Von Robert Bridge
Wird Donald Trump, im Falle einer erneuten Präsidentschaft, sich in dem Wunsch zurückhalten, an seinen politischen Feinden Rache zu üben? Oder wird er der Versuchung erliegen, "einen Tag lang Diktator" zu sein und dabei ein Chaos auszulösen?
Vielleicht wäre es die Untertreibung des Jahrhunderts, zu sagen, dass Donald Trump einen gewissen Groll hegt. Nicht nur, dass seine erste Amtszeit als Präsident von den Medienhysterien namens "Russiagate" und "Ukrainegate" überschattet wurde, sondern auch juristische Verwicklungen begleiteten ihn aus dem Amt. Damit ist Trump der erste ehemalige Präsident in der US-amerikanischen Geschichte, der mit staatlichen und bundesstaatlichen Klagen belastet ist. Und sollte er für weitere vier Jahre ins Weiße Haus gewählt werden, sollte es niemanden verwundern, wenn Trump gegen seine Erzfeinde ernsthaft Repressalien in die Wege leitet.
"Wenn ich keine Immunität bekomme, dann bekommt auch der korrupte Joe Biden keine Immunität", empörte sich Trump im vergangenen Januar auf seiner Social-Media-Seite. "Allein mit der Invasion, die über unsere Grenzen stattfindet, und der Kapitulation in Afghanistan, ganz zu schweigen von den Millionen Dollar, die aus dem Ausland in seine Taschen geflossen sind, wäre Joe reif für eine Anklage."
Diese Vendetta-Mentalität ist angesichts von Trumps erklärtem Wunsch, "für einen Tag Diktator" zu sein, noch besorgniserregender. Es ist zwar unklar, welche Art von Verfahren der ehemalige Präsident gegen Biden einzuleiten gedenkt, wir können aber damit rechnen, dass alle verfügbaren Rechtswege ausgelotet werden – Ermittlungen wegen Hochverrats, Amtsmissbrauchs, Korruption, Missbrauchs geheimer Dokumente und einiges mehr.
Während Trump seine offene Rechnung mit dem Biden-Clan begleicht, wird er keine Zeit damit verschwenden, noch einmal auf die Frage einzugehen, die ihn 2016 zur Präsidentschaft gebracht hat: sein Versprechen, die Grenze zu sichern und eine Grenzmauer zu Mexiko zu errichten. Dies wird sich als chaotische Angelegenheit erweisen, weil das US-Militär, das mit den Strafverfolgungsbehörden unter einer Decke steckt, damit beauftragt werden wird, umfassende Razzien durchzuführen, um Millionen von illegalen Ausländern abzuschieben.
Trump hatte während seiner ersten Amtszeit genau diese Idee geäußert, wurde jedoch von Juristen aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen zurückgehalten. Beim nächsten Mal wird er sich jedoch mit Mitarbeitern umgeben, die mit ihm auf einer Linie sind, und die bereits darüber nachdenken, wie eine militarisierte Grenze "völlig legal" errichtet werden könnte.
Trotz heftiger Kritik von Menschenrechtsorganisationen würde eine Regierung Donald Trump auch alle Asylanträge von Menschen aussetzen, die illegal über die Grenze kamen. Und sie würde gleichzeitig das Recht auf Staatsbürgerschaft für Kinder beenden, die auf US-amerikanischem Boden geboren wurden und deren Eltern keinen legalen Aufenthaltsstatus haben. Und darüber hinaus wird wohl auch das als "Städte der Zuflucht" (sanctuary cities) bekannte Konzept, das illegalen Einwanderern die Möglichkeit gibt, sich im ganzen Land niederzulassen, unter enormen Kosten für die Steuerzahler und aufgrund von "Verstößen gegen das Verfassungsrecht" endgültig beendet.
Zur Frage der Kriminalität, die unter der Führung der Regierung von Joe Biden geradezu explodiert ist, verkündete Trump, dass "unsere einst großartigen Städte zu unbewohnbaren, unhygienischen Albträumen geworden sind und Obdachlosen, Drogenabhängigen, Gewalttätern und gefährlich Geistesgestörten ausgeliefert wurden." Trumps Plan zur Bewältigung dieser Krise besteht darin, das Zelten auf städtischem Gebiet zu verbieten und stattdessen Obdachlose in Zeltstädten unterzubringen, die von "Ärzten, Psychiatern, Sozialarbeitern und Spezialisten für die Drogenrehabilitation" überwacht werden. Trump hat zudem argumentiert, das Geld, das die USA durch die "Beendigung der massenhaften, ungebildeten Immigration" einsparen, würde die Kosten für solche Zeltstädte decken.
Im Energiebereich wird Trump die Politik von Joe Biden rückgängig machen, die angeblich darauf abzielt, den Planeten vor dem Klimawandel zu retten – ein Konzept, das in republikanischen Kreisen keinerlei Anklang findet. Trump wird die Solar- und Windprojekte der Demokraten zurückfahren und gleichzeitig seine eigene Vision wieder ins Spiel bringen: Erdöl aus Kanada über die Keystone-XL-Pipeline zu beziehen.
Trump hatte im Jahr 2018 zudem einen Handelskrieg mit China begonnen, und diese rücksichtslose Politik dürfte sich fortsetzen. Als integraler Bestandteil seines Programms "Make America Great Again" (MAGA – zu Deutsch: Amerika wieder groß machen), betrachtet der republikanische Kandidat die asiatische Wirtschaftssupermacht weiterhin als Feind und nicht als robusten Handelspartner – der Handel zwischen den USA und China belief sich im vergangenen Jahr auf Waren und Dienstleistungen im Wert von 758 Milliarden US-Dollar. Trump hat zudem versprochen, aggressive neue Beschränkungen für chinesische Vermögenswerte in den USA einzuführen, US-Bürger und Unternehmen von Investitionen in China auszuschließen und schrittweise ein Importverbot für wichtige Kategorien chinesischer Waren wie Elektronik, Stahl und Pharmazeutika zu verhängen.
Trump hat darüber hinaus eine misstrauische Sicht auf Washingtons Beziehungen zur NATO, insbesondere auf jene Mitglieder des westlichen Militärblocks, die mit ihren Mitgliedsbeiträgen im Rückstand sind. Die Webseite des Präsidentschaftskandidaten enthält eine kryptische Zeile zu diesem Thema, die Brüssel schlaflose Nächte bereiten dürfte:
"Wir müssen den Prozess zu Ende bringen, den wir unter meiner Regierung begonnen haben, nämlich den Zweck und die Mission der NATO grundlegend neu zu bewerten."
Trotz der angespannten Beziehungen zur Allianz sagt Trump, dass er den Ukraine-Konflikt "in vierundzwanzig Stunden" beenden werde, sollte er zum Präsidenten gewählt werden. Und wie würde er diesen Salto hinbekommen? Indem man Kiew von der Geldmaschine trennt, durch die Selenskij und dem militärisch-industriellen Komplex bereits dutzende Milliarden Dollar an US-Steuergeldern beschert wurden. Angesichts der latenten Militanz, die in Washington vorherrscht, könnte die Eindämmung dieser Zerstörungsmaschinerie jedoch die größte Herausforderung für Trump darstellen.
Aus dem Englischen.
Robert Bridge ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Er ist Autor von "Midnight in the American Empire" (Mitternacht im amerikanischen Imperium: Wie Unternehmen und ihre politischen Diener den amerikanischen Traum zerstören). Man kann ihm auf X unter @Robert_Bridge folgen.
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