Von Wladislaw Sankin
Die internationale Nichtregierungsorganisation Amnesty International (AI) hatte im Sommer 2022 im Zentrum eines Skandals gestanden, als sie in einem Artikel die Ukraine für "Gefährdung der Zivilisten" in Wohngebieten kritisiert hatte – RT DE berichtete. Die Kritik hatte in der Ukraine eine Welle der Empörung hervorgerufen, Dutzende ukrainische Mitarbeiter hatten sogar ihre Kündigung bei AI eingereicht. Die Organisation hatte sich für "Verletzung der Gefühle" der Ukrainer entschuldigen müssen, den Vorwurf aber nicht zurückgenommen.
Für die ukrainische Führung ist die Opferrolle lebensnotwendig, ohne sie ist die Akquirierung von Geldmitteln und Waffen im Westen gefährdet. Im Bericht für das Jahr 2023, der am Mittwoch veröffentlicht wurde, gibt es in Bezug auf die Ukraine kaum noch Kritik. Wenn AI etwas zu beanstanden hat, relativiert der Bericht an gleicher Stelle die Keime der Kritik unter Verweis auf außerordentliche Umstände in der Kriegssituation. Russland dagegen wird ganz im Duktus der westlichen Regierungen für so ziemlich alles in der Ukraine beschuldigt.
Im Falle der Verfolgung der kanonischen Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK) ist der Menschenrechtsorganisation sogar die Schuldumkehr gelungen. Der dazugehörige kurze Absatz im AI-Bericht lieferte verständnisvoll die Argumente für das Verbot der Kirche und Strafverfahren gegen die Priester, da sie nach ukrainischer Auffassung im Verdacht stehen, den "russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine" zu unterstützen. Von Hassverbrechen, Brandstiftungen, Prügelattacken gegen Priester und Gläubige sowie feindliche Übernahmen der Kirchen findet sich dagegen kein Wort.
Damit hat die NGO für Menschenrechte eine christliche Kirche mit tausendjähriger Geschichte faktisch für vogelfrei erklärt: Die Zerschlagung des orthodoxen Glaubens in seiner kanonischen, traditionsreichen Form durch Nationalisten wird nicht einmal von Menschenrechtlern beanstandet. Und das, obwohl die kritische Situation der UOK Thema beim UN-Menschenrechtsrat in Genf ist.
Den täglichen Beschuss ziviler Ziele vonseiten der Ukraine erwähnt AI mit keinem einzigen Wort, dieses Verbrechens wird ausschließlich Russland beschuldigt. Die NGO versucht nicht einmal, den Berichten der russischen Seite nachzugehen. Informationen über ukrainische Verbrechen, einschließlich Terror- und Sabotageakte, die von der ukrainischen nicht dementiert oder gar bestätigt werden, sind für die Menschenrechtler nicht existent.
Der Vorwurf, dass Russland im Juni 2023 den Kachowka-Staudamm gesprengt haben soll, macht die von AI angewendete Propaganda-Methodik deutlich. So schrieb die Organisation in ihrem Bericht: "Am 6. Juni 2023 wurde der Kachowka-Damm in der Region Cherson durch eine offenbar gezielte militärische Aktion zerstört, die nach allgemeiner Auffassung von den russischen Streitkräften verübt wurde." Die Zerstörung habe zu einer umfassenden Umweltkatastrophe geführt.
Was diese "allgemeine Auffassung" genau ist und woher sie kommt, haben die Verfasser nicht näher erklärt. Eine Gewissheit, die infolge der Dauerpropaganda und politisch motivierter verzerrter Berichterstattung eingesetzt hat? Diese Option zieht AI natürlich nicht in Betracht, denn Propaganda gibt es für die Gruppe grundsätzlich nur in Russland. Dabei gibt es keine stichhaltigen Beweise dafür, dass Russland den Staudamm gesprengt hat. Das erkennt sogar das westlich finanzierte und im Westen hoch angesehene Nachrichtenportal Medusa an und zieht die Version einer Selbstzerstörung infolge mangelnder Wartung in Betracht. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch eine russische Militäranalyse.
Die russischen Streitkräfte und Zivilbehörden führen, wenn man AI liest, grundsätzlich nur Böses im Schilde: Bei der Überflutung hätten sie (laut proukrainischen und anonymen Quellen) der leidenden Bevölkerung Hilfe verweigert und Informationen zum Ausmaß der Katastrophe unterdrückt. "Zu den Opfern auf der von Russland kontrollierten linken Uferseite gab es keine Angaben", steht dazu im Bericht.
Das ist natürlich eine blanke Lüge, denn in den russischen Medien wurden in regelmäßigen Abständen amtliche Informationen zu Toten und Vermissten der Katastrophe veröffentlicht, so wie beispielsweise am 7. August beim Nachrichtenportal RBK, als 57 Tote gemeldet wurden. Es scheint, dass die AI-Mitarbeiter immer dann Russisch verlernen, wenn es darum geht, die russische Argumentation, die dem herrschenden antirussischen Narrativ zuwiderläuft, zur Kenntnis zu nehmen.
Das gilt auch für den eklatanten Vorwurf der Kinderverschleppung bzw. Deportation. Auf diesem Vorwurf basiert der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin und die Ombudsfrau für Kinderrechte Maria Lwowa-Belowa, was Putin an internationalen Reisen erheblich behindert. Damit ist der Vorwurf die tragende Säule der westlichen Propaganda und dürfte aus diesem Grund von niemanden hinterfragt werden.
Auch AI hinterfragt ihn nicht und gibt nicht einmal das naheliegende Motiv an, dass vor allem Waisenkinder aus der Konfliktzone und damit auch Lebensgefahr nach Russland evakuiert werden könnten. Denn Kinder in Sicherheit zu bringen steht den Russen nicht zu! Dieses Motiv zu erwähnen, würde außerdem die aus AI-Sicht unzulässige Annahme ermöglichen, dass von der Ukraine doch eine Gefahr in Form von Beschuss ausgehen könnte.
Laut Amnesty "deportiert" Russland Kinder mit einem einzigen Ziel – ihrer Indoktrination mit russischen Propaganda-Narrativen, die einfach "falsch" sind. Damit verletzte Russland das Recht der Kinder auf hochwertige Bildung. Den Blick in die ukrainische Kinderliteratur, in der Nazikollaborateure im Zweiten Weltkrieg heroisiert werden, wagt AI natürlich nicht.
Amnesty International hat auch den Gaza-Krieg fest im Blick und prangert den israelischen Bombenkrieg und die humanitäre Blockade gegen die palästinensische Bevölkerung an. Die Vorwürfe gegen Israel, die in einem Extrabericht zusammengefasst sind, wiegen schwer. Doch sie führen nicht zu einer Petition an den israelischen Botschafter mit der Forderung, den Gaza-Krieg zu stoppen, wie es mit der Petition an den russischen Botschafter geschieht, die direkt auf der AI-Website ausgefüllt und verschickt werden kann.
Außerdem erkennt AI in seinen Texten an, dass es auf den israelisch-palästinensischen Konflikt zwei "polarisierende" Sichtweisen gibt. Im Ukraine-Konflikt ist das grundlegend anders. Russische Sichtweisen auf den Konflikt betrachtet die Menschenrechtsorganisation als grundsätzlich falsch und tut sie als "Propaganda" und "Verdrehung der Tatsachen" ab. Die Russen haben also kein Recht auf eigene Sichtweisen und damit, wenn es um Verbrechen der Gegenseite geht, auf Anklage. Damit wird den Russen das Recht verweigert, etwas und jemand zu sein. Denn anklagen kann nur ein Jemand, ein Niemand kann nicht anklagen.
Dieses Absprechen des Existenzrechts lässt sich auch am Beispiel des Vorwurfs der angeblichen Russifizierung der Ukrainer dokumentieren. AI wird nicht müde, in jedem Bericht zu betonen, Russland ziele darauf ab, die ukrainische Identität zu vernichten, was auch aus Sicht der Organisation eine eklatante Verletzung der Menschenrechte ist. Die Frage, was ukrainische Identität überhaupt ist und ob sie konfliktfrei mit der russischen koexistieren könnte, lassen wir jetzt beiseite.
Zwangsukrainisierung der in der Ukraine lebender Russen und Russischsprachigen, Vernichtung der russischen Kultur im Geiste nazistischer Bücherverbrennung, Umschreibung der Geschichte im russlandfeindlichen Sinne – all diese nachweisbaren und von der russischen Seite vielfach angeprangerten Tatsachen lässt AI dagegen unerwähnt, als ob die russische Politik in einem politischen Vakuum und ohne jeglichen Kontext stattfände.
Die Nichterwähnung dieser böswilligen und auf Zerstörung ausgerichteten Politik Kiews bedeutet logischerweise Einverständnis. Damit leistet die Menschenrechtsorganisation, die sich überall als unparteiische und vor allem moralische Instanz aufspielt, einem rassistisch motivierten Vorgehen gegen alles Russische Vorschub.
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