Von Viktoria Nikiforowa
Ist es möglich, seine eigenen Bürger zu töten, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, außer arm oder krank zu sein, und trotzdem als aufgeklärter demokratischer Staat zu gelten? Diese Frage haben sich die führenden Länder des Westens wiederholt gestellt. Und es muss gesagt werden, dass ihnen dieses Kunststück sehr oft gelungen ist.
Drei Jahrhunderte lang wurden in England, der Zitadelle der Weltdemokratie, Menschen, auch Kinder, ohne jede Sentimentalität wegen Landstreicherei gehängt – buchstäblich getötet, weil sie "nicht auf den Markt passten". In den USA, Schweden, Dänemark und der Schweiz gab es während des größten Teils des 20. Jahrhunderts groß angelegte staatliche Sterilisationsprogramme für Angehörige der unteren Gesellschaftsschichten – sie wurden gewaltsam der Möglichkeit beraubt, Nachkommen zu zeugen. Hitler hat mit seinen Programmen zur Ausrottung psychisch Kranker und rassisch Minderwertiger von guten Lehrern gelernt.
Während er sich über die "Repression" in Russland und China echauffierte, hat der Westen seine Länder stillschweigend und zielgerichtet von armen, kranken und einfach unglückseligen Bürgern gesäubert. Heute haben sich die alten Methoden der Säuberung selbst kompromittiert. Nun ist ein neues Instrument aufgetaucht: In aufgeklärten und demokratischen Ländern wird die Euthanasie – der freiwillige Tod – aktiv vorangetrieben.
In letzter Zeit sterben jedoch auch in demokratischen Ländern Bürger in so großer Zahl, dass sich die Frage stellt, wie es um die Freiwilligkeit bestellt ist. Kanada steht im Mittelpunkt der Kritik: Dort kann Euthanasie nicht nur von einem Arzt, sondern auch von einer Krankenschwester durchgeführt werden, und die Indikationen für medizinischen Selbstmord sind sehr weit gefasst, bis zu "psychischen Problemen", d. h. gewöhnlichen Depressionen.
Kanada ist weltweit führend bei der Zahl der Menschen, die sich für die Beendigung ihres Lebens entscheiden. Im Jahr 2022 gab es 13.102 solcher Unglücklichen – mehr als vier Prozent aller Todesfälle im Lande. Dort wird das Recht zu sterben als ein wesentliches "Menschenrecht" dargestellt, Euthanasie wird in aufwendigen Werbespots verherrlicht, und die Mode der tödlichen Injektion wird von ganz oben mit Verve befeuert.
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Doch die offiziellen Zahlen sind nur die Spitze des Eisbergs. Laut dem Gesetz sind Ärzte, die die Zustimmung eines Patienten zur Euthanasie eingeholt haben, verpflichtet, dessen Angehörige nicht darüber zu informieren – dies soll angeblich die "Privatsphäre" des Patienten schützen. In Ontario und Quebec ist es den Ärzten untersagt, auf dem Totenschein zu vermerken, dass der Patient Euthanasie erhalten hat. Daher kennen wir die genaue Zahl der Todesopfer nicht. Doch selbst UN-Experten warnen davor, dass das entstehende System in Kanada Menschen mit psychischen Behinderungen in den Selbstmord treiben könnte.
Aber es geht nicht nur um psychische Erkrankungen. Wenn die Angehörigen eines Patienten Nachforschungen anstellen, stellt sich oft heraus, dass die Ursache der meisten "psychischen Probleme" im Geld liegt. Ein Beispiel: Eine Person lebt von einer Invalidenrente, die etwa 800 Dollar beträgt, was zwar für Lebensmittel, aber nicht für die Miete reicht. Noch weniger für eine Krankenhausbehandlung.
Und so erklärt der Arzt dem Patienten, dass ein Tag in der Klinik 1.500 Dollar kostet, und wenn dieser nicht so viel Geld hat, wird er gefragt, ob er "Sterbehilfe in Betracht ziehen" möchte. Interessanterweise gibt es in den Kliniken die Stelle eines "Ethik-Inspektors", der solche unangenehmen Nachrichten überbringt. Eine tragische Ironie, versteht sich.
Euthanasie ist also im Wesentlichen ein Tod aus Verzweiflung. Selbst schwer kranke Menschen würden es in den meisten Fällen vorziehen, Hilfe von Verwandten, Freunden und Ärzten zu erhalten und ihr Leben friedlich zu beenden. Aber sie haben nicht das Geld für diesen Luxus. Wohin also gehen? Sie "wählen das Recht zu sterben". So wie vor hundert Jahren in verarmten japanischen Dörfern alte Menschen sich bereit erklärten, sich von ihren Kindern in den Wald tragen zu lassen, wo sie erfrieren würden – wie es in dem Film "Die Ballade von Narayama" beschrieben wird.
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Kanada hat den Weg der Niederlande noch nicht beschritten. Dort ist Euthanasie seit langem erlaubt, auch für Kinder und Jugendliche. Die Gründe für die Selbsttötung können rein formaler Natur sein. Es handelt sich um eine gesellschaftlich anerkannte und sehr modische Praxis. Aufgrund der niedrigen Preise für Euthanasie kommen Menschen aus ganz Europa in die Niederlande – es ist ein ganzer Zweig des Medizintourismus. Der Strom derer, die das tun wollen, ist unaufhaltsam.
Man könnte sich fragen, warum sollten uns in Russland die Probleme Kanadas und Europas interessieren? Aber dieses Beispiel zeigt deutlich, dass alle Ideen der modernen liberalen Elite dem aus skandinavischen Sagen bekannten Trollgold gleichen. Es glänzt golden, sieht unglaublich fortschrittlich und modern aus, ist mit Schmuckstücken wie "Menschenrechten" und "individueller Freiheit" dekoriert, aber am nächsten Morgen verwandelt es sich in abgefallene Blätter und Unrat.
Das passiert mit buchstäblich all ihren Ideen. Aus dem friedlichen, selbstständigen Rückzug aus dem Leben durch hoffnungslose und schwer leidende Patienten wird eine systematische Vernichtung nicht hoffnungsloser, sondern armer, behinderter und psychisch labiler Menschen. Das Recht auf Zugehörigkeit zu jedem Geschlecht – indem sich Männer kastrieren und Frauen sich die Brüste abschneiden.
Es gab schon so viele Träume über digitale Nomaden – hochintelligente Nomaden, die mit ihren Laptops von Bali nach San Francisco und von dort nach Kapstadt reisen. Wo sind die Nomaden jetzt? Sie streifen über die Müllhalden von Tiflis und Eriwan.
Wie viele Worte hören wir über die Freiheiten und Rechte der Kinder! Aber in Wirklichkeit entpuppt es sich als ein Terror der Jugendämter. In den letzten zwei Jahren wurden ukrainischen Frauen in Europa Hunderte Kinder weggenommen – und keine Beschwerde hat geholfen. Nachbarn berichten, dass ein Kind geweint hat oder nicht genug Spielzeug hat – und schon wird der Mutter das Kind entrissen.
Was können wir über die "grüne Transition" sagen? Zehntausende von alten Menschen in Europa sind der von ihr ausgelösten Energiekrise zum Opfer gefallen und in ihren Wohnungen erfroren.
Daran müssen wir uns erinnern, denn der Westen wird nie aufhören, mit seinen Ideen zu uns zu kommen und zu versuchen, seine Agenda durchzusetzen. Diese Ideen sind sehr gut verpackt – man kann den Blick nicht von ihnen abwenden. Doch im Inneren lauert immer der Tod. Die Ukrainer könnten uns viel darüber erzählen, aber sie sind im Moment nicht in der Stimmung dafür.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 9. April 2024 zuerst auf RIA Nowosti erschienen.
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