt rassistisch in "zivilisiert" und "unzivilisiert" einteilen, auf zynische Weise die deutschen "Schuldkomplexe" manipulieren (wie es ukrainische Diplomaten tun) und die Geschichte des Zweiten Weltkriegs dafür auf den Kopf stellen, haben hierzulande das Sagen.
Diejenigen, die ihnen mit Friedensgedanken gern widersprechen würden, erstarren vor der Chuzpe dieser Leute wie Kaninchen vor der Schlange und lassen sich weiterhin in "rechts" und "links" spalten. Sie schauen den Kriegsvorbereitungen ratlos zu und bleiben zu Hause ‒ auch dann, wenn es darauf ankommt, entschieden die eigene Meinung kundzutun und zumindest noch zu versuchen, das schlimmste Szenario für ihr Land und Europa zu verhindern.
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