Von Wladislaw Sankin
Am Sonntag fand in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" ein bemerkenswertes Gespräch statt. Einer der hochrangigsten Militärs des Landes, der Leiter des Lagezentrums Ukraine und des Planungs- und Führungsstabs des Bundesministers der Verteidigung in Berlin, Generalmajor Christian Freuding, stand dem Moderator im Studio Rede und Antwort. Das Thema war der Einsatz deutscher Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium.
Freuding zufolge sei durchaus denkbar, dass die aus Deutschland gelieferten und als hocheffizient gepriesenen "Patriot"-Abwehrsysteme jetzt auch im Raum Charkow und über Russland zum Einsatz kommen. "Sie eignen sich hervorragend, um die russischen Luftfahrzeuge, die die schrecklichen Gleitbomben zum Einsatz bringen können, zu bekämpfen", sagte er.
Der Generalmajor betonte, der taktische Einsatz der Systeme sei allein Sache des ukrainischen Militärs:
"Sie können sie im Rahmen des Völkerrechts einsetzen. Wir haben großes Vertrauen, dass die Ukrainer sich nicht nur daran halten, sondern dass sie dies auch mit großem taktischem Geschick tun und dabei auch Erfolg haben werden."
Eine Nachfrage des Journalisten, ob General Freuding auch den Abschuss der russischen Transportmaschine Il-76 mit den 65 ukrainischen, zum Austausch anfliegenden Kriegsgefangenen zu diesen "Erfolgen" und zum "geschickten" Umgang mit "Patriot" zählt, folgte den Ausführungen des Generals nicht. Damals, am 24. Januar dieses Jahres, starben insgesamt 72 Menschen bei dem Abschuss mit zwei Patriot-Raketen, neben den Ukrainern auch sieben russische Begleiter und Piloten. Die Raketen wurden aus dem grenznahen Gebiet in der Region Charkow abgefeuert und trafen das Flugzeug weit hinter der Grenze in der russischen Region Belgorod – RT DE berichtete mehrfach über den Stand der Ermittlungen, bis schließlich bekannt wurde, dass es sich bei den um die Absturzstelle gefundenen 116 Raketenteilen um Geschosse vom Typ Patriot handelte.
Aber meine Recherchen haben ergeben: Der Journalist konnte gar nicht wissen, dass die Heimkehrer vom eigenen Militär getötet wurden. Dass Putin die Ukrainer dieses Verbrechens beschuldigte, wurde in den Medien zwar beiläufig erwähnt; aber eben mit dieser Erwähnung endete auch die Berichterstattung. Wenige Tage zuvor, als sich noch frisch nach der Tat deutlich abzeichnete, wer hinter dem Beschuss steht, haben sich die deutschen Medien in Äquilibristik geübt – nach dem Motto: Nichts ist bei dem Vorfall sicher und klar.
Als russische Ermittler am 1. Februar schließlich am Abschussort medienwirksam die Beweise dafür präsentierten, dass die tödlichen Raketen zum Patriot System des Typs MIM-105A gehörten und vom US-Rüstungshersteller Raytheon im Jahr 1983 hergestellt wurden, war es schon still um das Thema. Nach genau einer Woche, als US-Militärs in einem Artikel von New York Times die russischen Angaben bestätigten, war der Fall schon längst vergessen. In deutscher Sprache haben nur die Internetseite kettner-edelmetalle und das Nachrichtenportal Athen-Nachrichten kurz darüber berichtet.
Die Quellen des US-Militärs räumten zwar ein, dass die bei dem Abschuss eingesetzten Patriot-Systeme aus US-Produktion stammten; an die Ukraine geliefert wurden sie aber von einem nicht genannten europäischen Land. Zum damaligen Zeitpunkt haben nur Deutschland und Niederlande je zwei Systeme geliefert.
Kaum zu glauben, aber an der Geschichte, die mit der deutschen Kriegsbeteiligung am Ukraine-Konflikt und dessen Ausweitung auf Russland unmittelbar ebenso zu tun hat wie mit der Art und Weise der Kriegsführung vonseiten der ukrainischen "Partner", war für die deutschen Medien absolut nichts Berichtenswertes. Deutsche Leser und Zuschauer konnten, wenn sie die Nachrichten von RT DE nicht verfolgten, also nichts darüber wissen.
Nicht so Generalmajor Freuding. Als Ukraine-Koordinator müsste er bestens Bescheid wissen. Und nicht nur er – dazu hat es im deutschen Koordinierungs-Stab für Ukraine-Hilfen ganz sicher schon die eine oder andere Krisen-Sitzung gegeben. Dazu nichts zu berichten, entspringt also höchstwahrscheinlich der Kommunikationsstrategie seines Teams. Wozu? Heute wissen wir es: um die Übergabe deutscher Waffensysteme für Angriffe auf russisches Territorium mit negativen Berichten nicht zu gefährden. Möglicherweise wurde eine solche Übergabe in Fachkreisen bereits damals diskutiert – das ebenfalls schon wieder "vergessene" Taurus-Leak legt diese Annahme nahe.
Und nun – wer ist Generalmajor Freuding überhaupt? Er ist derjenige Brigadegeneral, der nach der gescheiterten ukrainischen Sommeroffensive des Jahres 2023 in Kiew über die militärische Hilfe an die Ukraine gesagt hat, sie sei unerschütterlich, "und wir werden sie so lange leisten, wie die Ukraine sie braucht". Mit "so lange" meinte er die Wiederherstellung der Ukraine in den Grenzen des Jahres 1991 – einschließlich der Rückeroberung der Krim. Mit anderen Worten – mit Russland will er ewigen Krieg.
Wie die Diskussion der Bundeswehr-Offiziere bei dem enthüllten Taurus-Telefonat, zeigt auch die Causa Il-76, dass die Führung der Bundeswehr heute von Karrieristen und Hasardeuren dominiert wird, die im trüben politischen Wasser der "Ukraine-Hilfe" gern ihr eigenes Süppchen kochen. Ob sie im Endeffekt ihre eigenen Ziele verfolgen oder im politischen Auftrag handeln (das eine schließt ja das andere nicht aus), ist nicht mehr wichtig – die deutsche Öffentlichkeit täuschen sie oder so.
Wenig überraschen kann daher, wie zynisch das Lob des Generals für die Ukrainer trotz all seines Mitwissens ist. Wenn die Provokation des Abschusses einer militärischen Transportmaschine auf dem Gebiet einer atomaren Supermacht mit Dutzenden (vor allem eigenen!) Toten als "taktisches Geschick" und "Erfolg" bezeichnet wird, ist der Zynismus dieser Aussage kaum mehr zu überbieten. Wozu diese Leute fähig sind, werden sie noch unter Beweis stellen.
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