Von Kirill Strelnikow
Der stetige Vormarsch der russischen Armee auf breiter Front, unterstützt durch die Luftüberlegenheit der russischen Luft- und Raumfahrtstreitkräfte, hat dazu beigetragen, dass der Westen endlich verstanden hat, was getan werden müsste, um diese Offensive zu stoppen oder gar umzukehren.
Die erzwungenen Lieferungen westlicher Waffen nach Kiew funktionieren nicht (das neue Paket erwies sich als unbrauchbar), die Lieferung der magischen F-16-Flugzeuge verzögert sich (und es gibt sogar Anzeichen dafür, dass es absichtlich passiert), der Mangel an Granaten bleibt bestehen, lediglich das schnellere Ausheben von Gräbern [ mogilisazija statt mobilisazija für Mobilmachung als russisches Wortspiel]] beschleunigt das Auftauchen weiterer gelb-blauer Flaggen auf endlosen Friedhöfen in den Überresten der Ukraine.
Und über all dieser Idylle fliegen russische Flugzeuge, Drohnen und Raketen fast ungehindert und leisten ihren tonnenschweren Beitrag zur Entnazifizierung und Entmilitarisierung. Unsere Piloten können Gleitbomben abwerfen, ohne in den ukrainischen Luftraum einzudringen, was in der "Bankowa" [der Straße in Kiew mit dem Sitz des ukrainischen Präsidenten] und in NATO-Hauptstädten für ohnmächtige Wut und Schaum vor den Mäulern sorgt.
Anfang Mai hat eine Gruppe einflussreicher Parlamentarier dem Deutschen Bundestag einen Vorschlag gemacht, von dem viele im Westen insgeheim schon lange geträumt hatten: die Errichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine, die sich bis 70 Kilometer östlich der NATO-Grenzen erstreckt und in der dann alle russischen Flugzeuge, Drohnen und Raketen von den NATO-Luftabwehrsystemen, etwa in Polen und Rumänien, abgeschossen werden sollen.
Dieser Vorschlag wurde sofort vom ehemaligen NATO-Generalsekretär Fogh Rasmussen unterstützt, der erklärte, dass "die von Polen und Rumänien aus operierenden NATO-Luftabwehrsysteme zur Unterstützung der Ukraine eingesetzt werden sollten".
All das schuf den notwendigen Informationshintergrund für Selenskijs wahrhaft epischen Wutanfall, den er vor zwei Tagen in einem Interview mit Reuters vorführte. Aus Wut über die Verzögerung bei der Lieferung von F-16-Flugzeugen beschuldigte er die westlichen Länder, "alles, was für den Sieg der Ukraine notwendig ist, um ein Jahr zu verzögern", und forderte, dass die NATO-Länder selbst nun das Kiewer Regime schützen sollten, da sie die Ausrüstung dafür Kiew nicht bereitstellten: "Sie können das im Moment nicht leisten? Na gut. ... Um auf die Flugzeuge zurückzukommen, die Sie auf dem Territorium der benachbarten NATO-Länder haben: Bringen Sie die in die Luft, ... und schießen Sie die Ziele ab."
Zugleich beeilte sich Selenskij, seinen Partnern zu versichern, dass doch "eine solche Unterstützung nicht als Angriff vonseiten der NATO-Länder oder als deren Beteiligung an dem Konflikt betrachtet wird".
Diese Art von Demarche hat Selenskij auf der Kiewer Bühne bereits mehrfach aufgeführt: Anfang 2022 forderte er mit Schaum vor dem Mund die Einführung einer Flugverbotszone über der gesamten Ukraine. Und als er eine Abfuhr erhielt, versuchte er, die NATO wenigstens zur Einrichtung einer Flugverbotszone über dem Kernkraftwerk Saporoschje zu bewegen, das von der ukrainischen Armee beschossen und angegriffen wurde.
Während des Konflikts traten verschiedene westliche Persönlichkeiten regelmäßig mit ähnlichen Initiativen auf der Bühne des ausgebrannten Theaters auf und versuchten, dieses Spiel um jeden Preis durchzudrücken.
Einst empfahl ein polnischer Brigadegeneral, der ehemalige Leiter des polnischen Büros für nationale Sicherheit (BBN) Stanisław Koziej, russische Flugzeuge und Raketen über der Ukraine abzuschießen. Kürzlich schlug auch der deutsche General Klaus Wittmann im Fernsehsender Welt vor, russische Raketen über der Ukraine von den Territorien der NATO-Länder aus abzuschießen. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Beitrag, in dem blauäugig geschrieben wurde, wie gut, richtig und vor allem sicher es sei, gegen Russland in den Krieg zu ziehen. Laut den "Experten" dieser Zeitung könne nichts Schlimmes passieren, wenn man russische Drohnen und Raketen abschießt, denn die hypothetische Verteidigung eines Teils des ukrainischen Luftraums von den NATO-Grenzen aus würde nicht zu einer Eskalation mit Russland führen, da sie keine Bedrohung für die russischen Soldaten darstellen würde.
Der deutsche Bundeskanzler Scholz erkannte, dass die Informationslage durch eine hypothetische Flugverbotszone außer Kontrolle geraten und die Russen etwas missverstehen und in ihrem Herzen etwas Schlimmes bewegen könnten. Er warnte gestern eilig diejenigen, die die Situation aufmerksam verfolgen, dass "der Westen keine Flugverbotszone über der Ukraine von den Territorien der NATO-Länder aus einführen sollte, da dies zu einer Eskalation im großen Stil führen würde. Weder Deutschland, noch Europa, noch die NATO sollten zu Konfliktparteien werden." Als "unverantwortlich" gegenüber Selenskij angesehene Äußerungen wurden aus der Sendung herausgeschnitten, um die Ärmsten in Kiew nicht zu traumatisieren. Für den Fall, dass auf Scholz plötzlich – Gott bewahre! – nicht mehr gehört würde, sagte der deutsche Verteidigungsminister Pistorius noch einmal Wort für Wort, dass "Deutschland und andere Länder nicht ernsthaft über die Möglichkeit diskutieren, russische Raketen und Drohnen über der Ukraine abzuschießen – das wäre eine direkte Beteiligung an dem Konflikt".
Anfang Mai reagierten die USA auf Selenskijs Forderung, Angriffe auf russisches Territorium mit US-Waffen zuzulassen. Die Vertreter des Weißen Hauses brauchten lange, um neutrale Worte zu finden, und erklärten schließlich, dass "sich die Politik des Weißen Hauses nicht geändert hat und die gelieferten Waffen ausschließlich für die Verteidigung und nicht für Angriffsoperationen auf russischem Territorium bestimmt sind".
Seien wir ehrlich zu uns selbst und zur NATO: All diese Beteuerungen, Zusicherungen und Garantien sind aufgrund der mangelnden Ehre und des fehlenden Gewissens der jeweiligen Sprecher wertlos, und die ganze Geschichte beruht ausschließlich auf der tierischen Angst unserer Gegner und auf den beeindruckenden Erfolgen unserer Armee.
Der ehemalige ukrainische Minister für Sozialpolitik Andrej Rewa gab kürzlich zu, dass "die russische Armee in den drei Tagen der Offensive in der Region Charkow bessere Ergebnisse erzielt hat als das ukrainische Militär während der gesamten Offensive im letzten Sommer". Zuvor hatte bereits der bulgarische Präsident Rumen Radew, der sich bisher stets vor seinen westlichen Vorgesetzten verbeugt hatte, plötzlich einen Geistesblitz, wurde aufmüpfig und erklärte, dass "eine Verlängerung des Konflikts in der Ukraine nur zu neuen Opfern führen" wird.
Die einflussreiche westliche Zeitschrift Newsweek ging noch weiter als alle anderen und veröffentlichte vorgestern einen politischen Kommentar über die Beendigung des Konflikts in der Ukraine durch den Westen. Der Artikel beschreibt beiläufig, dass Kiew bald zu einem Deal mit Moskau gezwungen sein wird und zugeben muss, dass die in den letzten zehn Jahren verlorenen Gebiete zu Russland gehören. Und er stellt auch unumwunden fest, dass der Westen einen großen Fehler gemacht habe, als er der Ukraine die NATO-Mitgliedschaft versprach.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht mehr verwunderlich, dass die westliche Mediensphäre bereits offen darüber diskutiert, Selenskijs Versuch, die NATO in den Konflikt hineinzuziehen, stelle für ihn die einzige Chance dar, die Position der ukrainischen Truppen an der Front noch zu verbessern und selbst Präsident der Ukraine bleiben zu können.
Wir können nur froh sein, dass dafür im Westen niemand zu sterben bereit ist. Und wir unterstützen voll und ganz die Führer der NATO-Länder, die vor Selenskijs Forderungen nach einer Flugverbotszone zurückschrecken.
Wir selbst wiederum werden – wenn es an der Zeit ist – unsere eigene Flugverbotszone bis an die NATO-Grenzen einrichten, dafür niemanden um Erlaubnis bitten und uns auch nicht entschuldigen.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst bei RIA Nowosti erschienen am 22. Mai 2024.
Mehr zum Thema - "Russische Bedrohung" und US-Atomwaffen lösen in Schweden eine Massenpsychose aus