Von Achim Detjen
Deutschland rührt die Kriegstrommeln, allen voran der Kriegstüchtigskeitsminister. Die Bevölkerung ist aufgerufen, ihre Keller in Schutzbunker umzuwandeln. Und die Nicht-mehr-ganz-so-Liberalen wollen, dass die Bunkermentalität auch in den Köpfen fest verankert wird, und fordern die Einrichtung eines "Hubs für psychologische Verteidigung" – weil bedauerlicherweise noch große Teile der deutschen Bevölkerung nicht bereit sind, sich im Gleichschritt beim neuen Feldzug gen Russland einzureihen.
Da ist guter Rat teuer – und den erteilte am Donnerstag das Auswärtige Amt der Bevölkerung auf seiner Website: "Desinformation: Wie schützen wir uns und unsere Partner vor ausländischer Informationsmanipulation?" Die Antworten fallen banal und wenig geistreich aus – dem intellektuellen Niveau der Hausherrin des Amtes entsprechend: "Wer informiert ist, wird weniger anfällig sein, Desinformation zu glauben."
Das einzig Bemerkenswerte ist wohl, dass Russland nicht namentlich erwähnt wird. Muss es auch nicht mehr, inzwischen weiß jeder Bürger, wo der vermeintliche Feind lauert. Immerhin beweist das Auswärtige Amt Humor: "Unser Ziel ist es, (...) die freie Debatte zu schützen." Was haben wir gelacht.
Wenig zu lachen hatten allerdings die Sprecher des Ministeriums, als sie jüngst zu den mutmaßlichen Lügen ihrer Chefin Stellung beziehen mussten, die ein Vergewaltigungsvideo gesehen haben will, das es aller Wahrscheinlichkeit nach nie gegeben hat. Oder war das Video etwa eines dieser Deepfakes, vor denen das Auswärtige Amt nun so eindringlich warnt?
Wahrscheinlicher ist, dass die Trampolinspringerin einfach nur die Tradition ihres Amtsvorgängers fortsetzt, der es mit der Wahrheit auch nicht so genau nahm. Vor allem, wenn es darum ging, Moskau – wie im Fall Skripal – an den Karren zu fahren.
Im Kampf gegen vermeintliche Desinformation weiß sich die Lebenslauffälscherin jedoch in bester Gesellschaft, denn auch die Europäische Kommission hat am Donnerstag signalisiert, dass die ihr unterstellten Institutionen "vorbereitet zur Bekämpfung von Desinformation" sind.
Konkreter Anlass sind die Wahlen zum EU-Parlament. Jene Institution, die zwar nichts zu bestimmen hat, aber von der Kommission vielleicht gerade deshalb zum "Aushängeschild der europäischen Demokratie" geadelt wird. Weiter heißt es in der Pressemitteilung, in der ebenfalls Russland gemeint, aber nicht genannt wird:
"Wie z. B. die Europäische Beobachtungsstelle für digitale Medien (EDMO) dokumentiert, versuchen Desinformationsakteure innerhalb und außerhalb der EU, die Integrität des Wahlprozesses, das Vertrauen in demokratische Prozesse im Allgemeinen und die Spaltung und Polarisierung in unseren Gesellschaften zu untergraben."
Schon vor Tagen hatte die Kommissionschefin erklärt, dass man sich "Informationsmanipulation wie einen Virus" vorstellen müsse. Und statt eine Infektion zu bekämpfen, wenn sie stattgefunden hat, sei es besser, die Bürger gegen Desinformation zu "impfen", um eine "gesellschaftliche Immunität" zu erlangen.
Die Kampfansage der routinierten SMS-Löscherin an das eigenständige Denken hätte selbst Orwell angesichts des bewiesenen Neusprech-Niveaus vor Neid erblassen lassen – und was Neusprech betrifft, macht der EU ohnehin keiner so schnell was vor, siehe Medienfreiheitsgesetz. Wohlgemerkt, die Kampfansage gegen Desinformation kommt von jener höchst korrupten Desinformationsschleuder, die sich mit Viren besonders gut auskennt und behauptet hatte, Händewaschen helfe gegen eine COVID-Infektion.
Dabei hat Flinten-Uschi doch viel bessere Kalauer auf Lager als diesen Händewaschquatsch. "Das russische Militär nimmt Chips aus Geschirrspülern und Kühlschränken, um militärisches Gerät zu reparieren, weil ihnen die Halbleiter ausgegangen sind", verballhornte Ursula die Öffentlichkeit im September 2022. Und warum müssen die Russen ihre Kinschals aus Kühlschränken zusammenbasteln? Na, weil "die russische Industrie in Trümmern liegt".
Ach Ursula, bitte lass dich zu deinem eigenen Schutz impfen, damit du dich künftig nicht so lächerlich machst: Die Industrieproduktion in Russland im ersten Quartal dieses Jahres stieg um 8,8 Prozent. Das mag ja in Brüssel als Trümmerwert gelten, im Ministerium eines gewissen Kinderbuchautors würden bei solchen Zahlen jedoch die Sektkorken knallen.
Und wenn man sich selbst nicht an den eigenen Haaren aus dem Desinformationssumpf herausziehen kann, in den man fröhlich jauchzend hineingesprungen ist, dann eilen zum Glück die regierungsnahen und mit ordentlich Staatsknete gepamperten Fakten(er)finder von Correctiv herbei, um Uschis Unsinn über Haushaltsgerätechips vor der Weihe als Wahnsinn zu behüten. Wer was zu Lachen haben will, bitte sehr, hier geht's lang.
Eins muss man der CDU-Politikerin und der von ihr geführten Kommission lassen: Sinn für schwarzen Humor haben sie durchaus. So heißt es in der Pressemitteilung vom Donnerstag, dass man sich im Kampf gegen Desinformation auf vier Bausteine fokussiere. Und an erster Stelle steht: "Journalisten und Medienpluralismus schützen" – kurz nachdem die EU vier weiteren russischen Sendern den Stecker gezogen hat. Monty Python wäre stolz auf die Kommission.
Im Kampf um die Köpfe können sich die beiden Deutschen und die von ihnen geführten Behörden auf "Akteure der Zivilgesellschaft und Faktenprüfer" verlassen, die sich wohl als geistige Erben der britischen Komikertruppe begreifen.
Die Rede ist vom Webportal EUvsDisinfo, seit Jahren berühmt-berüchtigt für seine billigen antirussischen Räuberpistolen, und das laut EU-Kommission "in den vergangenen Monaten zahlreiche Versuche aufgedeckt [hat], mit manipulierten Informationen Wählerinnen und Wähler in die Irre zu führen".
Zu diesem Irrsinn zählen unter anderen folgende angeblich vom Kreml verbreitete "Falschbehauptungen", mit denen die westlichen Demokratien destabilisiert werden sollen:
- "Die NATO-Osterweiterung stellt eine ernsthafte Bedrohung für Russland dar."
- "Westliche Sanktionen führten zu höheren Nahrungsmittelpreisen."
- "Die EU-Sanktionen schaden Europa mehr als Russland."
- "Die USA profitieren von der Nord-Stream-Sabotage."
Galt im Kalten Krieg noch die Redewendung "Ein kluges Wort – schon ist man Kommunist", so müsste die aktualisierte Fassung im Kalten Krieg 2.0 lauten: "Ein kluges Wort – schon ist man Kreml-Propagandist". Oder viel schlimmer, vielleicht sogar ein Russe. Also ein Angehöriger jener Spezies, die Hunde frisst.
Wie gut, dass die Ampel frühzeitig erkannt hat, dass es Deutschland vor solchen Barbaren zu schützen gilt, und auf Rot schaltete – und somit die deutschen Medien klammheimlich gleichschaltete, damit es bei der Darreichung antirussischer Narrative zu keinen Ausrutschern kommt. Unter dem Führer hätte es das nicht gegeben, also das mit dem klammheimlich.
Und wie schnurstracks die von den Mächtigen geführte "Kognitive Kriegsführung" wieder in eine totalitäre Gesellschaft führen wird, wenn ihnen nicht Einhalt geboten wird, darüber klärt der Journalist Norbert Häring in einem umfassenden Artikel auf, der jedem ans Herz gelegt sei, der hinterher nicht sagen will: "Ich hab' davon nichts gewusst!"
Aber was, wenn all die medialen Gleichschaltungen, all die Zensur sozialer Medien, die nun auch verstärkt Telegram ins Visier nimmt, wenn all die "Impfungen" des Bewusstseins der Bevölkerung nicht dazu führen, dass diese mit wehenden Fahnen auf den Kriegszug aufspringt, den Lokomotivführer Olaf und sein Einheizer Boris eifrig mit Kohlen befeuern? Wäre es da nicht besser, die renitenten Ketzer einfach in den Knast zu stecken? Wie gut, dass Berlins Justizsenatorin diese Debatte bereits angestoßen hat.
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