Von Pierre Lévy
In einer Zeit, in der die Palästinenser in Gaza jeden Tag durch Bomben oder durch hervorgerufenen Hunger sterben; in einer Zeit, in der die israelische Regierung nicht davor zurückschreckt, eine iranische Botschaft zu beschießen und damit eine Reaktion aus Teheran provoziert; in einer Zeit, in der die Führung in Jerusalem trotz aller Aufrufe zur Zurückhaltung eine weitere Eskalation ankündigt, die den gesamten Nahen Osten in einen Krieg mit möglichen weltweiten Folgen stürzen könnte, ist es da noch angebracht, sich mit den Präsidentschaftswahlen in der Slowakei zu befassen, deren zweiter Wahlgang am 6. April stattgefunden hat?
In Brüssel, wie auch in Berlin und Paris, lautet die Antwort: Ja. Und die europäischen Führer sowie die ihnen nahestehenden großen Medien sind besorgt. So ist für die französische "Referenzzeitung" Le Monde der Sieg von Peter Pellegrini "keine gute Nachricht, weder für den Zusammenhalt der Europäischen Union noch für die Unterstützung der Ukraine."
Mit über 53 Prozent der Stimmen hat Pellegrini den einstimmig als Brüssel-treuen Kandidaten anerkannten ehemaligen Diplomaten Ivan Korčok (46,9 Prozent) ziemlich deutlich geschlagen. Dieser Sieg war umso deutlicher, weil das mitteleuropäische Land mit 5,5 Millionen Einwohnern generell eine niedrige Wahlbeteiligung aufweist. So hatte die scheidende Präsidentin, die EU-freundliche Zuzana Čaputová, 2019 58 Prozent der Stimmen erhalten, allerdings bei einer Wahlbeteiligung von nur 42 Prozent; in diesem Jahr gingen mehr als 61 Prozent der Wähler zur Urne.
Ivan Korčok wurde als jemand gesehen, der den Kurs womöglich würde bremsen können, den die seit Oktober 2023 amtierende Fico-Regierung eingeschlagen hat. Robert Fico war an die Macht zurückgekehrt, nachdem er von 2006 bis 2010 und von 2012 bis 2018 bereits zweimal Premierminister gewesen war. Im Jahr 2018 musste er – von seinen Gegnern beschuldigt, Verbindungen zum organisierten Verbrechen zu unterhalten – nach großen Demonstrationen, die durch den Mord an einem jungen Journalisten und Gegner Ficos ausgelöst worden waren, zurücktreten.
Damals wurde er in diesem Amt von Herrn Pellegrini abgelöst. Die beiden Männer kommen aus derselben ursprünglich sozialdemokratischen Partei, der SMER-SD, einer Schwesterpartei, die aber bei den Sozialdemokraten in der EU sehr unbeliebt ist, da sie ihr frühere Bündnisse mit einer rechtsnationalistischen Partei vorwerfen. Im Jahr 2020 musste Herr Pellegrini seinerseits die Macht abgeben, nachdem die Wahlen von einer "prowestlichen" Koalition gewonnen worden waren. Daraufhin gründete er eine sozialdemokratische Splitterpartei, die HLAS.
Die beiden konkurrierenden Parteien bildeten jedoch nach den Wahlen im September 2023 erneut eine Koalition, auch mit der nationalistischen Partei SNS. Diese Rückkehr an die Macht ist zu einem großen Teil auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen: Fico führte seine Kampagne mit dem Widerstand gegen Waffenlieferungen an Kiew, ein wichtiges Thema für eine Mehrheit der Slowaken, die nicht mit einem Krieg gegen Russland in Verbindung gebracht werden wollen.
Die Vorrechte des Staatsoberhauptes sind zwar begrenzt, auch wenn er formal der Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und Gesetzgebungsakte ratifiziert (und gegebenenfalls verlangsamen kann). Die Entscheidung der Wähler am 6. April galt jedoch als Test: Würden sie die seit Herbst amtierende Macht stärken, wie Fico es wollte, oder würden sie ihre Wahl von 2023 widerlegen, indem sie ein "Gegengewicht" an die Spitze des Staates brächten?
Die Wahl versprach knapp zu werden, da der implizit von Brüssel unterstützte Kandidat im ersten Wahlgang mit 42,5 Prozent der Stimmen an der Spitze lag, während Pellegrini nur 37 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Die Wähler des dritten Mannes, des Nationalisten Štefan Harabin (11,7%), sowie die Nichtwähler der ersten Runde machten schließlich den Unterschied aus. Nach der Wahl erklärte Peter Pellegrini:
"Ich werde der Präsident sein, der die Regierung in ihren Bemühungen unterstützt, das Leben der Slowaken zu verbessern. Und ich werde alles dafür tun, dass die Slowakei immer auf der Seite des Friedens und nicht des Krieges bleibt."
Mit Blick auf die Ukraine stellte er zudem klar:
"Die politische Szene in der Slowakei ist gespalten in diejenigen, die für die Fortsetzung des Krieges um jeden Preis sind, und diejenigen, die den Beginn von Friedensverhandlungen fordern. Ich gehöre zur letzteren Kategorie."
Eine Bestätigung der wichtigen Rolle, welche die Außenpolitik bei der Wahlentscheidung der Wähler gespielt hat.
Auf der Seite Korčoks befürchtet man nun, dass die Wahl den Prozess des "Zerfalls der liberalen Demokratie" beschleunigen könnte. Ivan Korčok und sein Lager (die meisten EU-freundlichen Parteien unterstützten ihn seit dem ersten Wahlgang) hatten insbesondere erste Maßnahmen der Regierung Fico angeprangert, die darauf abzielten, das Strafgesetzbuch in eine Richtung zu reformieren, die nach Meinung der Kritiker die Korruption erleichtern würde.
Sie befürchten vor allem, dass sich die Slowakei Viktor Orbáns Ungarn in einer traditionell als "populistisch" und "illiberal" bezeichneten Vorgehensweise anschließen könnte. Pellegrini hat diese Ängste keineswegs zerstreut, als er seinen Willen verkündete, "ein Präsident des Volkes zu sein, nicht ein Präsident der Eliten, der Medien, der NGOs und des Auslands."
Die slowakische Spaltung ist auch geografisch und sozial bedingt. Der Wahlsieger gewann mit großem Abstand in sieben der acht Provinzen des Landes, fiel jedoch in der Hauptstadt Bratislava zurück, wo er nur ein Drittel der städtischen Stimmen auf sich vereinen konnte.
Pellegrini erinnerte zudem daran, dass "die Slowakei klar in der Europäischen Union und der NATO verankert ist." Premier Robert Fico wiederum ist nicht frei von Doppelzüngigkeit. Gegenüber seinen Wählern plädierte er für einen Waffenstillstand zwischen Moskau und Kiew und für Friedensgespräche – was für seine Gegner ausreichte, um ihn als "prorussisch" zu verurteilen. Er hatte sogar behauptet, dass der Beitritt der Ukraine zum Atlantischen Bündnis den Beginn eines dritten Weltkriegs markieren würde. Und er stellte die Militärhilfe seines Landes für Kiew rasch ein.
Als Mitglied des Europäischen Rates stimmte er dennoch dem jüngsten Sanktionspaket gegen Moskau zu. Am 11. April traf sich der Regierungschef zudem mit dem ukrainischen Premierminister und behauptete, dass "die Anwendung militärischer Gewalt durch Russland in der Ukraine eine flagrante Verletzung des Völkerrechts" sei. Er erklärte daher, dass die Ukraine Solidarität brauche:
"Wir sind hier, um zu helfen."
Und er stellte sogar klar, dass er dem EU-Beitritt Kiews keine Steine in den Weg legen werde.
Es wird sich also zeigen, wie viel Überzeugung und wie viel Wahlopportunismus in der Haltung der neuen slowakischen Machthaber steckt. Auf jeden Fall ist eine wichtige Tatsache zu beachten, die die derzeitige Stimmung der Mehrheit der Slowaken kennzeichnet: Eine Wahl in diesem Land gewinnt man mit einer Rhetorik, die sich gegen die westliche Kriegstreiberei wendet.
Und genau das ist es wahrscheinlich, was man in Berlin nicht ertragen kann. Norbert Röttgen, einer der Außenpolitiker der CDU-Bundestagsfraktion, reagierte auf die Entscheidung der slowakischen Wähler mit den Worten:
"Wer sich auf die Seite des Aggressors stellt, hat keinen Platz in der EU."
Anton Hofreiter von den Grünen drohte seinerseits, der Slowakei die EU-Gelder zu streichen, wenn die Regierung die Rechtsstaatlichkeit angreife:
"Es ist wichtig, dass die slowakische Regierung ein klares Warnsignal aus Berlin und Brüssel erhält."
Diese Art von Arroganz könnte durchaus ein Zeichen dafür sein, dass man innerhalb der Europäischen Union über die Ansteckungsgefahr besorgt ist, welche jedwede Abweichung von der EU-Linie in sich birgt.
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