Angesichts seiner Agonie hilft Hysterie dem Westen nicht

Im Bestreben, seine weltweite Dominanz zu verewigen, bringt der angelsächsisch geführte Westen die globale Mehrheit gegen sich auf. Auf die Herausbildung einer multipolaren Welt reagieren die USA und ihre Verbündeten geradezu hysterisch, was die Agonie der überlebten (Un-)Ordnung nur verschärft.

Von Pjotr Akopow

Sergei Lawrow hat ein Talent dafür, das Wesentliche eines Geschehens auf den Punkt zu bringen. Manchmal genügen ihm nur wenige Worte, die dann "bei den Menschen ankommen". Es ist noch nicht bekannt, ob dies bei den Aussagen des Außenministers in seinem Interview mit drei Radiosendern (darunter Sputnik) der Fall sein wird, aber ein Satz daraus verdient besondere Aufmerksamkeit. Und Lawrow hat ihn gleich zu Beginn geäußert, als er auf die Frage antwortete, ob die ständigen Bekundungen des Westens, er werde nicht aufhören, bis Russland eine strategische Niederlage beigebracht wurde, bedeuten, dass der Geruch eines großen Krieges in der Luft liege. Der Minister artikulierte sofort: "Das Schüren des Themas, Russland zu besiegen, und die Betonung der existenziellen Bedeutung dieser Niederlage für die Zukunft des Westens spiegelt weniger eine kriegerische Stimmung als vielmehr Agonie und Hysterie wider."

Lawrow erklärte daraufhin, dass der Westen eigentlich wisse, woher der Wind weht: "In die gleiche Richtung gehen andere Aussagen: 'Wir werden unseren Einfluss verlieren', 'Russland wird die Welt zusammen mit China, Iran, der DVRK [Demokratische Volksrepublik Korea; Nordkorea – Anm. d. Red.] und Syrien neu gestalten'." Dies zeugt nicht von Unsicherheit, sondern ganz im Gegenteil von der Einsicht, dass es sich nicht um einen "Kampf" um den Erhalt der Hegemonie handelt, sondern um die Herausbildung einer neuen multipolaren Weltordnung", wie sie es ohne Zögern nennen.

Für die einen mögen die Worte über die "Agonie und Hysterie" des Westens wie eine Übertreibung erscheinen, für die anderen wie eine gelungene Propagandaaussage, doch in Wirklichkeit stellt Lawrow eine ganz richtige Diagnose. Der Westen ist nicht verrückt geworden, im Gegenteil, man versteht dort sehr gut das Wesen dessen, was geschieht, außerdem ist man immer noch überzeugt von der eigenen Stärke und der Fähigkeit, die eigene Dominanz zu verteidigen, aber gleichzeitig wird man regelmäßig hysterisch vor dem Hintergrund der Agonie.

Die Agonie der bestehenden Weltordnung, die der Westen (nicht mehr geeint wie in den vergangenen Jahrzehnten, sondern vielmehr der angelsächsischen Führung untergeordnet) seit Jahrhunderten aufgebaut hatte, eine Weltordnung, die die Dominanz und Hegemonie der westlichen Zivilisation sicherstellte. Darüber hinaus schien es vielen, dass nur noch wenige Schritte nötig waren, um den Prozess des Aufbaus einer geeinten Menschheit, einer geeinten Welt unter angelsächsischer Führung zu vollenden. Der Prozess der sogenannten Globalisierung sollte dazu führen, dass der Westen einfach keine Rivalen mehr haben konnte, die ihn auch nur potenziell herausfordern könnten, denn die Nationalstaaten würden allmählich aussterben, umhüllt vom Netz der globalen Konzerne. Und gerade in dem Moment, als die "strahlende Zukunft einer geeinten Menschheit" so nahe war, begann alles zu scheitern.

Das Scheitern begann in den späten Nullerjahren – und eine seiner markantesten Erscheinungsformen war die Finanzkrise von 2008. Doch ihre verheerenden Folgen für das Ansehen des Westens in der Welt hätten überwunden werden können, wenn Russland nicht gleichzeitig damit begonnen hätte, "das Wasser zu trüben". Russland, das bereits im Jahr 2007 aus dem Munde Putins erklärte, dass es mit der unipolaren Weltordnung nicht einverstanden sei – und dann begann, seine Rechte und Interessen konsequent zu verteidigen, kehrt zum großen Spiel zurück. Russland wurde praktisch als unbedeutende Macht, als regionaler Akteur abgeschrieben, und plötzlich erhebt es wieder Anspruch auf die Gestaltung der globalen Spielregeln.

Tatsächlich ging es Russland anfangs weniger um die Schaffung einer neuen multipolaren Welt als vielmehr um die Wiederherstellung seines historischen Raumes als großes Russland. Damals, an der Wende der Nuller- und Zehnerjahre, konnte sich der Westen theoretisch noch mit uns einigen, wenn er wollte – indem er unsere Einflusssphäre anerkannte und insbesondere auf seine Ansprüche auf die Ukraine verzichtete. Aber die Angelsachsen haben den Wind der Geschichte nicht wahrgenommen und den Gang der Entwicklung nicht verstanden – es schien ihnen, dass das Problem Russland zutiefst zweitrangig ist, dass es keine Notwendigkeit gibt, ihm irgendetwas zuzugestehen, und dass die Position und die Führung des Westens in der Welt als Ganzes dank der richtigen Neuordnung der Prioritäten und Verbündeten erhalten bleiben wird. Der Westen hat die Zeit und die Gelegenheit verpasst, wenn schon nicht seine Hegemonie zu zementieren, so doch zumindest den Prozess ihres Abbaus zu verlangsamen. Stattdessen haben seine Handlungen nur den Prozess beschleunigt, in dem der Rest der Welt den Beginn der Übergangsperiode, den Beginn der post-westlichen Ära, erkannt hat.

Seitdem hat sich der Prozess der Agonie der atlantischen Vorherrschaft nur beschleunigt, und nach 2022 ist er in eine offene Phase eingetreten. Das bedeutet nicht, dass der Tod (das heißt der Verlust der globalen Hegemonie des Westens) in den kommenden Jahren eintreten wird. Der Prozess kann sich sogar noch ein paar Jahrzehnte hinziehen, aber er ist definitiv unumkehrbar geworden. Von dieser Agonie spricht Sergei Lawrow, nicht nur von der Position des Westens im Kampf um die Ukraine.

Und genau dieses Verständnis von Agonie führt zu Hysterie, denn der Westen selbst hat den Einsatz in Richtung Ukraine erhöht, indem er den Sieg Russlands für absolut inakzeptabel erklärte und die Niederlage der Ukraine mit seiner eigenen gleichsetzte. All diese Erklärungen, wonach das Schicksal der amerikanischen Führungsrolle in der Welt auf dem Spiel stehe, sind nicht nur ein Tribut an die übliche angelsächsische Vorliebe für hochtrabende Erklärungen – sie werden auch zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. Man muss jedoch kein Prophet sein, um die Zukunft der atlantischen Ambitionen vorherzusagen: Sie bröckeln in der Tat, der Westen verliert tatsächlich an Boden, es mangelt ihm ganz grundlegend an Munition (und wir sprechen nicht von der Macht des militärisch-industriellen Komplexes, sondern von den Instrumenten der Kontrolle über die Welt). Natürlich kann man mit Hysterie eine Zeit lang seine Kräfte mobilisieren und sogar den Feind verwirren, aber den Lauf der Geschichte oder den Willen Russlands kann man damit nicht ändern.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 20. April 2024.

Pjotr Akopow ist Kolumnist und Analytiker bei RIA Nowosti.

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