Von Uli Gellermann
Wer immer noch glaubt, dass der Ukraine-Krieg eine Marotte von Wladimir Putin ist, sollte sich diese Meldung zu Gemüte führen: Das Hauptquartier für den geplanten NATO-Einsatz zur Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte wird in Deutschland angesiedelt. Wie die dpa am Freitag aus Bündniskreisen erfuhr, ist Wiesbaden als Standort vorgesehen. Dort ist zufälligerweise auch die Basis der US-Streitkräfte in Europa, die bislang die Koordinierungsaufgaben wahrnehmen. Geleitet werden soll der Einsatz von einem Dreisternegeneral, der direkt an den Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa berichtet.
Putin-Administration ist nicht verrückt
Die NATO, das offen aggressive Kriegsbündnis (viermal NATO-Kriege auf dem Balkan als Reaktion auf Konflikte in Bosnien und im Kosovo, in Afghanistan und in Libyen), das Bündnis, gegen dessen Einkreisung sich die Russen wehren, will sich nun mit einem Sprungbrett in Deutschland fester etablieren. Das deutsche Militär ist seit 1955 in die NATO-Strukturen eingebunden, und die deutschen Parteien, ob in der Regierung oder der Opposition, sind weitgehend der NATO ergeben. Natürlich ist die Putin-Administration nicht verrückt: Man wird nicht nach der Maxime "Viel Feind, viel Ehr" handeln und die russische Armee prophylaktisch nach Deutschland in Bewegung setzen. Aber dieser neue Schritt der NATO auf das strategische Vorfeld Russlands wird nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Präsident muss Souveränität der Russischen Föderation wahren
Das in Artikel 51 der UN-Charta vorgesehene Recht auf kollektive Selbstverteidigung könnte von Russland jederzeit als Kriegsgrund für einen Schlag gegen Deutschland in Anspruch genommen werden. Hinzu kommt der Amtseid, den der russische Ministerpräsident abgelegt hat und der ihn verpflichtet, die Souveränität und Unabhängigkeit der Russischen Föderation zu wahren. Der neue, weitere Schritt zur Bedrohung der russischen Souveränität kann jederzeit einen russischen Militärschlag auslösen. Wer das für übertrieben hält, muss sich nur vorstellen, dass der russische Flottenverband rund um die Fregatte "Admiral Gorschkow" in Begleitung des atomgetriebenen U-Boots "Kazan", zweier Logistikschiffe, eines Öltankers und eines Bergungsschleppers, der zurzeit im Hafen von Havanna ankert, dort dauerhaft stationiert bleibt: Ein militärischer Akt der USA würde nicht ausbleiben.
Putin: Sohn einer Leningrad-Überlebenden
Die Traumtänzer in Berlin, die das geplante neue NATO-Hauptquartier unkommentiert hinnehmen, tun so, als wäre nichts. Wie Kinder, die sich die Augen zuhalten und glauben, man könne sie nicht sehen, hoffen sie scheinbar, dass der russische Generalstab naiv oder unfähig ist. Aber der Chef des russischen Generalstabs, Waleri Gerassimow, war für die Planung und Umsetzung des russischen Militäreinsatzes in Syrien zuständig, anders als die Berliner Schreibtisch-Strategen weiß er, wie Krieg riecht. Und sein Chef, Wladimir Putin, ist der Sohn einer Mutter, die die deutsche Blockade Leningrads überlebt hat.
NATO-Karrieristen
Tatsächlich wusste Olaf Scholz einst in der spw – Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft von der "aggressiv-imperialistischen NATO" zu schreiben, aber diese klare Analyse ist ihm auf dem Karriereweg irgendwie abhandengekommen. Seine Polit-Partnerin, Annalena Baerbock, war von solchen Erkenntnissen allzeit weit entfernt. Bis heute bringt sie es nicht fertig, sich von ihrem Großvater, einem glühenden Nazi-Anhänger, zu distanzieren. Die deutsche Geschichte schreibt eigentlich vor, den Russen mit Respekt zu begegnen. Aber Bundeskanzler Scholz fällt zum 75. NATO-Geburtstag ein: "Ohne Sicherheit ist alles nichts." Und Frau Baerbock behauptet sogar: "Die NATO ist unser zentraler Sicherheitsanker." Solche NATO-Karrieren sind auf Krieg, nicht auf Frieden mit Russland orientiert. Die jüngsten russischen Friedensvorschläge und ein Gespräch mit Putin hat Kanzler Scholz zurückgewiesen: "Ein solches Gespräch macht nur Sinn, wenn es etwas zu bereden gibt."
Rette sich, wer kann
Das Interesse der Deutschen kann nicht mit einem Krieg gewahrt werden. Wer den Deutschen wohlwill, der sollte dafür eintreten, die NATO zu verlassen, solange es noch nicht zu spät ist: Rette sich, wer kann.
Uli Gellermann ist Filmemacher und Journalist. Seine Erfahrungen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern begründen seine Medienkritik. Er ist Betreiber der Internetseite www.rationalgalerie.de.
Der Beitrag wurde zuerst am 15. Juni 2024 auf www.rationalgalerie.de veröffentlicht.
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