Deutsche Vernichtungsphantasien: Russland niederringen

Die Frequenz, in der in Deutschland Vernichtungsabsichten gegenüber Russland geäußert und ihre Notwendigkeit mit Lügen begründet werden, nimmt zu. Das politische Establishment hat den Bezug zur Realität verloren. Das hat schon einmal in die Katastrophe geführt und das wird es wieder tun.

Von Gert Ewen Ungar

Es geht sehr schnell in diesen Tagen: Der ehemalige deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) will Russland niederringen, der deutsche Kanzler grüßt auf der sogenannten Ukraine-Wiederaufbaukonferenz mit dem faschistischen Gruß "Slawa Ukraini", anlässlich derselben Konferenz bekundet EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Ukraine müsse gewinnen, Putin daher verlieren. 

Die Floskelmaschine läuft auf Hochtouren und man lullt sich ins zusammenfantasierte Narrativ ein. Dieses Narrativ hat sich inzwischen so weit verschoben, dass es sich nicht nur kaum noch an die Realität angelehnt, sondern schlicht erlogen ist. Anton Hofreiter, vom Zivildienstleistenden zum Waffenexperten mutiert, wird daher bei Lanz beim Aufsagen des Narrativs beim Lügen ertappt.

Er behauptet, wie im Übrigen die gesamte Bundesregierung, der Kanzler, die Außenministerin, der Verteidigungsminister, der Vizekanzler und die EU-Kommissionspräsidentin auch, Putin führe einen imperialistischen Angriffskrieg. Putin habe nach der vollständigen Einnahme der Ukraine das Ziel, Länder der EU zu überfallen. Der von pathologischer Angst vor dem Russen befallene Roderich Kiesewetter sieht die russische Armee schon in Berlin einmarschieren und darf seinen bedenklichen Geisteszustand in den deutschen Medien regelmäßig zur Schau stellen, ohne mit Widerspruch rechnen zu müssen. 

Nach einem Beleg für seine bei Lanz gemachte Behauptung vom Durchmarsch Putins auf die EU gefragt, sagt Hofreiter, Putin habe das immer wieder in seinen Reden gesagt. Einen konkreten Beleg für seine Anschuldigung kann er aus gutem Grunde nicht nennen, denn seine Behauptung entspricht nicht den Tatsachen. Putin hat so etwas nie geäußert. Hofreiter lügt und wurde dabei ertappt. Putin hat im Gegenteil die im Westen erhobene Behauptung, er beabsichtige, ein NATO-Land zu überfallen, immer wieder zurückgewiesen. Der Konflikt in der Ukraine geht auf die Ausdehnung der NATO zurück. Darin liegt seine Ursache und darin liegt auch seine Lösung, wenn man den Konflikt beenden will. Deutsche Politik will das offensichtlich nicht, sie will ihn weiter eskalieren. 

Folgen hat die Lügerei Hofreiters allerdings nicht. Er darf mit Sicherheit wieder in einem Talkshow-Sessel Platz nehmen und seine absurden Behauptungen weiterhin vortragen. Man hat im deutschen Fernsehen den Anspruch, der Wahrheitsfindung zu dienen, längst aufgegeben. Wozu sollte das auch gut sein? Die Bundesregierung korrigiert ihre Desinformation ja schließlich auch nicht. 

Dass die Desinformation von Regierung, EU-Kommission und Bundestagsabgeordneten weitgehend unhinterfragt in Deutschland verbreitet wird, macht auf ein System von Zensur und Gleichschaltung der Medien aufmerksam, das dazu führt, dass nur jene Informationen in den öffentlichen Diskursraum Zugang erhalten, die das Regierungsnarrativ nicht in Frage stellen. Lügen, Desinformation und Propaganda werden von den Erzeugnissen des deutschen Mainstreams nicht aufgedeckt. Deutsche Medien sind im Gegenteil erneut an ihrer Verbreitung und Implementierung in der deutschen Gesellschaft maßgeblich beteiligt. Das ist vor allem angesichts der deutschen Geschichte klares und eindeutiges journalistisches Versagen. Im Ergebnis wird im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt in Deutschland gelogen, dass sich die Balken biegen, denn es gibt kein nennenswertes Korrektiv. 

Das ist gefährlich, denn eine ganz große Koalition aus Ampel-Parteien plus CDU hegt gegenüber Russland achtzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder Vernichtungsabsichten. Die deutsche Monade, abgeschnitten vom Zugang zur Realität und eingesponnen in Wunschdenken und Selbstüberschätzung, hat sich geistig wieder auf einen weiteren Russlandfeldzug begeben, der wieder nur in den Untergang führen kann.

Deutschland ist weder wirtschaftlich noch militärisch in der Lage, Russland "niederzuringen", da sich hinter Russland der Globale Süden sammelt. Hinter Deutschland steht im Zweifelsfall niemand, weder die USA noch die europäischen Bündnispartner. Das westliche Bündnis ist tief gespalten. Die USA haben kein Interesse daran, in einen atomaren Konflikt verwickelt zu werden, den sie nur verlieren können. Die Wahrscheinlichkeit, dass die USA einen atomaren Schutzschirm über Europa und Deutschland aufspannen, ist ein fataler Irrtum. Es wäre keine rationale Entscheidung im Interesse der USA.

Politisch ist Deutschland weitgehend isoliert. Das Land hat mit seiner einseitigen Positionierung im Ukraine-Krieg und im Gaza-Konflikt viel an Ansehen eingebüßt. Deutschland unterstützt zwei rechte Regime, unterstützt Genozid sowie Waffenlieferungen und lehnt Verhandlungen ab, ist die Wahrnehmung Deutschlands im Ausland. So macht man sich keine Freunde. 

Deutschlands Rüstungsindustrie ist privatwirtschaftlich organisiert. Das ist ein gravierender Nachteil gegenüber der russischen. Für den Aufbau von Kapazitäten und die damit verbundenen Investitionen erwarten Rheinmetall und Co. langfristige Abnahme-Garantien. Daher funktioniert der schnelle Kapazitätsaufbau in Deutschland nicht. In Russland ist das anders. Dort lässt sich die Produktion faktisch auf Knopfdruck erhöhen und auch wieder zurückfahren. Wirtschaftlich befindet sich Deutschland zudem in einem langen Abwärtszyklus. Zwar gibt es nach Krisen immer wieder Phasen der Erholung, allerdings wird das Vorkrisenniveau nicht wieder erreicht. Schon allein diese beiden Aspekte zeigen, das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Deutschland nicht in der Lage ist, einen Konflikt mit Russland zu bestehen. Es ist zu schwach. 

Stellvertretend für viele andere deutsche Politiker stellt Hofreiter bei Lanz sein ökonomisches Mangelwissen unter Beweis. Er behauptet, die Sanktionen würden wirken, und führt als Beweis an, dass Gazprom im vergangenen Jahr in die roten Zahlen gerutscht sei. Putin würde das Geld ausgehen, ist seine von wenig ökonomischer Kenntnis aufgestellte These. Gazprom investiert in neue Infrastruktur, die allerdings nicht mehr den Westen zum Ziel hat. Das macht sich in der Bilanz bemerkbar. In einer Welt mit steigendem Energiebedarf ist die Idee an Naivität und mangelnder Einsicht in die Zusammenhänge nicht zu toppen, man könne einen der wichtigsten Energie- und Rohstofflieferanten des Globus durch Sanktionen im Energiebereich in einer Weise treffen, dass dem Land mittelfristig das Geld ausgeht. 

In Deutschland fehlt aktuell jeder Zugang zur Realität sowie die Fähigkeit zur Reflexion der eigenen Möglichkeiten. Das ist gefährlich. Das Establishment in Deutschland leidet unter Größenwahn in pathologischer Form. Für das Land und die deutsche Gesellschaft hat das verheerende Folgen, zeigt die Geschichte. Ein Krieg mit Russland, in welcher Sphäre auch immer ausgetragen, ist für Deutschland nicht zu gewinnen. Die notorische Lügerei in Bezug auf Russlands Absichten mit dem Ziel, die Deutschen in diesen Krieg zu führen, braucht dringend ein breites gesellschaftliches Korrektiv. Deutsche Politik und die ihr angeschlossenen Medien haben sich vollkommen im eigenen Lügengespinst verstrickt. Es ist Sache der deutschen Zivilgesellschaft, dieses Gespinst zu zerreißen. Gelingt das nicht, sind die Konsequenzen für das Land und seine Menschen absehbar erneut furchtbar. 

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