Es gibt keinen anderen Ausweg: Die Welt setzt auf Migration

Migrationsdebatten kennt auch Russland und auch dort bergen sie Sprengstoff. RIA-Kolumnistin Wiktoria Nikiforowa plädiert für einen sachlichen und unaufgeregten Umgang mit dem Thema, dass die Gemüter in Russland ebenso erhitzt wie im Rest Europas.

Von Wiktoria Nikiforowa

In der russischen Gesellschaft kursiert heute eine Vielzahl von Ideen zur Ordnung und Legalisierung der Migrationsströme. Zu den radikalen Vorschlägen gehört zum Beispiel die Einführung einer Visaregelung für die zentralasiatischen Länder. In der Regel kochen die Emotionen bei diesem Thema hoch, aber lassen Sie uns versuchen, nüchtern zu überlegen, ob wir das wirklich brauchen.

Erstens sind diese Länder seit Langem eine zuverlässige Drehscheibe für den Re-Export und Re-Import von sanktionierten Gütern aller Art. Ebenso bewegen sich unsere Bürger in beide Richtungen frei über die Grenze. Indem wir uns von Zentralasien abschotten, werden wir selbst den eisernen Vorhang um Russland herunterlassen. Wir haben schon zu Zeiten der Sowjetunion hinter diesem Vorhang gelebt, und wissen, was das bedeutet.

Zweitens arbeiten unsere strategischen Gegner intensiv in dieser Region. Wenn wir sie aufgeben, wird sie sehr bald zu einer offenen militärischen Bedrohung für uns werden. Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist eine weitere "Ukraine".

Drittens, und das ist der wichtigste Punkt, haben wir in unserem Land einen enormen Mangel an Arbeitskräften. Wenn wir uns die Situation vorstellen, dass Millionen von Arbeitsmigranten plötzlich aus Russland verschwunden sind, dann steht unsere Volkswirtschaft, gelinde gesagt, vor ernsthaften Problemen.

Wir können davor nicht die Augen verschließen. Die Überalterung und der Rückgang der Bevölkerung sind eine globale zivilisatorische Herausforderung. Eine neue Statistik, die in Newsweek veröffentlicht wurde, zeigt das Ausmaß des Problems am Beispiel der "asiatischen Tiger" gut auf.

Heute sind China, Südkorea und Japan die wichtigsten Motoren der globalen Entwicklung und des Wirtschaftswachstums. Die Prognosen für ihre Zukunft sind jedoch düster – bei dem Tempo, in dem ihre Bevölkerung altert,cwird von ihrem Wirtschaftswunder schon bald nichts mehr übrig sein. Das Sozialversicherungs- und das Gesindheitssystem werden schlichtweg zusammenbrechen, und die Produktion wird unter Personalmangel leiden – schon jetzt ziehen es viele junge Menschen in China vor, nicht arbeiten zu gehen, sondern ihren älteren Verwandten für ein entsprechendes Gehalt zu helfen.

Die asiatischen Regierungen haben immer wieder versucht, die Geburtenrate zu erhöhen und dafür Hunderte Milliarden Dollar ausgegeben. In Südkorea bietet ein Bauunternehmen seinen Angestellten eine einmalige Zahlung von 75.000 Dollar für ein Neugeborenes an. Die Ergebnisse sind minimal. Südkorea verzeichnet weiterhin rekordverdächtige Geburtenraten. China hat die Politik "Eine Familie, ein Kind" vor acht Jahren aufgehoben, aber chinesische Eltern sind trotzdem nicht bereit, ein zweites Kind zu bekommen.

Die reichen Länder, denen es gelingt, die Fertilität in der Nähe des Reproduktionsniveaus zu halten, tun dies mithilfe von Migranten. Dies ist in Frankreich der Fall, das eine sehr respektable Rate von 1,83 Kindern pro Frau aufweist. Das gilt auch für die Vereinigten Staaten (1,64), die in den letzten Jahren ihr Bevölkerungswachstum durch Millionen von Migranten über die Südgrenze erreichen konnten. Die Lateinamerikaner sind die einzige Minderheit im Lande, bei der die Geburtenrate nicht sinkt, sondern steigt.

Ja, der Reichtum Russlands ist sein Wettbewerbsvorteil, und Menschen aus weniger erfolgreichen Regionen kommen zu uns und werden es auch weiterhin tun. Viele kommen gleich mit ihrem Land – Krimbewohner zum Beispiel oder die Bewohner von Noworossija. Unsere Aufgabe besteht lediglich darin, die Migrationsströme zu regulieren. Russischen Migranten aus allen Teilen der Welt absoluten Vorrang zu geben. Die Erlangung der Staatsbürgerschaft darf nicht zu einer Formalität werden. Die Gesetze in Bezug auf Migranten klar umzusetzen und von ihnen zu verlangen, dass sie dasselbe tun. Es gibt unzählige Beispiele von Ländern, die die Migration in den Dienst ihrer Entwicklung gestellt haben, man denke nur an die VAE.

Die Humanressourcen machen heute wirklich den Unterschied aus. Wenn man sie wegwirft, verurteilt man sein Land zu Stagnation, Niedergang und Armut. Brauchen wir das?

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 20. Mai 2024 auf ria.ru erschienen.

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