Von Wladislaw Sankin
Politischer Terror gehört seit ihren Anfängen zu den wichtigsten Merkmalen der Bandera-Bewegung, die als OUN-B bekannt ist. Praktiziert wurde er nicht nur gegen polnische oder sowjetische Funktionäre in den 1930er Jahren, sondern auch gegen die Abtrünnigen in den eigenen Reihen oder politische Rivalen bei den Flügelkämpfen. Nach den von der OUN-M (Melnyk-Flügel der OUN – Anm. der Red.) zusammengestellten Listen töteten Banderas Schergen allein am Vorabend und zu Beginn des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion mehr als 400 ihrer Mitglieder.
Besonders grausam waren die Mörder gegenüber den sogenannten Kollaborateuren, also denjenigen Ukrainern, die die sowjetische Macht akzeptiert hatten. Ihre Methoden reichten von Sabotageakten bis zum individuellen Terror gegen die Vertreter der Sowjetverwaltung sowie gegen sowjetische "Kollaborateure" in der Bevölkerung.
Laut der offiziellen, lange geheim gehaltenen Statistik forderte dieser Kampf von 1944 bis 1953 insgesamt 30.676 Tote auf sowjetischer Seite. Davon 8.350 Militärangehörige, 3.350 leitende Funktionäre der Kommunistischen Partei und der zivilen Verwaltung, 15.355 Bauern, 676 Arbeiter, 1.931 Angestellte (vor allem Ärzte und Lehrer), 860 Kinder, Alte und Hausfrauen. Viele Historiker gehen aber von noch höheren Zahlen aus. OUN-B wurde in dieser Zeit von den westlichen Geheimdiensten CIA und BND zu einer "Widerstandsbewegung" verklärt und finanziell und organisatorisch unterstützt (Operationen Belladonna und Aerodynamic).
So weit zur Vorgeschichte. Heute greifen die ukrainischen Nationalisten des Kiewer Regimes zu den gleichen Methoden des individuellen Terrors gegen prorussische Verwaltungskräfte und andere Abtrünnige, wenn auch in viel kleinerem Ausmaß. Damit beweisen sie ihre treue Verbundenheit zu ihren faschistischen Vorläufern. Verstärkt wird der Déjà-vu-Effekt mittels der Unterstützung der ukrainischen Spezialdienste durch CIA, MI6 und andere westliche Agenten.
Am Montag hat das ukrainische Nachrichtenportal Slovo i delo ("Wort und Tat") vorläufige "Resultate" des Terrors in den befreiten Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie in den Gebieten Saporoschje und Cherson in einer grafischen Darstellung zusammengefasst. Das Portal gibt an, dass die Morde von den ukrainischen Geheimdiensten SBU oder GUR organisiert und "mithilfe von örtlichen Partisanen" durchgeführt wurden.
Oft werden diese angeblichen "Partisanen" bei der Vorbereitung ihrer Taten von den russischen Sicherheitskräften gefasst. In der Regel sind es einfache Auftragstäter, die sich entweder aus finanzieller Not oder aus Erpressbarkeit für eine Zusammenarbeit mit den Strippenziehern aus den Reihen der Spezialdienste entscheiden. Drohungen mit Repressionen gegen Verwandte in den von Kiew kontrollierten Gebieten sind dabei eines der am besten bewährten Druckmittel.
Das Portal führt jeweils das Datum des Mordes, das Foto des Opfers und seine Tätigkeit oder Funktion in der Verwaltung auf. Es handelt sich durchweg um Ortsansässige, die sich für die Mitarbeit in den neuen russischen Strukturen entschieden – in Lokalverwaltungen, Ministerien, Wahlkommissionen. Darunter sind auch Lehrer oder Fachkräfte für Kinder- und Jugendarbeit.
So wurde am 6. März bei einem Bombenanschlag Elena Iljina (im Verzeichnis fälschlicherweise als Vize-Bürgermeisterin Swetlana Samojlenko angegeben), eine 54-jährige freiwillige Mitarbeiterin der Wahlkommission für die russischen Präsidentschaftswahlen, getötet. Sie arbeitete als Lehrerin in einem Kunstzentrum für Kinder. Es geschah in Melitopol im Gebiet Saporoschje. Zum Zeitpunkt des Mordes weilte in der Stadt eine Besuchergruppe europäischer Antifaschisten, darunter der Chef der Berliner DKP, Stefan Natke – RT DE berichtete.
Der letzte Eintrag galt dem am 1. April bei einem Autobombenanschlag in Starobelsk (Lugansker Volksrepublik) getöteten Waleri Tschajka. Er war 75 Jahre alt und koordinierte die Bildungsarbeit in der Region. Zur "Ukraine-Zeit" war er örtlicher Abgeordneter und Leiter eines Kosaken-Verbandes.
Die Autoren des Artikels und der dazugehörigen Grafik präsentieren ihre Informationen mit sichtbarer Genugtuung. Es ist kein Schatten des Zweifels zu erkennen darüber, dass diese außergerichtlichen Hinrichtungen nichts anderes als Terror und zynische Verbrechen sind. Sie sehen die Ukraine im Recht, die Menschen für ihre Lebensentscheidungen und politischen Überzeugungen heimtückisch zu töten. Oder, wie es in deren Bandera-Sprech heißt, zu "liquidieren". Das ist die typische Haltung des ukrainischen "Übermenschentums", das seit dem Maidan immer mehr um sich greift.
Das Portal listet auch die Art und Weise der Liquidierung auf: Erschießung mit Feuerwaffen, Bombenanschlag, Raketenbeschuss, Autounfall, Erhängen und Erstechen. All diese Arten der Tötung kamen zum Einsatz, wobei die Sprengstoffattentate am beliebtesten waren. Gezählt wurden insgesamt 36 Morde.
Laut dem ehemaligen ukrainischen Politiker Oleg Tsarjow ist die Liste nicht vollständig. Auch er wird als ein mögliches nächstes Ziel auf dem Pranger-Portal erwähnt. Im Oktober wurde auf ihn bereits geschossen. Tsarjow, der als einer der wichtigsten Kronzeugen für die Verbrechen auf dem Kiewer Maidan gilt, hatte Glück und überlebte den Mordversuch – RT DE berichtete. Auf Telegram schrieb er:
"Ich sah mir die Liste an. Die Liste war umfangreich, aber sie enthielt eindeutig nicht alle. Dennoch kannte ich die meisten auf der Liste persönlich. Einige waren enge Freunde von mir. Wie viele haben wir verloren."
Am Ende fügte der Politiker hinzu: "Und warum werden nur unsere beseitigt? Warum antworten wir nicht (mit der gleichen Münze)?". Es war eine rhetorische Frage, denn Tsarjow kennt natürlich die Antwort. Weil Russland kein nazistischer Staat ist, der Zivilisten mit nicht genehmen Ansichten "liquidiert". Das sollte Russland auch aus pragmatischen Gründen nicht tun, denn nur mit Friedensangeboten kann man die Herzen der Menschen gewinnen, aber nicht mit Terror und Angst. In diesem tragischen Bürgerkrieg auf den Territorien, die vor noch nicht allzu langer Zeit Teil Russlands waren, hat Russland Wichtigeres zu tun, als sich an vermeintlichen Überläufern mit Banditen-Methoden zu rächen.
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