Von Igor Malzew
Es ist ein Lehrbeispiel dessen, wie europäische Politik funktioniert. Genauer gesagt, die deutsche. Vor nicht allzu langer Zeit sagte ein gewisser Chef des deutschen Reservistenverbandes, Oberst der Reserve Patrick Sensburg, dass es an der Zeit sei, alle, die in der Armee gedient haben und in der Reserve sind, zu sammeln, damit 800.000 in den Krieg gegen Russland geschickt werden können. Der Ex-Oberst ist ein No-Name, und er hat mehr Aufmerksamkeit von den russischen Medien als von den deutschen Wählern bekommen.
Nur kurze Zeit später kam allerdings Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages und Mitglied der Freien Demokratischen Partei, bereits mit einem offiziellen und detaillierten Vorschlag, die rund 900.000 Reservisten, die Deutschland hat, zu "aktivieren". Sie müssten zunächst registriert werden, denn die Bundeswehr registriere seit Jahrzehnten keine Soldaten, die aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sind.
Auch dies sei Teil einer "verteidigungspolitischen Zeitenwende", sagte Strack-Zimmermann:
"Wenn wir auch nur die Hälfte von ihnen mit ihrer einschlägigen Erfahrung als Reservisten gewinnen könnten, wäre das ein unglaublicher Vorteil", sagte sie. Wenn die Reservisten ins Ausbildungslager gehen, müssen die Unternehmen in dieser Zeit auf Mitarbeiter verzichten."
SPD und Grüne lehnten diese Forderung am Samstag ab. Aber das macht nichts, denn alles, was Strack-Zimmermann jetzt sagt, richtet sich an ein ganz anderes Publikum – sie ist die Spitzenkandidatin der Freien Demokraten für die Europawahl. Ihre Vorschläge gehen also in das Sparschwein der gesamten europäischen Politik.
Schon am Sonntag ist Madame Strack-Zimmermann wieder auf allen Fernsehbildschirmen zu sehen, mit einer neuen Idee: Sie will Deutschland Boris Pistorius überlassen und gehört zu der Gruppe, die den Verteidigungsminister auf den Kanzlerposten hieven will.
"Strack-Zimmermann ist überzeugt, dass die SPD mit Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzler besser dran wäre als mit Amtsinhaber Olaf Scholz", schreibt Die Welt nach ihrer Rede zur Eröffnung der Gesprächsreihe Politikergrillen mit Jan Philipp Burgard. "Pistorius wäre sicher ein guter Kanzler und sicher sehr beliebt." Warum gerade er? "Er ist sehr solide. Das gefällt mir, weil er geradlinig ist, nicht wie manche Leute."
Das bedeutet, dass Pistorius als Kanzler, anders als Scholz, die Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine nicht infrage stellen wird. Langfristige Pläne zur Eskalation der Konfrontation mit Russland sind vorhanden. Und dann ist es auch nicht verwunderlich, dass gerade diese Gruppe von Politikern so unglücklich über die Beschränkung des Einsatzes westlicher Waffen bei Angriffen auf russisches Territorium ist.
Strack-Zimmermann, die als Deutschlands größte Lobbyistin des militärisch-industriellen Komplexes gilt, entwickelt das Thema weiter: Sie ist der Meinung, dass die Erlaubnis, westliche Waffen gegen militärische Ziele auf dem Territorium nur im Grenzgebiet bei Charkow einzusetzen, nicht ausreicht:
"Wenn Sie mich fragen, sollte diese Erlaubnis natürlich erweitert werden."
Die nächste Forderung dürfte die Verlegung von mindestens 100.000 deutschen Soldaten an die Front in der Ukraine sein, so die Leser der Welt in den Kommentaren:
"Diese Kriegshetze ist Wahnsinn. Ich persönlich will keinen Krieg mit Russland, ich habe den letzten Krieg und seine brutalen Folgen für Deutschland noch in meinen Genen. Sie scheinen sie nicht zu kennen, weil Sie nicht wissen, was die Russen antreibt und wozu sie fähig sind. Vielleicht würde es helfen, die deutsche Geschichte zu studieren – zumindest die der letzten 100 Jahre."
Aber das Lesen von Büchern hilft deutschen Politikern nicht: Es stehen EU-Wahlen an, das und die Spenden und Provisionen von Rheinmetall treiben sie an. Und das schaltet das Gehirn, das Gewissen und das historische Gedächtnis aus.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel wurde für den TG-Kanal "Exklusiv für RT" verfasst – in der EU gesperrt.
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