Von Rainer Rupp
In Herrn Borells wundersamem "Garten Europa", wo die US-diktierte "regelbasierte Ordnung" herrscht, wird man schnell zur Zielscheibe, wenn man als führender Politiker die Wahrheit sagt, oder seinem Gewissen folgt und die Souveränität des eigenen Landes bzw. die vitalen Interessen des eigenen Volkes verteidigt. Mit Kommentaren dieser Art haben nationale und internationale Freunde und Unterstützer Ficos auf das Attentat gegen ihn reagiert. Der war am Mittwoch, von Schüssen mehrfach getroffen, schwer verletzt in ein Krankenhaus geflogen worden, wo Ärzte stundenlang um sei Leben kämpften.
Ficos Anhänger erklären den Mordversuch damit, dass er die US/NATO/EU-Sanktionen gegen Moskau als nutzlos und schädlich für sein eigenes Land bezeichnet hatte. Dass er ein Veto gegen einen ukrainischen Antrag auf Beitritt zur NATO eingelegt und sich geweigert hatte, die Waffenlieferungen seiner Vorgängerregierung an die Ukraine fortzusetzen. Zugleich hatte er bezüglich des westlichen Narrativs kein Blatt vor den Mund genommen und erklärt:
dass der Krieg in der Ukraine deshalb begonnen habe, weil Neonazis den Donbass terrorisierten;
dass nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Russland versprochen worden sei, die NATO würde keinen Zentimeter nach Osten expandieren;
dass die Mitgliedschaft der Ukraine den Dritten Weltkrieg mit Russland auslösen könnte;
dass er sich den Kräften des globalen Neoliberalismus widersetze, die, wie er sagte, sein Land bedrohten.
Der Fico-Attentäter, der aus der Menge heraus auf sein Opfer geschossen hatte, konnte noch vor Ort festgenommen werden. Mehrere slowakische und internationale Medien berichten, dass es sich bei dem 71-jährigen Mann um Juraj C. gehandelt habe, einen Schriftsteller und Anhänger der neoliberalen, pro-westlichen Oppositionspartei "Progressive Slowakei". Eine offizielle Bestätigung dieser Angaben gibt es zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht. Dennoch werden in sozialen Medien diese bruchstückhaften Angaben bereits in komplexere, wenn auch diametral entgegengesetzte Narrative eingearbeitet:
Der EU/NATO-Propagandist und Unterstützer der Ukraine-Nazis, der Attentäter Juraj C., wollte Fico aus dem Wege räumen, wozu er womöglich mit allerlei Versprechungen angestiftet wurde.
Im Gegensatz dazu wird auf anderen Social-Media-Kanälen das Narrativ verbreitet, dass Juraj C. ein Rechtsextremist mit Kontakten nach Russland sei und der Kreml ihm anscheinend den Auftrag gegeben habe, Fico zu eliminieren, weil der nicht schärfer gegen die NATO vorgegangen sei.
Wie man sieht, sowohl Freunde als auch Feinde von Fico haben den Mordversuch bereits öffentlich mit dessen anti-US/NATO-Politik in Verbindung gebracht. Natürlich kann man in diesem Stadium der Ermittlungen noch nicht sicher sein, wer hinter dem Anschlag steckt. Aber wenn wir auch noch nicht wissen, wer dahintersteckt, wissen wir doch, wer von der Eliminierung Ficos profitiert hätte und wer klammheimlich den Mordversuch zu rechtfertigen sucht.
Zuerst sollten wir und das geopolitische Umfeld anschauen, in dem das Attentat stattgefunden hat. Der Mordanschlag auf Fico ist wahrscheinlich das am meisten beunruhigende Ereignis aus einer Fülle von weiteren ominösen Anzeichen für die Zukunft der EU. Dazu gehört die rasche Verschlechterung des Zustands der Demokratie in den meisten europäischen Ländern, dazu gehört die Umschreibung der Geschichte und die schrittweise Rehabilitation der historischen Rolle der deutschen Nazis und der Faschisten in anderen Ländern Europas.
Zugleich ist da die Absicht mächtiger Kreise im kollektiven Westen, ihre Intervention in der Ukraine zu eskalieren. Wir erinnern uns an die Rechtfertigung der Lieferung von Waffen, die tief in russisches Territorium eindringen können; an Macrons Äußerungen über die Entsendung französischer Truppen in die Ukraine; an die Erklärung des polnischen Außenministers, dass es keine diplomatische Lösung für das ukrainische Problem gebe; und an viele andere provokative Maßnahmen und Erklärungen.
Objektiv ist die aktuelle Politik des kollektiven Westens gegen Russland eine Vorbereitung auf einen Weltkrieg, egal ob das den westlichen Akteuren subjektiv bewusst ist oder nicht. Diese Politik soll die Öffentlichkeit vor allem vor den wachsenden, zunehmend unkontrollierbaren und unheilbaren Problemen im Inneren des kollektiven Westens ablenken. Die erfolgreiche Durchführung einer solchen Politik setzt allerdings die "Säuberung" des Westens von jeglichem "Dissens" auf der politischen Ebene voraus, sowie die gewaltsame Unterdrückung aller Demonstranten auf der Straße. Und zu diesen disziplinarischen Vorbereitungen gehören offenbar auch große Terroranschläge, wie zum Beispiel die Sprengung der Nord-Stream-Pipeline, oder die jüngste Attacke in Moskau, die an die Anschläge der NATO-Untergrundarmee "Gladio" vor 50 Jahren erinnern.
Vor diesem Hintergrund ragen die politischen und wirtschaftlichen Positionen des slowakischen Ministerpräsidenten Fico und seines ungarischen Amtskollegen Orbán wie zwei in die Höhe gestreckten Daumen empor. Die sich über den ideologisch eingeebneten EU/NATO-Tischrand hervorheben, und von denen einer am Mittwoch, dem 15. Mai 2024, abgeschnitten werden sollte.
Eins steht jetzt schon fest: Unabhängig davon, wer die Hand des Attentäters bewaffnet und geführt hat, selbst der gescheiterte Mordversuch wird dazu dienen, jeden internationalen Politiker zu warnen, der sich von Amerika oder der EU distanzieren will. Niemand kann sich in Sicherheit wiegen, denn das Attentat auf Fico war nicht das erste auf einen europäischen Premierminister, der sich US-"Wünschen" widersetzt hat; man denke nur an die bis heute unaufgeklärte Ermordung des schwedischen Premierministers Olof Palme auf offener Straße. Aber es muss nicht immer gleich Mord sein. Erst kürzlich hätte der ungarische Premierminister in der Financial Times über das von dieser Zeitung enthüllte, geheime Vorhaben der EU lesen können, wonach Brüssel plante, die ungarische Wirtschaft zu zerstören, falls Orbán weiter darauf bestehen sollte, sein Veto gegen die EU-"Hilfe" für die Ukraine einzulegen.
Wie schon oben angedeutet, war Fico ein schmerzhafter Dorn im Fleisch der gleichgeschalteten US/NATO/EU-Regierungseliten. Er kritisierte die Politik der slowakischen Vorgängerregierung, Waffen an die Ukraine zu liefern, um dann neue Waffen in Amerika zu bestellen, und die Sozialausgaben zu kürzen, um diese Waffen zu bezahlen. Fico versprach auch, das Verteidigungsabkommen mit den USA einer Überarbeitung zu unterziehen.
Fico bezeichnete den Konflikt in der Ukraine als Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland und forderte die NATO und die EU auf, sofort zu deeskalieren und auf Friedensgespräche zu drängen. Er forderte, dass die Ukraine sowohl von Russland als auch von der NATO Sicherheitsgarantien erhält und zu einer Pufferzone zwischen Ost und West wird. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Fico auch den Irak-Krieg kritisiert und während seiner früheren Amtszeit die slowakischen Truppen aus dem Irak abgezogen hat.
So wurde Fico zu einem der wenigen europäischen Staats- und Regierungschefs, die eine Politik machen, die den Wünschen der Mehrheit der Menschen des Landes entspricht und nicht den Wünschen der transnationalen, neoliberalen Machtzentren, die heute die europäischen Politiker kontrollieren. Zwischen 60 und 70 Prozent der Slowaken befürworten gute Beziehungen zu Russland, während 66 Prozent der Meinung sind, dass die Vereinigten Staaten das Land in einen Konflikt mit Russland treiben.
Wegen seiner vom Konsens des kollektiven Westens abweichenden Politik ist Fico natürlich das "schwarze Schaf" der westlichen "Qualitätsmedien" geworden. Bereits seine Wahl zum Ministerpräsidenten bezeichneten sie (etwa CNN) als ernsthafte geopolitische Bedrohung für die NATO und denunzierten ihn als "Populisten" und "Nationalisten". Tatsächlich ist Fico einer der wenigen erfolgreichen Linkspolitiker für Frieden und soziale Gerechtigkeit in einer Zeit, in der die als "links" firmierenden Parteien in ganz Europa zu Wasserträgern des Neoliberalismus degeneriert sind und zu Recht eine Niederlage nach der anderen einstecken müssen.
Einige westliche "Qualitätsmedien" scheinen Schwierigkeiten zu haben, ihre klammheimliche Freude über den Mordversuch an Fico zu verbergen. So machte heute, am 16. Mai, der Journalist Glenn Greenwald zum Beispiel auf den Beitrag eines populären britischen TV-Kanals aufmerksam:
"Hören Sie sich diesen Bericht von Sky News über die Schüsse auf Robert Fico an. Nicht nur, dass sie es fast rechtfertigen, weil er gegen die Hilfe für die Ukraine ist, sie unterstellen ihm auch beiläufig, dass er vom Kreml bezahlt wird. Diese beiläufige Anschuldigung ist im Westen weit verbreitet und giftig."
In dem betreffenden Sky-Beitrag wird Fico als "sehr pro-russisch" bezeichnet. Es sei daher "nicht überraschend", dass der Anschlag gegen ihn stattgefunden habe.
Westliche Staats- und Regierungschefs sind jedoch bemüht, sich empört über das Attentat zu zeigen und in offiziellen Erklärungen vergießen sie Krokodilstränen:
"Schockiert und entsetzt über das Attentat gegen Premierminister Robert Fico. Ich wünsche ihm Kraft für eine baldige Genesung. Meine Gedanken sind bei Robert Fico, seinen Lieben und dem slowakischen Volk", twitterte etwa NATO-Chef Jens Stoltenberg auf X.
Mehr zum Thema - RT-Moderator: Der größte Teil der Welt kennt das Motiv für das Attentat auf Fico