Orbán-Friedensmission in Moskau: EU entlarvt sich als Kriegsbündnis

Das Treffen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán mit Wladimir Putin fand unangekündigt statt. Die Stimmung bei den Gesprächen war gedämpft. Für Pessimismus sorgte vor allem der unsichtbare Dritte bei dem Treffen – die Europäische Union.

Von Wladislaw Sankin

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ist in Moskau zu einem unangekündigten Besuch eingetroffen und im Kreml empfangen worden. Wladimir Putin und Viktor Orbán tauschten sich nach den Regeln des diplomatischen Protokolls im Ovalsaal des Senatspalastes kurz miteinander aus, bevor die Kameras ausgeschaltet wurden.

Während dieses öffentlichen Teils des Treffens begrüßte Putin Orbán als Vorsitzenden der Europäischen Union. Er betonte, dass Orbán auch in "dieser Eigenschaft" nach Moskau gekommen sei. Kurz vor dem Treffen wies Orbán jedoch in einem X-Beitrag darauf hin, dass dieses Amt kein Mandat für Friedensverhandlungen im Namen der EU-Diplomatie beinhalte. Dies sei jedoch kein Grund, sich "im bequemen Sessel in Brüssel" zurückzulehnen und "darauf zu warten, dass der Krieg (in der Ukraine) auf wundersamerweise endet. Sein diplomatisches Vorhaben in Moskau bezeichnete Orbán ausdrücklich als "Friedensmission". 

Nach der Begrüßung nannte Putin die aus seiner Sicht unmittelbaren Ziele des Treffens mit Orbán – einen Informationsaustausch über verschiedene Perspektiven auf die europäische Krise. Damit bezog sich Putin auf den Krieg in der Ukraine. Zum einen wollte er Orbán mit den Einzelheiten der Moskauer Vorschläge für eine friedliche Beilegung des Ukraine-Konflikts vertraut machen und seine Meinung zu diesem Thema hören. 

Zum anderen äußerte sich Putin zum aktuellen Stand der russisch-ungarischen Beziehungen. "Was die bilateralen Beziehungen angeht, so gibt es einen Rückgang im Warenumsatz. Das ist bedauerlich", sagte er. Dieser Rückgang betrage mehr als 35 Prozent. Putin betonte, dass jedoch zugleich viele seriöse Projekte existieren, die "wir gemeinsam umsetzen". Nach dem Treffen sagte er vor der Presse, dass sich die Kooperation beider Länder vor allem auf die Bereiche Energiesicherheit, Medizin und Pharmazie erstrecke. 

Anschließend ergriff Orbán das Wort. Er wies darauf hin, dass dies bereits sein elftes Treffen mit Putin sei – ein "ganz besonderes". Er betonte, dass sein letzter offizieller Besuch in Moskau im Februar 2022 stattgefunden habe, noch "vor dem Krieg". Der Krieg sei auch das, was diese beiden Treffen voneinander unterscheide. In der Zwischenzeit sind sich Orbán und Putin jedoch auch außerhalb Russlands begegnet – etwa im September 2023 am Rande des One-Road-One-Belt-Forums in Peking.

Bei seiner Begrüßung bemerkte Orbán: "Bald wird Ungarn das letzte Land sein, das noch in der Lage ist, mit beiden Seiten Verhandlungen zu führen." Orbán betonte, dass er gerne Putins Position "zu einer Reihe wichtiger Fragen für Europa" erfahren würde. 

Während des Gesprächs wirkten beide Gesprächspartner höchst konzentriert und angespannt. Vereinzelt konnte man auf den Lippen der Politiker für kurze Augenblicke ein Lächeln wahrnehmen. Den beiden Staatsoberhäuptern war anzumerken, dass sie durchaus Sympathie und Respekt für einander empfinden. Dennoch fand das kurze Vorabgespräch in einer insgesamt gedrückten Stimmung statt. Von vornherein war klar, dass es bei dem Treffen zu keinen Vereinbarungen kommen würde. 

Wie der Berater des russischen Präsidenten, Juri Uschakow, Journalisten gegenüber später mitteilte, dauerte das Gespräch zwischen Putin und Orbán zweieinhalb Stunden. Eine Mitteilung von Selenskij an Putin habe Orbán nicht übermittelt. Neben Uschakow waren bei dem Treffen die Außenminister beider Länder sowie Wladimir Medinskij anwesend. Letzterer leitete auch die russische Delegation bei den Gesprächen zwischen Moskau und Kiew von Februar bis April 2022. Die Gespräche wurden damals nach einer Intervention des Westens abgebrochen. 

Kurz vor fünf Uhr Moskauer Zeit traten die beiden Staatsmänner dann vor Journalisten, um über die Ergebnisse ihres Treffens zu berichten. Nach dem "ehrlichen und ausführlichen Gespräch", wie sie einhellig feststellten, waren die beiden zwar etwas besser gelaunt. Doch was sich vor dem Treffen schon abzeichnete, hat sich auch im Nachgang bestätigt: Die diplomatische Situation um den Ukraine-Krieg hat sich um keinen Deut bewegt.

Putin wiederholte, was er zuvor bereits mehrfach gesagt hatte. Ihm zufolge sollte die Rede nicht von einem Waffenstillstand oder einer Pause sein, die Kiew militärisch nutzen könnte, sondern von einer vollständigen und endgültigen Beendigung des Konflikts.

"Wir sprechen über den vollständigen Rückzug aller Truppen aus den vier neuen russischen Regionen und andere Bedingungen, die Gegenstand einer gemeinsamen Arbeit sein könnten", so Putin. 

Der russische Präsident bekräftigte sein Engagement für eine politische und diplomatische Lösung des Konflikts, allerdings sei die Gegenseite nicht bereit, das Problem auf diese Weise zu lösen. Kiew, so Putin weiter, missbrauche die Bevölkerung der Ukraine als Rammbock gegen Russland. Kiew sei nicht bereit, den Kampf "bis zum siegreichen Ende" aufzugeben. Kiew sei auch nicht bereit, das Kriegsrecht aufzuheben und die Präsidentschaftswahlen nachzuholen. Die Chancen für einen Sieg der "ukrainischen Machthaber" sind Putins Worten zufolge "nahezu null".

Orbán äußerte sich im Unterschied zu Putin nicht zur derzeitigen Lage des Konflikts und hielt sich mit politischen Bewertungen zurück. Er wollte von Putin "wissen, was der kürzeste Weg ist", einen Frieden zu erreichen, und seine Meinung zu drei Aspekten hören: Was er über die derzeit verfügbaren Friedensinitiativen denkt; was er über den Waffenstillstand und die Friedensgespräche denkt und in welcher Reihenfolge sie stattfinden können; und welche Vision er von einem Europa nach dem Ende des Konflikts habe. 

Orbán stellte fest, dass die Positionen Kiews und Moskaus weit auseinander lägen. Daher seien noch viele Schritte nötig, um dem Ende des Konflikts näherzukommen.

"Wir haben jedoch den wichtigsten Schritt gemacht: Wir haben Kontakt aufgenommen. Und ich werde weiter in dieser Richtung arbeiten", fasste Orbán zusammen.

Da Orbán über kein Verhandlungsmandat verfügt, kann er wenig ausrichten, um den "Krieg in Europa" zu beenden. Und diejenigen in "Europa", die das Sagen haben, wollen keine Friedensgespräche. Harsch pfiffen sie den ungarischen Politiker von seiner eigenmächtig unternommenen diplomatischen Mission zurück: keine Kompromisse, keine Verhandlungen, keine "Beschwichtigung" (von der Leyen). Der finnische Ministerpräsident Petteri Orpo brachte die EU-Position auf den Punkt, als er das Vorgehen Orbáns "verstörend" nannte.

"Sein Besuch zeigt die Missachtung der Aufgaben der EU-Ratspräsidentschaft und untergräbt die Interessen der Europäischen Union", sagte er. 

Deutlicher kann man es nicht sagen. Das Interesse der Europäischen Union besteht demzufolge in einer Fortsetzung des Blutvergießens und einer Ausweitung des Konflikts. Da sich die Situation für die ukrainische Armee mit jedem Tag weiter verschlimmert, werden jene in der EU, die Orbán heute so scharf kritisieren, auch im weiteren Verlauf des Konflikts nicht zur Besinnung kommen. Im Gegenteil, sie werden hysterischer. In diesem Zustand der Kriegshysterie werden sie weitere Kräfte im Ofen des Krieges verheizen, bis sie eines Tages selbst mitten im Krieg stehen. Eine andere Dynamik ist mit dieser EU unvorstellbar.

Der Ukraine-Konflikt hat im Jahr 2013 in Kiew als "Euro-Maidan" begonnen. Er war die Folge der aggressiven Erweiterungspolitik der EU, die parallel zur NATO-Osterweiterung lief. Keineswegs ist die EU ein Friedensprojekt, wie dies mit überschwänglichem Selbstlob gern betont wird. Mit der strikten Ablehnung jeglicher Friedensgespräche erweist sich die EU, wie auch die NATO, vielmehr als ein Kriegsbündnis. 

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