Von Pepe Escobar
Vorvergangenen Sonntag hatte ich in Doha ein Treffen mit drei hochrangigen Vertretern des Politischen Büros der Taliban in Katar, darunter eines der Gründungsmitglieder dieser Einrichtung (2012) und ein zentraler Amtsträger der vorhergehenden Regierung der Taliban von 1996 bis 2001. Ihre Namen werde ich, darin waren wir uns einig, nicht nennen.
Die herzliche Begegnung hatte Professur Sultan Barakat vermittelt, der am Kolleg für politische Wissenschaft der Hamad bin Khalifa-Universität unterrichtet – die über einen makellosen, herausragenden Campus außerhalb von Doha verfügt, der Studenten aus dem ganzen Globalen Süden anzieht. Professor Barakat ist einer dieser sehr wenigen – diskreten – Akteure, die alles wissen, was in Westasien, und in seinem Fall auch an der Schnittstelle zwischen Zentral- und Südasien, wichtig ist.
Mit meinen drei Taliban-Gesprächspartnern diskutierte ich ausführlich über die Herausforderungen der neuen Ära der Taliban, neue Entwicklungsprojekte, die Rolle Russlands und Chinas sowie die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Sie waren besonders neugierig, was Russland anging, und stellten viele Fragen.
Professor Barakat arbeitet auf der gleichen Schiene. Er organisiert die Arbeit des Afghanistan Future Thought Forum (Forum für afghanische Zukunftsgedanken) dessen 9. Sitzung Mitte Mai in Oslo stattfand und an der 28 Afghanen teilnahmen – Männer und Frauen – wie auch eine Reihe von Diplomaten beispielsweise aus Iran, Pakistan, Indien, China, der Türkei, den USA, Großbritannien und der EU.
Die zentralen Diskussionen bei diesem Forum drehen sich um das extrem komplexe Thema der Kontakte der Taliban zu diesem unscharfen Wesen, der "internationalen Gemeinschaft". In Doha fragte ich meine drei Gesprächspartner direkt, was den Taliban das Wichtigste sei: "Das Ende der Sanktionen", erwiderten sie.
Damit das geschehen kann, muss der UN-Sicherheitsrat seinen Beschluss von 2003 kippen, der mehrere Untergruppen der Taliban zu terroristischen Organisationen erklärte; und gleichzeitig muss die Diskriminierung, die Dämonisierung und die Sanktionierung durch Washington fallen. So, wie es aussieht, bleibt das allerdings eine gewaltige Aufgabe.
Das Forum – dessen nächste Sitzung in Kabul stattfinden soll, vermutlich im Herbst – arbeitet sich geduldig und Schritt für Schritt vorwärts. Es ist eine Frage der schrittweisen Zugeständnisse von beiden Seiten, des Aufbaus von Vertrauen, und dafür ist es unverzichtbar, einen von den UN anerkannten Vermittler zu ernennen, oder einen "Berater für Normalisierung", der den ganzen Prozess überwacht.
In diesem Fall wird die volle Unterstützung durch die beiden Mitglieder des UN-Sicherheitsrats Russland und China entscheidend sein.
Wir sind die Taliban, und wir meinen es ernst
Ich verließ das Treffen in Katar mit dem Eindruck, dass positive Schritte – im Sinne einer Normalisierung von Afghanistan als Ganzem – demnächst möglich sind. Und dann brachte ein wundersames Eingreifen die Wendung.
Am Tag nach unserem Treffen, noch ehe ich aus Doha nach Moskau aufbrach, haben sowohl das russische Außen- als auch das Justizministerium Präsident Putin informiert, dass die Taliban von der russischen Liste terroristischer Organisationen gestrichen werden könnten.
Der außergewöhnlich kompetente Samir Kabulow, Putins Sonderbeauftragter für Afghanistan, brachte es auf den Punkt: Ohne die Taliban von der Liste zu nehmen, kann Russland die neue Regierung in Kabul nicht anerkennen.
Und, präzise wie ein Uhrwerk, lud Moskau am selben Tag die Taliban ein, am Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg (SPIEF) teilzunehmen, das kommenden Mittwoch beginnt.
Kabulow erläuterte, dass "die Afghanen traditionell interessiert sind, weiter beim Kauf von Erdölprodukten und anderen stark nachgefragten Waren in Russland zusammenzuarbeiten. Natürlich wird es zukünftig auch möglich sein, über Transitmöglichkeiten durch Afghanistan zu reden, um den Handelsumsatz zu erhöhen".
Und dann klärte Außenminister Sergei Lawrow am selben Tag, bei Putins offiziellem Besuch in Taschkent, die ganze Sache fast endgültig, indem er sagte, dass die Normalisierung der Taliban die objektive Wirklichkeit wiedergibt: "Sie sind die wirkliche Macht. Uns ist Afghanistan nicht gleich. Unseren Verbündeten, vor allem in Zentralasien, ebenfalls nicht. Also spiegelt dieser Prozess ein Bewusstsein der Wirklichkeit."
Kasachstan hat sein "Bewusstsein der Wirklichkeit" bereits manifestiert: aus der Terrorliste von Astana sind die Taliban vergangenes Jahr verschwunden. In Russland werden die Taliban erst von der Terrorliste genommen, wenn das Oberste Gericht zustimmt. Das könnte sogar in den nächsten zwei Monaten geschehen.
Diese Liebesgeschichte trägt eine große Last
Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Russland und den Taliban ist aus mehreren Gründen unvermeidlich. Die höchste Priorität hat sicherlich die regionale Sicherheit – was gemeinsame Bemühungen nahelegt, die unklare, dunkle und destabilisierende Rolle von ISIS-K zu bekämpfen, einer Abspaltung der Terrorgruppe ISIS, die im Schatten aktiv von CIA und MI6 unterstützt wird, als Werkzeug des "Teile und Herrsche". Dem FSB-Direktor Alexander Bortnikow ist völlig klar, dass ein stabiles Afghanistan heißt: eine stabile Taliban-Regierung.
Und diese Sicht wird von der ganzen Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit vorbehaltlos geteilt. Afghanistan ist Beobachter in der SOZ. Im Laufe der nächsten zwei Jahre wird es wahrscheinlich Vollmitglied werden – und damit seine Normalisierung befestigen.
Und dann liegt noch die Goldgrube der Verbindungskorridore vor uns – die für Russland ebenso wichtig ist wie für China. Peking baut ein weiteres Ingenieurswunder des Straßenbaus entlang des Wachankorridors, um Xinjiang mit dem Nordosten Afghanistans zu verbinden. Und dann ist geplant, Kabul zu einem Teil des chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridors (CPEC) zu machen: geowirtschaftliche Integration in Lichtgeschwindigkeit.
Moskau – wie auch Peking – schielen nach den Ablegern des multimodalen internationalen Nord-Süd-Transportkorridors (INSTC), der Russland, Iran und Indien verbindet. Der Hafen von Tschahbahar in Iran ist ein entscheidender Knotenpunkt für die indische Seidenstraße, um sie mit Afghanistan und den zentralasiatischen Märkten zu verbinden.
Und dann gibt es Afghanistans noch nicht gehobenen Reichtum an Mineralien – Wert: mindestens eine Billion Dollar. Lithium eingeschlossen.
Kabul plant auch nichts Geringeres als einen russischen Knotenpunkt für Energieexporte nach Pakistan – alles Teil eines bevorstehenden strategischen Energieabkommens zwischen Pakistan und Russland.
Was Putin am Rande des SOZ-Gipfels in Samarkand 2022 zu dem pakistanischen Premierminister Shebhaz Sharif sagte, ist ungeheuer bedeutend: "Das Ziel ist es, Pipeline-Gas aus Russland nach Pakistan zu liefern. … Einiges an Infrastruktur gibt es schon, in Russland, Kasachstan und Usbekistan." Und nun rückt Afghanistan ins Blickfeld.
Was die Verbindungskorridore angeht, gibt es einen riesigen Neuankömmling – nach einer gemeinsamen Absichtserklärung, die im November 2023 am Rande des Internationalen Transportforums der SOZ in Taschkent unterzeichnet wurde: und zwar den Transportkorridor Weißrussland-Russland-Kasachstan-Usbekistan-Afghanistan-Pakistan.
Das fehlende Stück in diesem faszinierenden Puzzle soll das, was es bereits gibt – Eisenbahnen, die von Weißrussland über Russland und Kasachstan bis Usbekistan reichen –, mit einer brandneuen Bahnlinie Pakistan-Afghanistan-Usbekistan verbinden. Die Konstruktion der letzten beiden Abschnitte dieses Projekts Pak-Afgahn-Us begann erst vor wenigen Monaten.
Es war genau dieses Projekt, das in der gemeinsamen Erklärung von Putin und dem usbekischen Präsidenten Schawkat Mirsijojew Anfang letzter Woche die Hauptrolle spielte.
Wie TASS berichtete, bewerteten Putin und Mirsijojew "das erste Treffen der Arbeitsgruppe zur Entwicklung des multimodalen Transportkorridors Weißrussland-Russland-Kasachstan-Usbekistan-Afghanistan-Pakistan positiv, das am 23. April 2024 in der usbekischen Stadt Termes stattgefunden hatte".
Die ganze Affäre rund um Russland und die Taliban dreht sich um ein gewaltiges Paket, das Öl, Gas, Mineralien und eine Menge Eisenbahnverbindungen umfasst.
Ohne Zweifel werden beim kommenden SPIEF eine Menge saftiger Details bekannt werden – da eine Delegation der Taliban dort sein wird, darunter der Arbeitsminister und der Chef der Industrie- und Handelskammer.
Und da ist noch mehr: Afghanistan unter den Taliban 2.0 soll zum kommenden Gipfel der BRICS+ in Kasan im Oktober eingeladen werden. Es handelt sich hier um ein strategisches Mega-Zusammentreffen. Der UN-Sicherheitsrat beeilt sich besser damit, Afghanistan für die "internationale Gemeinschaft" zu normalisieren. Ach, Moment: Wen kümmert das eigentlich, wenn Russland/China, die SOZ und BRICS das bereits tun?
Erstveröffentlichung auf Strategic Culture Foundation.
Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt "Raging Twenties" (Die wütenden Zwanziger). Man kann ihm auf Telegram und auf X folgen.
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