Von Sergei Strokan
Das merkwürdige Schauspiel im Schweizer Kurort Bürgenstock, das als "Friedensgipfel" für die Ukraine gedacht war, hat nach seinem Abschluss bei den Veranstaltern ein Gefühl der Ratlosigkeit und Verlegenheit hinterlassen.
Das Format für Verhandlungen über die Ukraine ohne eine Teilnahme Russlands, das auf Bemühen Kiews und seiner westlichen Verbündeten unter schrecklichen Schmerzen geboren wurde, schied rasch dahin. In diesem Schweizer diplomatischen Käse fanden sich gaffende Sinnlöcher.
Selbst in den führenden westlichen Medien ist heute kaum noch eine Publikation zu finden, wo der "Friedensgipfel" positiv bewertet würde.
Wie die französische Zeitung Le Monde anmerkt, habe sich die Abschlusserklärung als "schwach und wenig verbindlich" erwiesen. Das Blatt weist darauf hin, dass im Text des besagten Dokuments nur Phrasen von "Prinzipien der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität aller Staaten" zu finden seien.
Selbst jene Länder, die erwartungsgemäß keine Mühe haben sollten, eine unverbindliche Abschlusserklärung zu unterschreiben, taten das nicht.
Zunächst verkündeten die Veranstalter, dass die Erklärung von 80 Ländern unterstützt worden sei. Später wurden allerdings aus der ursprünglichen Liste Jordanien und Irak, darauf auch Ruanda ausgeschlossen. Unter den Nichtunterzeichnern befinden sich sämtliche BRICS-Staaten, die an dem Treffen teilnahmen. Dazu kommt, dass sich gleich mehrere Schlüsselfiguren aus der westlichen Gruppe der Ukraine-Unterstützer – US-Vizepräsidentin Kamala Harris, Bundeskanzler Olaf Scholz und Japans Regierungschef Fumio Kishida – unter diversen Ausreden vom Treffen in der Schweiz davonmachten, kaum dass sie angekommen waren.
Nachdem die letzten Zweifel, dass Kiews ursprüngliche Idee, den "Friedensgipfel" zu nutzen, um Russland stärker unter Druck zu setzen und international zu isolieren, gescheitert war, änderte sich zunehmend die Rhetorik der ukrainischen Seite. So behauptete der Außenminister der Ukraine, Dmitri Kuleba:
"Die Idee besteht darin, dass der nächste Gipfel zum Ende des Krieges wird. Und natürlich brauchen wir am Verhandlungstisch auch die andere Seite. Es ist offensichtlich, dass für eine Beendigung des Krieges beide Seiten benötigt werden."
Er musste einräumen, dass sich die Aufgabe, eine gemeinsame Herangehensweise der westlichen und nichtwestlichen Staaten herauszuarbeiten, als nicht umsetzbar erwiesen hat.
"Gestern ertönten Stimmen aus dem Globalen Süden über die schwierigen Kompromisse, die wir eingehen sollten. Das ist nicht die Sprache, die wir von den westlichen Partnern hören", stellte der ukrainische Außenminister verdrossen fest.
Als eines der Hauptergebnisse der Konferenz auf dem Bürgenstock kann der Beginn einer aktiven Besprechung eines neuen Formats von internationalen Treffen zur Ukraine angesehen werden, das einen neuen Friedensplan statt der totgeborenen "Friedensformel" von Selenskij erfordert.
Wie der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis erklärte, gebe es gegenwärtig "sechs bis sieben Friedensformeln". In Bezug auf die Vorschläge Chinas und Brasiliens merkte er an:
"Für uns ist interessant, was sie tun."
Seinerseits meldete Gabriel Lüchinger, Leiter der Abteilung für internationale Sicherheit des Schweizer Außenministeriums, dass der nächste Friedensgipfel in der Ukraine nicht mehr in Europa stattfinden werde. Seinen Angaben zufolge sei der wahrscheinlichste Austragungsort Saudi-Arabien, und Russland werde an dem Treffen teilnehmen müssen.
Somit setzte der "Friedensgipfel", der als eine PR-Aktion für Kiew gedacht war, überraschend für seine Veranstalter einen neuen diplomatischen Prozess in Gang, nachdem die Friedensverhandlungen in Istanbul im Frühling 2022 gesprengt worden waren. Die Länder des Globalen Südens, denen in dem Schweizer Kurort die Rolle einer passiven Masse zugedacht war, ergreifen die Initiative und werden sie sich anscheinend nicht entgehen lassen.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 18. Juni bei RT.
Sergei Strokan ist Dichter, Journalist und Moderator von Talkshows auf staatlichen Fernsehsendern. Er wurde in der Ukraine in der Stadt Nowomoskowsk, Region Dnjepropetrowsk, geboren. Im Jahr 1982 schloss er sein Studium am Institut für Asien- und Afrikastudien der Staatlichen Universität Moskau als Orientalist und Philologe ab. Danach arbeitete er in der Asien-Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften, dann als Sonderkorrespondent für die Wochenzeitung "Moscow News" und auch als Leiter der Abteilung für auswärtige Angelegenheiten der sozialen und politischen Zeitschrift "Itogi". Derzeit ist er Kolumnist bei der Zeitung "Kommersant".
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