Vom Dagmar Henn
Die Geschichte rund um die Correctiv-Erzählung von Potsdam scheint noch lange nicht zu Ende zu sein. Genau genommen, wäre sie unter normalen Umständen längst Thema für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Zuletzt lieferte die Antwort auf eine Frage des AfD-Abgeordneten Leif-Erik Holm einen weiteren Grund dafür.
Fassen wir noch einmal zusammen, was bisher bereits bekannt ist: Correctiv, das sich als "Recherchenetzwerk" verkauft, ein vermeintlich zivilgesellschaftliches Projekt mit einer Mischfinanzierung aus Staatsmitteln und Spenden von Milliardären, veröffentlichte mit lautem Trara im Januar eine Geschichte über ein angebliches Geheimtreffen bei Potsdam, auf dem die Deportation von Millionen Migranten besprochen worden sein soll. Der Text von Correctiv spielte dabei, ebenso wie eine Reihe von Berichten in den Hauptmedien darüber, mit Assoziationen zur Wannseekonferenz. Die Essenz der Geschichte: Politiker der AfD seien aufs Engste verknüpft mit Rechtsextremisten.
Der laute Auftakt wurde auf auffällige Weise beispielsweise von einer passend veröffentlichten Umfrage begleitet, einer szenischen Lesung und von zwei weiteren Kampagnen auf Campact zu einem Verbot der AfD wie zum Entzug der Grundrechte für den AfD-Politiker Björn Höcke. Nachdem die Geschichte mit all ihrer zusätzlichen Dekoration tagelang die Nachrichten dominiert hatte, folgten darauf dutzendweise Demonstrationen, deren einziges Thema "Gegen die AfD" war. In der Folge wurde insbesondere von Deutschlands oberster Demokratiedemonteurin Nancy Faeser, hauptamtlich Innenministerin, noch einmal mit einer Reihe weiterer Gesetzesverschärfungen nachgelegt, die es in Summe ermöglichen, jede Organisierung abseits der offiziellen Linie zu unterbinden und die persönlichen Existenzen von Personen zu vernichten, die sich eine derartige Abweichung zu Schulden kommen lassen. Ohne rechtlich überprüfbares Verfahren, versteht sich.
Seitdem wurde nicht nur bekannt, dass es mehrere Treffen zwischen Vertretern von Correctiv und der Bundesregierung gab, auch die Behauptungen, die der ursprüngliche Text bezüglich des besagten Treffens aufstellte, mussten Stück für Stück zurückgenommen werden. Die vermeintliche Verschwörung wider alle Einwanderer nach Deutschland war gar keine, niemand hatte von Deportation gesprochen, und es war in Reichweite und Bedeutung nicht mehr als ein politischer Salon am rechten Rand. In der früheren Bundesrepublik hätte Correctiv nach diesen Entwicklungen in etwa die Glaubwürdigkeit des Stern nach der Veröffentlichung der angeblichen Hitler-Tagebücher.
Aber dem ist nicht so. Statt dieser Propagandafabrik zumindest sämtliche staatlichen Mittel zu entziehen, wird sie nach wie vor behandelt, als sei sie Lieferant ernstzunehmender Nachrichten, mehr noch, eine Art "Vorkämpfer für Demokratie". Und selbstverständlich wurde zwar die ursprüngliche Erzählung in Formaten wie der Tagesschau in epischer Breite dargestellt, die mehrfachen Korrekturen erlitten aber das Schicksal einer klassischen Gegendarstellung. Die zehn Zentimeter hohe Schlagzeile auf der Titelseite wurde in einem Kästchen von zwei Zentimetern in der Schriftgröße von acht Punkt auf Seite 15 links unten korrigiert.
Der gesamte Vorlauf zu dieser Veröffentlichung lässt eigentlich schon fast vermuten, dass der Termin des besagten Treffens nicht nur langfristig vorher bekannt war ‒ die Begleitmaßnahmen waren derart dicht, dass man sich fast fragen muss, ob nicht der Termin selbst aus den Reihen der Regisseure der Kampagne angesetzt war.
Nachdem das Ministerium Faeser auch angesichts der Demontage des ursprünglichen Textes noch hatte erklären lassen, der "Maßnahmenplan gelte auch unabhängig vom Correctiv-Bericht", und Bundeswirtschaftsminister Habeck weiterhin von "Deportationsfantasien des schlimmsten Ausmaßes" faselt, stellte Holm die schriftliche Frage, ob es denn andere Quellen und Informationen gäbe, die etwas wie "Umsiedelungspläne" belegten.
Die Berliner Zeitung fasste die Antwort zusammen.
"Darin schreibt das Bundesinnenministerium, die Bundesregierung könne seine Frage aufgrund 'entgegenstehender überwiegender Belange des Staatswohls' nicht beantworten. Daraus könnten nämlich 'Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand' des Bundesamts für Verfassungsschutz und 'ggf. die nachrichtendienstlichen Methodiken und Arbeitsweisen ermöglicht werden', wodurch die zukünftige Erkenntnisgewinnung des Nachrichtendienstes Schaden nehmen könne.
Das Bundesinnenministerium sieht sogar die 'wirksame Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden' und damit die 'Interessen der Bundesrepublik Deutschland' in Gefahr, sollte es Informationen über seine Kenntnisse zum Treffen in Potsdam preisgeben. Im Schreiben ist ferner von 'geheimhaltungsbedürftigen Informationen' die Rede. Auf diese könne geschlossen werden, sofern sich die Frage des Abgeordneten 'auf eine bestimmte Veranstaltung mit einem bestimmbaren Teilnehmerkreis sowie einem bestimmbaren Kreis an Personen' beziehe, 'die vorab Kenntnis von einer bestimmten Veranstaltung gehabt haben'."
Diese Antwort ist selbst in dieser unvollständigen Wiedergabe ein Blick in den Abgrund. Denn es geht hier nicht einfach nur um die Frage, ob und wie weit eventuell der Verfassungsschutz in die realen Ereignisse bei Potsdam involviert war, oder ob sich unter den Teilnehmern, wenn nicht gar den Veranstaltern Mitarbeiter zumindest des Bundesamtes befunden hätten (das Brandenburger Landesamt hatte sich öffentlich beschwert, gar nicht informiert worden zu sein); es geht tatsächlich um die Frage, ob eine Verschwörung zwischen Teilen der Bundesregierung, der Sicherheitsbehörden und halb journalistischer, halb geheimdienstlicher Strukturen wie Correctiv einen politischen Skandal inszeniert hat, um die Rechtsordnung der Bundesrepublik gravierend verändern zu können.
Denn die Faeser-Gesetze, die nun wie auf Engelsflügeln durchs Parlament getragen werden, weil die Inszenierung die Überzeugung hervorrief, die arme deutsche Demokratie sei in entsetzlicher Gefahr, sind zutiefst antidemokratisch. Das vor dem Hintergrund einer Gesamtverfassung, die allmählich an die Anfänge des 19. Jahrhunderts und die Göttinger Sieben erinnert, eingebettet in eine auf EU-Ebene durchgesetzte Strategie, die jede Form nicht konzern- oder staatsgebundener Meinungsäußerung erwürgen soll. Man könnte jetzt schon Wetten darüber abschließen, ob das, was mit der Correctiv-Nummer gestartet wurde, nicht tatsächlich ein Putsch war, der darauf abzielte, jede Möglichkeit einer politischen Richtungsänderung dauerhaft zu verhindern.
Wer sich dabei auch nur ansatzweise auf die Argumentation einlässt, es ginge schließlich nur gegen die AfD, verhält sich ähnlich naiv wie jene, die nach dem 28. Februar 1933 meinten, die Verfolgungsmaßnahmen richteten sich ja nur gegen die Kommunisten. Ein Bündel derartiger Maßnahmen meint immer alle, die nicht der Linie folgen.
Übrigens ist die Beteiligung der Firma Greenpeace zusätzlich ein Faktor, der stutzig macht. Immerhin ist Greenpeace über Jahrzehnte hinweg eines der mächtigsten Instrumente zur Durchsetzung der US-Interessen in Deutschland. Es könnten in diesem Putschversuch also noch ganz andere Akteure eine Rolle spielen.
Auf jeden Fall gilt für diese Antwort das Gleiche, was in anderen derartigen Fällen gilt. Gäbe es da nichts zu sehen, hätte sich die Antwort auf ein schlichtes "Nein, da gibt es keine weiteren Quellen" beschränkt. Natürlich muss man berücksichtigen, dass die beteiligten Ministerien, also vor allem das Haus Faeser, ziemlich nackt dastünden, wenn die Correctiv-Mär als einzige Quelle bestätigt würde. Aber tatsächlich geht es, selbst wenn man Nebelgranaten zünden will, durchaus eine Nummer kleiner. Denn es heißt auch noch, eine "Auskunft nach Maßgabe der Geheimschutzordnung und damit einhergehende Einsichtnahme über die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages" scheide aus. Und dann heißt es noch, "die erbetenen Informationen betreffen gerade auch Akteure aus dem parlamentarischen Raum".
Kann natürlich sein, man will die Gelegenheit nutzen und die AfD-Fraktion jetzt eine Runde lang mit der Suche nach Spitzeln beschäftigen. Aber auf der Gesamtskala der möglichen Reaktionen ist eine Verweigerung einer Auskunft nach Geheimschutzordnung das absolute Maximum. Schließlich hieße eine derartige Antwort noch immer, dass nur der fragende Abgeordnete die Antwort einsehen darf, ohne sich davon Aufzeichnungen machen zu dürfen und ohne außerhalb des Geheimschutzraums überhaupt über das sprechen zu dürfen, was er dort gesehen hat.
Sicher, es könnte dabei immer noch um eine Quelle innerhalb der AfD gehen, die so bedeutend ist, dass man sie auf gar keinen Fall riskieren will. Aber wenn man die sonstigen Umstände der Geschichte betrachtet, liegt das wahre Problem vermutlich woanders. Wenn das Fragerecht des Abgeordneten "aus Staatswohlgründen gegenüber den Geheimhaltungsinteressen der Bundesregierung zurückstehen" muss, legt es weit eher nahe, dass eine Antwort auf diese Frage hätte erkennen lassen, wie weit die Verschwörung reicht, die hinter der Correctiv-Veröffentlichung steht.
Holm schließt aus der Antwort, dass der Verfassungsschutz "im Vorfeld von dem Potsdamer Treffen informiert war und dieses observiert" habe. Dafür habe es, so dazu die Berliner Zeitung, jedoch tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten gebraucht, von denen nicht einmal mehr Correctiv rede. Des Weiteren fragt sich Holm, ob nicht der Verfassungsschutz "seine Informationen möglicherweise dem Correctiv-Netzwerk zur Verfügung gestellt" habe.
Auch ein Teilnehmer des Potsdamer Treffens, Ulrich Vosgerau, ein Staatsrechtler, der bereits erfolgreich gegen die Behauptungen von Correctiv juristisch vorgegangen ist, meinte, Correctiv sei von der Regierung "bezahlt", möglicherweise auch "vom Verfassungsschutz informiert, instruiert und eingewiesen" worden.
Im Kontext all dessen, was mit eben dieser Correctiv-Erzählung eingeleitet wurde, bleiben diese Schlussfolgerungen aber geradezu naiv, weil sie die Qualität der übrigen Ereignisse nicht mit einbeziehen. Alle Faktoren rund um diese Erzählung, eingeschlossen die auf die Veröffentlichung folgenden Großdemonstrationen, die üblicherweise einen Vorlauf von mehreren Wochen benötigen, alleine, weil man die erforderlichen Lautsprecheranlagen nicht an der nächsten Straßenecke mieten kann, deuten darauf hin, dass der ganze Correctiv-Skandal nur der Ankerpunkt war, um den sich etwas weit Größeres sammelte. Man mag es Holm als AfD-Abgeordnetem und Vosgerau als persönlich Betroffenem nachsehen, die Perspektive auf die politische Gesamtentwicklung aus dem Blick zu verlieren.
Aber wie bitte soll man es bewerten, wenn mit einem Vorlauf, der – das legen die beiden Campact-Initiativen nahe – bereits im November 2023 gestartet hat, in enger Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden, Teilen der Bundesregierung, Correctiv, Greenpeace und dem Bundesamt für Verfassungsschutz mit gewaltigem medialem Aufwand eine Stimmung geschaffen wird, die dazu dient, Kernelemente demokratischer Verfasstheit abzuschaffen? Sicher, es hat auch eine erheiternde Seite, dass sich die deutsche Öffentlichkeit einen Rollatorputsch als staatsgefährdend auf die Nase binden, bei einem schwerwiegenden Angriff auf die Verfassung von oben aber von banalem "Gegen Rechts"-Gesäusel besoffen machen und ablenken lässt.
Der Grund, warum die simplen Fragen des Abgeordneten Holm auf keine, wirklich keine Art und Weise beantwortet werden können, ist, dass die Regierung der Bundesrepublik Deutschland auf zutiefst rechtswidrige Art und Weise und in der Absicht, die verfassungsmäßigen Rechte der deutschen Bevölkerung dauerhaft mindestens zu beeinträchtigen, wenn nicht abzuschaffen, unter Zuhilfenahme zwielichtiger Strukturen wie Correctiv eine Staatskrise fingiert hat. Nicht, dass die Weste dieser Regierung davor blütenweiß gewesen wäre, immerhin ist da noch der Verrat mit Nord Stream, aber hier geht es wirklich um kriminelles Handeln auf höchster Ebene. Ein Akt, der im Grunde jegliche Legitimität, sofern zu diesem Zeitpunkt noch vorhanden, zerfallen lassen müsste wie Dracula im Sonnenlicht.
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