Von Dagmar Henn
Der Bundesnachrichtendienst (BND), der deutsche Auslandsnachrichtendienst, gönnt sich ein neues Design in der Erwartung, auf diese Weise Nachwuchsprobleme lösen zu können. Das neue Logo ließe sich im Grunde unmittelbar mit "Wir hören sie ab" übersetzen, ein stilisierter Adler auf einem Symbol, das an die WLAN-Anzeige erinnert – durchaus passend angesichts der ausgeprägten technischen Neugier der Behörde bezogen auf den zentralen Frankfurter Netzknoten.
Allzu weit geht die nach Medienberichten mehrere hunderttausend Euro teure Image- und Werbekampagne nicht; Transpersonen werden beispielsweise nicht adressiert. Das mag nicht nur daran liegen, dass BND-Präsident Bruno Kahl, Zögling einer katholischen Privatschule, Jurist, der ausgerechnet über Carl Schmitt promoviert hat und danach zwanzig Jahre lang Zuarbeiter für Wolfgang Schäuble war, nicht ganz kompatibel mit einer Orientierung auf wokes Personal ist; vermutlich auch daran, dass das allerhöchstens hilfreich wäre, um das US-Militär auszuspionieren.
Die Slogans, mit denen "vom Schulabgänger bis zum Hochschulabsolventen Menschen im Alter zwischen 15 und etwa 35" angesprochen werden sollen, sind doppeldeutig, in der Absicht, geheimnisvoll zu wirken; allerdings ist Kenntnis über das tatsächliche Handeln dieser Firma dabei eher schädlich. "Wir suchen Terroristen (m/w/d), finde sie mit uns" ist eben doch, betrachtet man Länder wie Syrien oder tschetschenische Islamisten, ohne jede Selbstironie auch als Stellenanzeige lesbar.
"Wir haben mehr Altersabgänger, als wir junge Leute finden können", erklärte Kahl die Werbekampagne gegenüber den Medien. Wobei das Kernproblem nicht im Design, sondern in der Aufgabe selbst liegen dürfte. Kahl hatte sich – und damit seine Behörde – bereits 2017 klar auf die transatlantische Seite gestellt und erklärt, Russland sei eine Bedrohung; zu einem Zeitpunkt, als zumindest nach außen hin die Minsker Vereinbarungen als Versuch gegolten hatten, die Beziehungen zu Russland aufrechtzuerhalten. Als er 2016 relativ überraschend zum BND-Chef ernannt worden war, war dies in Abstimmung zwischen Angela Merkel und dem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier geschehen, dessen Rolle beim Putsch mehr als zwielichtig gewesen war und der schon am 23.02.2014 das Stichwort "territoriale Integrität" in den Raum geworfen hatte. Und Kahl, der Russisch spricht, muss, im Gegensatz zur Mehrheit etwa der Bundestagsabgeordneten, genau wissen, was sich ab 2014 in der Ukraine ereignet hatte.
Überhaupt dürfte es weltweit keine Behörde geben, die besser weiß, wer in der Ukraine seit dem Putsch an der Macht ist. Schon allein deshalb, weil die weltweite Zentrale der Bandera-Anhänger bis 1992 in der Münchner Zeppelinstraße zu finden gewesen war und der BND seit Mitte der 1950er, als sich CIA und MI6 zurückgezogen hatten, allein für die Betreuung dieser Truppen zuständig gewesen war.
Das Nachwuchsproblem dürfte tatsächlich schwerwiegend sein. Denn nicht nur, dass die Bezahlung im öffentlichen Dienst in vielen Bereichen nicht mithalten kann, dazu kommen noch zusätzliche Belastungen durch die Geheimhaltungsvorschriften. Was sich aber nicht mehr, wie es früher zumindest versucht werden konnte, moralisch durch die Vorstellung kompensieren lässt, etwas für das eigene Land zu tun; das ist spätestens seit Nord Stream vorbei, ein Ereignis, das ein Nachrichtendienst, der sein Pulver wert ist, hätte verhindern müssen.
Mit einem guten Ruf kann der BND auch sonst nicht aufwarten. Die deutsche Auslandsaufklärung, die weltweit ein hohes Ansehen besessen hatte, war jene gewesen, die nicht mehr existiert, die Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR unter der Leitung von Markus Wolf.
Der BND, als ewiger Zweiter übrig geblieben, hat also schlechte Karten bei jenen, die womöglich bereit wären, um ihres Landes willen auf ein besseres Einkommen zu verzichten, wie bei jenen, die dieses Gewerbe technisch lockt. Bei jenen, die der derzeitigen transatlantischen Ideologie nahestehen, sieht es allerdings auch nicht besser aus, weil das entsprechende Umfeld mit Zusatztoiletten und Diversity nicht geboten werden kann. Nachdem zumindest traditionell eines der Einstellungskriterien war, keine nahe Verwandtschaft im Ausland zu haben, fällt auch die Migrationsbevölkerung aus.
Da der BND außerdem noch Mitarbeiter wünscht, die auf keinen Fall verfassungsfeindlich sind, und die Definition von verfassungsfeindlich mittlerweile ausgesprochen eng gefasst und schon bei Kritik an der Klimapolitik oder dem Wunsch nach guten Beziehungen zu Russland aktiviert wird, dürfte für den nicht ganz unwichtigen Bereich der Analyse nur noch angepasstes Personal gesucht werden (und die Tatsache, dass auf der aufgehübschten Website keine Analytiker, sondern Analysten gesucht werden, erzählt auch einiges über den Zustand). Also Menschen, die uneingeschränkt etwa an "die Wissenschaft" glauben. Was im Grunde schon per se für eine Analyse disqualifiziert. Das Ergebnis bleibt damit entsprechend.
Aber immerhin ist dadurch die Kompatibilität mit den US-Partnern gewährleistet, sodass diese es nicht mehr nötig haben, Mitarbeiter des BND zu kaufen, wie das noch 2014 der Fall gewesen war. Bei der gegenwärtigen Haushaltslage der US-Regierung ist es auch nötig, den Zugriff kostenlos zu erhalten.
Aber vor Kahl war das Verhältnis zumindest noch ausgewogen gewesen, immerhin hatte der BND damals noch Hillary Clinton abgehört. Was im Rückblick überaus sinnvoll scheint; das Telefon einer gewissen Victoria Nuland wäre ebenfalls ein vernünftiges Ziel gewesen. Gelegentlich hatte es damals sogar tatsächlich Indizien dafür gegeben, dass innerhalb des BND einige mit der Linie der Bundesregierung nicht einverstanden gewesen waren. So war beispielsweise im Mai 2014 in der Presse lanciert worden, in der Ostukraine seien US-Söldner im Einsatz. Eine Information, die zumindest Sand ins Getriebe der bereits anrollenden Maschinerie geworfen hatte.
Zusammengenommen bedeutet das: Kahls Aufgabe bestand unter anderem darin, den deutschen Nachrichtendienst von jenen zu säubern, die vielleicht in entscheidenden Momenten im deutschen und nicht im US-Interesse agieren würden. Was die gesamte Werbekampagne zu einem Fall für den Bundesrechnungshof macht. Denn wer für die Amis arbeiten will, kann sich auch gleich bei einem der unzähligen Originale bewerben, angefangen mit der bekannten Adresse in Langley, Virginia.
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