Von Gert Ewen Ungar
Wenn ich keine belegbaren Fakten habe, die zu meinen Forderungen passen, dann erfinde ich einfach welche, scheint das Motto von Spiegel-Kolumnist René Pfister zu sein. Seine Forderung: Scholz muss weg.
Die nach Spiegel-Manier frei erfundenen Fakten dazu: Putin plant einen Angriff auf Länder der EU und zudem den Einsatz von Atomwaffen. Um das zu verhindern, braucht es die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine, die deutsche Atombombe, eine enge deutsch-französische Kooperation zur Militarisierung der EU und schon ist die Welt des deutschen Militarismus wieder in Ordnung. Scholz steht dem im Weg, denn er will weder Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern, noch strebt er danach, dass Deutschland Nuklearmacht wird, und mit Macron kann er nicht. Daher weg mit dem Mann.
Das winzige Detail, dass Deutschland im Zwei-plus-vier-Vertrag zugesagt hat, dass von Deutschland nur Frieden ausgeht und es auf atomare Bewaffnung verzichtet, übergeht Pfister. Er kennt es entweder nicht, was schlimm wäre, oder der Bruch der vertraglichen Grundlage der deutschen Einheit ist ihm egal. Ebenfalls übel.
Pfister biegt sich die Fakten einfach zurecht und begründet damit seinen kurzsichtigen Plan, der nicht zu einem Sieg über Russland, sondern zum Untergang Europas führen wird, sollte Pfisters künftiger Wunschkanzler sich an seine Umsetzung machen.
Putin hat zwar wiederholt erklärt, dass Russland nicht die Absicht habe, ein europäisches Land anzugreifen, Pfister behauptet es aber trotzdem. Was Putin sagt, zählt nicht. Erstens ist er nach Pfisters Auffassung ein Diktator und zweitens kommen aus Russland laut gleichgeschaltetem Russland-Narrativ nur Desinformationen und Fakes. Daher kann man Originaltöne russischer Politiker einfach übergehen und muss das sogar tun, wenn sie nicht ins heimische Narrativ passen. Auslassungen und die Verbreitung von Desinformation gehören in Deutschland längst wieder zum grundlegenden Handwerkszeug für die Journalisten in den großen deutschen Medienhäusern inklusive den GEZ-finanzierten.
Moskau ist sich der Absicht des Westens bewusst, Russlands Wirtschaft und seine Staatlichkeit zu zerstören. Im Falle einer echten existenziellen Bedrohung kämen nach russischer Militärdoktrin Atomwaffen zum Einsatz. Soweit ist es derzeit noch nicht. Weil aber die Umstände, unter denen Russland zu Atomwaffen greifen würde, bislang nicht gegeben sind, müssen sie in der Logik von Pfister und zahlreicher deutscher Politiker unbedingt geschaffen und bis dorthin eskaliert werden. Dem politisch-medialen Komplex in Deutschland wohnt erneut eine Todessehnsucht inne.
Was auf gar keinen Fall geht, ist, den Grund für den Konflikt zu eliminieren. Man darf ihn im deutschen Mainstream inzwischen nicht mal erwähnen. Der Grund ist die Ausdehnung der NATO und der Verstoß gegen das Prinzip der kollektiven Sicherheit, wie es völkerrechtlich verankert ist. Gäbe man das Vorhaben auf, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, wäre der Krieg vorbei. Aber Russland hätte dann irgendwie auch gewonnen, denn Putin hätte sein Kriegsziel erreicht und die russischen Sicherheitsinteressen durchgesetzt. Das darf nicht sein. Russland hat sich dem Westen und seinem Diktat unterzuordnen. Daher eskaliert man immer weiter. Putin ist für Pfister selbstverständlich ein Diktator. Auch rhetorische Abrüstung gegenüber Russland geht gar nicht.
Was für einen Unsinn Pfister zusammenschreibselt, wird an einer Stelle besonders deutlich. 59 Prozent der Deutschen sind laut einer aktuellen Umfrage gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine und zählen damit für Pfister zum "politischen Rand".
"Scholz mag glauben, mit einem Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern Stimmen an den politischen Rändern einsammeln zu können", schreibt er und macht damit deutlich, dass er nicht nur mit den Fakten, sondern auch mit der Algebra auf Kriegsfuß steht.
Man muss schon jeden Kontakt zur Realität und jede geistige Bodenhaftung verloren haben, um knapp 60 Prozent der Wähler dem rechten und linken politischen Rand zuzurechnen. Es sagt viel über den Zustand der deutschen Medien aus, dass es ein derartig wirrer, und in seiner politischen Naivität gefährlicher Kommentar überhaupt in ein für Deutschland maßgebliches Nachrichtenmagazin geschafft hat. Trotz unglaublicher Einfältigkeit und auch mangelnder Sachkenntnis glaubt man beim Spiegel, die Deutschen zum Krieg drängen zu müssen.
Was Pfister verfasst hat, ist jedoch zweifellos ein Zeitdokument. Eines, das belegt, wie deutsche Medien im Jahr 2024 gegen den Willen der Mehrheit der Deutschen den Krieg herbeigeschrieben haben. Der deutsche Journalismus wird auch dieses Mal nicht anders in die Geschichte eingehen als nach 1918 und 1945. Er agiert in Deutschland erneut als kriegstreiberische Kraft. Die Anständigen sollten seinen Konsum sofort einstellen.
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