Von Susan Bonath
Bei Rheinmetall sprudeln die Gewinne so üppig wie nie. Wie kein anderer deutscher Rüstungskonzern profitiert die Waffenschmiede vom Stellvertreterkrieg der Ukraine gegen Russland, den der Westen beharrlich befeuert. Die Produktion von Artillerie- und Panzermunition konnte Rheinmetall verzehnfachen, die Aktienkurse sind explodiert. Der Konzern rechnet mit dem Zuschlag für bis zu 40 Milliarden Euro vom Sondervermögen für die Bundeswehr – finanziert aus Steuergeld, erkauft mit Sozialabbau.
Opfermythen und Angstpropaganda
Ihr Interview mit Rheinmetall-Chef Armin Papperger hat die Süddeutsche Zeitung mit einer euphemistischen Behauptung des Befragten überschrieben: "Wir sind keine Kriegsgewinnler". Das klingt wie trotziges Fußstampfen, während Papperger zugleich über die steigenden Profitflüsse frohlockt.
Papperger drischt seine Parolen so moralinsauer wie realitätsfern: Rheinmetall sei gar kein Gewinner, weil der Konzern nur der Bundesregierung helfe, "unser Land zu beschützen". Er helfe zudem der Ukraine "im Überlebenskampf". Herhalten muss, wieder einmal, die irrationale Erzählung, wonach die russische Armee wohl bis nach Deutschland vorrücken werde, wenn die Ukraine sie nicht stoppe. Hinzu kommt das Märchen von der völlig unschuldigen, ganz grundlos "überfallenen" Ukraine.
Ein Rüstungskonzern als Retter vor dem Bösen, während Milliardenprofite nur Nebensache seien: Die Herrschenden im Westen nutzen derlei absurde Propaganda trefflich, um Kriegsbereitschaft in der Bevölkerung zu schüren. Denn die ist als Kanonenfutter vorgesehen. Das Narrativ vom armen Opfer, das vom ultimativ Bösen bedroht sei, eignete sich dafür schon immer gut, wie die Geschichte lehrt.
Papperger kann das sogar mit einer weiteren, ganz persönlichen Opfererzählung untermauern: Unbekannte, angeblich "Linksextremisten", haben nämlich kürzlich einen Brandsatz in sein Gartenhaus geworfen. So etwas sei, klagt Papperger, in den letzten zehn Jahren "relativ oft" passiert. Auch sei vor seinem Haus schon demonstriert worden. Dabei handele es sich um "Leute, denen nicht gefällt, was wir bei Rheinmetall machen", sagte der Rüstungsboss, als sei eine Antikriegshaltung vollkommen abseitig.
Sprudelnde Profite, florierende Aktienkurse
Sodann brüstet sich der Profiteur als Vertreter der "westlichen Werte": Angeblich habe nicht nur die Politik, sondern auch "die Bevölkerung" in Deutschland "erkannt, dass man diese Industrie zur Sicherung der Demokratie und unserer Freiheit braucht" – okay, ausgenommen wohl die Brandsatzwerfer und Demonstranten, die nach dieser Lesart ohnehin nicht dazugehören. Man müsse schließlich verstehen, so Papperger, dass Rheinmetalls Börsenkurse nur steigen, "weil wir Leistung erbringen".
So lobt er die explodierenden Aufträge: Bei der Artilleriemunition werde der Konzern die Produktion von 70.000 auf 700.000 Schuss bis Jahresende steigern. Langfristig wolle man sogar auf 1,1 Millionen Schuss pro Jahr gehen, blickt er voraus. Auch die Herstellung von Panzermunition habe das Unternehmen fast verzehnfacht auf rund 200.000 Schuss pro Jahr.
Die Aufrüstung der Bundeswehr liegt Papperger ebenso am Herzen. Denn das lässt die Konzernkassen ebenfalls klingeln. Inklusive Sondervermögen und sonstigen Zulagen fließen in diesem Jahr über 80 Milliarden Euro ins deutsche Militär, mehr als doppelt so viel, wie noch vor zehn Jahren. Spekuliert habe sein Konzern darauf, 42 Milliarden Euro aus dem 100-Milliarden-Paket abzugreifen. Er fügt an:
"Sie können davon ausgehen, dass am Ende zwischen 30 und 40 Milliarden aus dem Sondervermögen zu uns kommen: für Flugabwehr, LKW, Munition, unseren Anteil am F35-Programm und vieles mehr."
All das sorgt schon jetzt für florierende Aktienkurse bei Rheinmetall. Von 50 Euro "während der Pandemie" sei die Aktie des Konzerns inzwischen auf einen Wert von 540 Euro in die Höhe geschnellt. Papperger wünscht sich freilich ein "Weiter so". Er klingt enthusiastisch:
"Sie können sich vorstellen, was es ausmacht, wenn man allein in diesem Jahr beim Umsatz um 40 Prozent wächst. Ich kann mir in den nächsten Jahren eine Verdopplung des Marktwertes von Rheinmetall auf 50 Milliarden Euro vorstellen."
"Rüstungsindustrie-Minister" Habeck
Dank des boomenden Geschäfts sei Rheinmetall zudem "heute in der Lage, innerhalb von zwölf Monaten ein neues Werk aus dem Boden zu stampfen", frohlockt der interviewte Konzernchef weiter und stellt dem deutschen Staatsapparat ein Spitzenzeugnis aus: "Viele sagen, die Behörden arbeiten zu langsam – das kann ich nicht bestätigen." Da ist der Kriegsgewinnler wohl eine Ausnahme und das Interesse der deutschen Politik am Kriegsgeschäft scheinbar riesig.
Die Süddeutsche hebt überdies eine Aussage von Minister Robert Habeck (Grüne) besonders hervor. Dieser verkündete nämlich neulich stolz, er sei nicht nur Wirtschafts-, sondern auch "Rüstungsindustrie-Minister". Papperger freut sich über dessen "Handschlagqualität" und zeigt sich zuversichtlich, dass die Regierung für die Aufrüstung der Bundeswehr (und seine Konzernprofite) sorgen werde. Bei den rund zehn Millionen Mindestlöhnern und acht Millionen Armutsrentnern in Deutschland dürfte die Zuversicht auf Fürsorge zurecht weit geringer ausfallen.
Sozialabbau und Mittelstandsruin
Woher das Geld in Rheinmetalls Kassen fließt, interessiert den Konzernchef wenig. Man könne ja "neue Schulden aufnehmen oder Geld aus dem Haushalt umschichten", gab er salopp zu bedenken. Man sieht Papperger vor seinem inneren Auge direkt mit den Achseln zucken: "Wenn Sie mich als Nächstes fragen, was genau da umgeschichtet werden soll, dann sage ich nur: Das Problem muss die Politik lösen."
Als erfahrener Bundesbürger ohne Riesenvermögen darf man vermuten, welche Steuertöpfe wohl wieder umgeschichtet werden. Wenn es läuft, wie zuletzt, muss der Sozialstaat dran glauben. Ob bei der Rente und Krankenversicherung, bei den Kliniken und Pflegeheimen, bei der Jugendhilfe und Schulbildung oder den Hilfen für Arbeitslose: Es geht wohl weiter bergab. Was kümmert es Profiteur Papperger?
Der kriselnde Mittelstand ist auch kein Thema für ihn. Dass die politisch herbeigeführte Energiekrise sowie der sich verschärfende Preiskampf immer mehr Kleinbetriebe in den Ruin treibt, ist für die Giganten nur positiv: Ein wachsender Teil des Gesamtprofits fließt so auf ihre Konten. Die Kleinen schrumpfen, bei den Großen konzentrieren sich die Vermögen – so läuft klassischer Monopolkapitalismus.
NATO-Imperialismus boykottieren
Den Rest des Interviews schwadroniert der Unternehmensboss die üblichen Salven bekannter Propaganda rauf und runter: Die "Zeitenwende" gebiete es den jungen Menschen, "für die Freiheit unseres Landes zu kämpfen". Denn eine "Bedrohungslage" sei bereits da. Er jubelt: "Solange der Krieg anhält, werden wir vor allem für die Ukraine produzieren." Man ahnt, wie groß sein Interesse sein muss, diesen Krieg möglichst lange am Laufen zu halten.
Das Interesse der NATO-Staaten, den Krieg "bis zum letzten Ukrainer" auszufechten, scheint jedenfalls enorm zu sein. Um seine Profitraten und damit seine Dominanz über die globale Wirtschaft zu sichern, geht der wankende westliche Kapitalblock nun in die Vollen: Märkte erobern und Ressourcen aneignen – um jeden Preis. Imperialisten herrschen durch Krieg. Die USA machen es seit langem vor, ihre Vasallen nunmehr mit.
Doch entschieden ist die Sache noch nicht. Letztendlich hängt es an den Bevölkerungen: Werden sich die Massen für die Profite von Konzernbossen wie Armin Papperger in die Schlacht werfen? Noch besteht Hoffnung, dass eine Mehrheit aus der Geschichte gelernt haben könnte. Wenn die Masse den kriegerischen NATO-Imperialismus boykottiert, wird die Schlacht um die Filetstücke für die Mächtigen ausfallen.
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