Von Em Ell
Das Wort Verfassung meint normativ eine Vorschrift und real einen Zustand. Tatsächlich erleben wir hierzulande Dinge wie das Robert Koch-Institut (RKI) zur Corona-Zeit ("RKI-Protokolle") und die Correctiv-Kampagne mit der politischen Instrumentalisierung von Wissenschaft beziehungsweise Geheimdiensten und Medien. Das hat Methode, auch in anderen real existierenden "Demokratien" des Westens. Pablo Iglesias, 2019 Spitzenkandidat der Partei Podemos, sagte dazu im Fernsehen zur besten Sendezeit vor der spanischen Parlamentswahl:
"Das Problem mit der Korruption ist, dass es sich um eine Regierungsform handelt, die manchmal legal und manchmal illegal ist. Es ist legal, dass ehemalige Minister und ehemalige Präsidenten in Vorständen von Energieunternehmen landen, aber das ist Korruption. Diese Unternehmen kaufen Politiker. Was wir mit den 'Kloaken des Staates' [vergleichbar dem 'Tiefen Staat' im Deutschen – Anm. Em Ell] gesehen haben, sind machtvolle Wirtschaftsinteressen, die Medien benutzen, die mit Geld gekauft werden und falsche Beweise fabrizieren, um eine Regierung zu verhindern, an der Podemos beteiligt ist."
Korruption als Regierungsform, das ist nichts Neues, sondern für alle Demokratien des Westens Essenzielles. Angeblich wusste schon Aristoteles vor über 2.000 Jahren, dass man kaum die Mehrheit der Besitzlosen über das Gemeinwesen und damit das Wohl der Minderheit der Besitzenden entscheiden lassen kann. Also steckt dort, wo Demokratie draufsteht, nur eingeschränkt Demokratie drin. Im antiken Griechenland wie im modernen Westen. Das System ist daher von Anfang an und von Grund auf korrumpiert – durch diejenigen, denen es gehört und die damit und dafür über die nötigen Mittel und Wege verfügen. "Unsere Demokratie" war und ist nicht unsere, sondern die reicher und parasitärer Eliten. Darauf weist unter anderem der Kognitionsforscher Rainer Mausfeld immer wieder hin. Und auf die tatsächlichen Regierungsformen über die Manipulation der Massen – ihrer Wahrnehmungen und Meinungsbildungen – in diesem "Theater der Demokratie".
Die Funktion der Institutionen
Andere wiederum reden hier vom "Versagen der Institutionen". Wie beispielsweise die Politologin Ulrike Guérot im Gespräch mit dem Journalisten Walter van Rossum. Beide bleiben dabei leider zu verklärend und zu oberflächlich, obwohl später grundsätzlich der Gedanke aufkommt, dass die Institutionen – etwa die Wissenschaft – auch zuvor schon "kaputt" waren.
Realistisch betrachtet, und soziologisch gut untersucht, gilt:
Die angeblich unabhängigen und freien Institutionen, wie Medien, Bildung und Wissenschaft, Justiz, Kunst und Kultur sind nicht "kaputt", sondern sie sind als solche Teil der real existierenden Regierungsform. Eines Machtgefüges, das – wie Guérot und van Rossum es dann selbst ansprechen – plutokratisch-oligarchisch organisiert ist.
Diese Institutionen funktionieren – objektiv, in ihren tatsächlichen Wirkungen – als Machtinstrumente dieser Machtinteressen. Ansonsten wären all diese Entwicklungen zum "Kaputten" gar nicht möglich. Dass es vorher "besser" lief, war von oben zugestanden. Das ist etwas völlig anderes als von unten echt demokratisch beziehungsweise republikanisch organisiert. Zugeständnisse können schließlich von dem kassiert werden, der sie macht. Das ist es, was geschieht.
Die Institutionen zu verbrämen, ist zu oberflächlich und Teil des Problems, das sich darin zeigt: Die Wirkung eben dieser Manipulationen von Wahrnehmungen und Meinungsbildungen – in einem "Theater der Institutionen" –, deren Resultat und Mittel solches Verbrämen der Institutionen selbst ist.
Was zunehmend "kaputt" ist, ist der "Glaube an die Institutionen". So, wie es Guérot und van Rossum in ihrem Gespräch erkennen lassen. Zum Glauben an die Institutionen gehört, dass sie tatsächlich in einem ausreichenden Maße so – autonom – funktionieren, wie es von ihnen behauptet wird: dass in der Wissenschaft Wissenschaft betrieben wird, in den Medien Journalismus, in der Justiz Recht etc., dass diese Institutionen autonom sind, frei und unabhängig von Machtinteressen, also unpolitisch. Das war und ist nicht der Fall, beziehungsweise immer nur in einem kontrollierten, begrenzten Ausmaß. Maßgebliche Bereiche dieser Institutionen waren und sind politisch – etwa über die Verfügung der Mittel.
Der Glaube an die Institutionen geht in dem Maße kaputt, in dem dieser begrenzte Umfang ihrer autonomen Funktion – mit echter Wissenschaft, echtem Journalismus etc. – so sehr politisch beeinträchtigt wird, dass es zur Aufrechterhaltung und Vermittlung dieses Glaubens nicht mehr reicht. Dann wird von mehr Unabhängigkeit geredet – wie aktuell angesichts der RKI-Protokolle.
Nicht die Institutionen als solche beziehungsweise als Ganzes sind kaputt. Sondern ihr schon immer nur begrenzter Teil, in dem tatsächlich so gearbeitet wird, wie es von den Institutionen als solche beziehungsweise als Ganzes behauptet wird. Im Ergebnis versagt irgendwann auch das Theater der Institutionen und damit ihre eigentliche Funktion, die Machtausübung durch die Teile der echten Arbeit in Medien, Wissenschaft, Justiz etc. zu legitimieren und zu optimieren. Erst dann sind diese Institutionen wirklich kaputt.
Diese Differenzierung und Unterscheidung ist wesentlich.
Man kann sich immerhin auf dieses Theater der Institutionen mit der Behauptung, dass sie autonom funktionieren sollen, berufen – und man muss es auch. Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass diese Behauptung eine Behauptung ist, die immer auch im Sinne der realen Machtinteressen ist. Denn die Akzeptanz und Wirkung ihrer Machtausübung durch "ihre Institutionen" in "ihrer Demokratie" lebt vom Glauben an diese Behauptung über diese Institutionen – dass sie von politischen, also Machtinteressen frei und unabhängig sind beziehungsweise funktionieren.
Mehr zum Thema – Verfassungsrechtler: Heuchlerische Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen von Politikern und Medien