Von Finian Cunningham
Präsident Wladimir Putin machte kürzlich in einem Interview mit russischen Medien ein interessantes Eingeständnis. Er bedauerte, in dem ukrainischen Bürgerkrieg nicht früher interveniert zu haben. Insgesamt zeigte sich Russlands Präsident hinsichtlich der Aussichten auf einen Sieg in der Ukraine im von den USA und der NATO geführten Stellvertreterkrieg gegen sein Land zuversichtlich. Diese Aussage kommt kurz vor dem zweiten Jahrestag der militärischen Spezialoperation, die am 24. Februar 2022 begonnen hatte.
Sogar westliche Medien geben inzwischen zu, wovon unabhängige Analysten bereits seit Längerem sprechen: dass das Kiewer Regime nämlich vor einer Niederlage gegen die überlegenen russischen Streitkräfte steht. Die Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Awdejewka am vergangenen Wochenende durch russische Streitkräfte deutet auf seinen baldigen Zusammenbruch hin.
Russland kontrolliert inzwischen etwa 20 Prozent des Territoriums der ehemaligen Ukraine. Darin enthalten sind die Donbass-Region im Osten und die Krim samt des Taurus genannten Landstriches im Süden, die nun integrale Bestandteile der Russischen Föderation sind. Dennoch räumte der russische Präsident in dem oben erwähnten Interview ein, dass er dem russischen Militär früher hätte befehlen sollen, sich dem ukrainischen Regime entgegenzustellen. Die russische Nachrichtenagentur TASS zitiert Putin mit den Worten:
"Das Einzige, was wir bedauern können, ist, dass wir nicht früher mit unserem aktiven Handeln begonnen haben, weil wir glaubten, es mit anständigen Menschen zu tun zu haben."
Mit Letzteren meinte Putin, wie in früheren Interviews ausführlich dargestellt, die "Vermittler" aus dem Westen, insbesondere die frühere deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und den damaligen Präsidenten Frankreichs, François Hollande, die fast acht Jahre lang vorgaben, sich für die Umsetzung der Minsker Verträge einzusetzen und später freimütig einräumten, dass dies nur eine Verzögerungstaktik war, um die ukrainische Armee erstarken zu lassen. Und auch dieses Mal ging er explizit darauf ein:
"Später stellte sich heraus, dass wir in dieser Hinsicht getäuscht wurden, weil sowohl die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, als auch der ehemalige Präsident Frankreichs, François Hollande, in aller Öffentlichkeit offen zugaben, dass sie nie vorhatten, die Vereinbarungen zu erfüllen. Stattdessen kauften sie sich damit Zeit, um dem Kiewer Regime mehr Waffen zu liefern und ihm Zeit zu geben, seine Streitkräfte auszubilden, und genau das taten sie."
Putin machte keine Angaben dazu, um wie viel früher Russland seine Militäroperation hätte lancieren sollen, um das ethnisch russische Volk der ehemaligen Ostukraine zu verteidigen und das von der NATO unterstützte Kiewer Regime zu entnazifizieren. Er bezog sich auf die beiden Minsker Abkommen, die 2014 und 2015 unter der Vermittlung von Deutschland, Frankreich und Russland ausgehandelt wurden.
Anfang Mai 2014 schrieb ich einen Artikel mit der Überschrift: "Putin sollte Truppen in die Ukraine schicken". Damals klang es wie eine leichtsinnige Forderung, doch die späteren Ereignisse haben meine damalige Argumentation bestätigt.
Der Artikel wurde erstmals um den 4. Mai 2014 auf der Webseite des iranischen Nachrichtensenders Press TV veröffentlicht, für den ich damals regelmäßig eine Kolumne schrieb – bis Sanktionen der USA gegen Iran meine Arbeit dort zunichtemachten. Der Link zu meinem ursprünglichen Meinungsbeitrag bei Press TV scheint gelöscht worden zu sein. Glücklicherweise wurde er damals von anderen Blogs aufgegriffen und erneut veröffentlicht, darunter auch vom Blog von Paul Craig Roberts. Roberts ist ein hoch angesehener amerikanischer Schriftsteller und informierter Kommentator, der während der Amtszeit von US-Präsident Ronald Reagan als stellvertretender Finanzminister diente.
Meine Kolumne bezog sich auf das Massaker in Odessa vom 2. Mai 2014, bei dem mehr als 40 Zivilisten ermordet wurden. Sie protestierten gegen das von der NATO unterstützte Neonazi-Regime, das zuvor im Februar 2014 in Kiew nach einem von der CIA geförderten Putsch gegen einen gewählten prorussischen Präsidenten die Macht übernommen hatte. Die antifaschistischen Demonstranten suchten im Gebäude des Gewerkschaftshauses der Stadt Zuflucht, das anschließend von Anhängern des Kiewer Regimes in Brand gesteckt wurde.
Mein Meinungsbeitrag hob auch hervor, dass der damalige CIA-Chef John Brennan Kiew einen Monat zuvor, im April 2014, sowie zwei Monate nach dem Putsch, der das derzeitige Neonazi-Regime an die Macht brachte, besucht hatte. Die CIA leitete nach dem Putsch die sogenannte "Anti-Terror-Operation" des Kiewer Regimes. Die von der NATO bewaffneten und ausgebildeten neonazistischen Paramilitärs des Regimes begannen, das ethnisch russische Volk im Donbass gewaltsam anzugreifen, das sich gegen die illegale Machtergreifung in Kiew stellte. Der darauffolgende von der NATO angeheizte Bürgerkrieg kostete rund 14.000 Menschen das Leben und führte zu über einer Million Vertriebenen.
Der Bürgerkrieg und die Aggression gegen die Donbass-Bevölkerung über den Zeitraum von acht Jahren – von 2014 bis 2022 – gaben schließlich den Ausschlag dafür, dass Putin vor zwei Jahren den russischen Truppen den Befehl gab einzugreifen.
Natürlich verzerren die westlichen Regierungen und Medien die Geschichte, indem sie Putin und Russland verunglimpfen, weil die russischen Streitkräfte angeblich unprovoziert in die Ukraine "einmarschiert" seien, die Souveränität dieses Landes verletzt und den Rest Europas bedroht hätten.
Wie das russische Staatsoberhaupt in seinem Interview feststellte, lag der Hauptgrund für die Verzögerung einer militärischen Intervention darin, dass Moskau von Deutschland, Frankreich und dem Rest der NATO getäuscht wurde. Die russische Führung stand fest im Glauben, dass es die Westmächte mit ihrem erklärten Engagement für eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts, im Rahmen der Minsker Vereinbarungen, ernst meinten.
Hier ist ein Ausschnitt aus einem Artikel, den ich noch vor Inkrafttreten des ersten Minsker Abkommens geschrieben habe:
"Die gegenwärtige Situation in der Ukraine, im Mai 2014, ähnelt der vorherigen verdeckten US-geführten Operation in Südossetien im Jahr 2008, als von der NATO unterstützte georgische Truppen dieses kleine Land, einen russischen Verbündeten, in der Nacht zum 08.08.2008 ohne Vorwarnung angriffen. Russland handelte damals rasch und entschlossen, entsandte seine Truppen, vereitelte damit die Verschwörung der NATO und Washington musste einen Rückzieher machen. Jetzt ist Washington in der Ukraine wieder am Werk: mit Subversion, Lügen, Tötungen und Bedrohungen. Aber es ist ein feiger Bluff, den Putin sofort zurückweisen sollte. Die Realität ist viel zu ernst, um diese zynischen westlichen Spiele stattfinden zu lassen. Das Leben der Menschen in der Ukraine ist durch die faschistischen Paramilitärs und Polit-Gangster, die Washington in Kiew installiert hat und die jetzt mit aller Kraft ihre Arbeit beginnen, in großer Gefahr. Die blutigen Ereignisse am vergangenen Wochenende in Odessa sind ein tragischer Beweis dafür, wie groß die Bedrohung ist."
In diesem Artikel forderte ich Präsident Putin auf, Truppen in die Ukraine zu entsenden, um eine größere Eskalation des sich anbahnenden Bürgerkriegs zu verhindern. Zudem argumentierte ich, dass die NATO – wenn sie nicht unter Kontrolle gebracht wird – die Gewalt und Bedrohung gegenüber Russland verstärken wird.
Zum Zeitpunkt des Schreibens des genannten Artikels belief sich die Zahl der durch die von der NATO unterstützten Faschisten in der Ukraine verursachten Todesfälle auf etwa 100. Nachdem die Aggression zwischen 2014 und 2022 immer weiter eskaliert ist, stieg die Zahl der Todesopfer auf 14.000. In den zwei Jahren der russischen Sonderoperation in der Ukraine kamen mindestens noch 500.000 ukrainische Soldaten und eine noch unbekannte Zahl russischer Soldaten hinzu. Zahlreiche russische Zivilisten wurden auch durch NATO-Raketen mit großer Reichweite getötet, die das Kiewer Regime in Richtung der Grenzregion von Belgorod abfeuerte. Darüber hinaus ist die NATO als direkter Gegner Russlands immer tiefer in den Stellvertreterkrieg verwickelt.
Der Konflikt hätte möglicherweise eingedämmt werden können, wenn Russland viel früher gehandelt hätte, um seine Interessen zu verteidigen. Präsident Putin selbst hat nun sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, nicht früher eingeschritten zu sein. Ich gehe nicht davon aus, dass Präsident Putin meinen vor fast zehn Jahren veröffentlichten Originalartikel gelesen hat. Aber wenn er die Initiative ergriffen hätte, hätte Putin einen Großteil der Zerstörung und der Todesopfer, die darauf folgten, abwenden können, anstatt die Konfrontation mit den NATO-Streitkräften hinauszuzögern, bevor diese sich als Bedrohung für Russland in der Ukraine hätten festkrallen können.
Im Nachhinein betrachtet ist das Ganze eine tragische Sache. Die Warnzeichen waren bereits 2014 deutlich erkennbar. Russland hätte früher eingreifen müssen, wie Präsident Putin jetzt einräumt. Russland wird die von den USA geführte NATO-Achse in seinem Stellvertreterkrieg in der Ukraine besiegen. Aber bis zu diesem Sieg wird es länger gedauert haben und er wird blutiger gewesen sein, als wenn Putin früher gehandelt hätte.
Auf jeden Fall kann man aus all dem zumindest eine konstruktive Lehre ziehen: Den Vereinigten Staaten und ihren NATO-Lakaien darf man niemals trauen. Niemals. Russland muss stets entschlossen handeln, um seine Interessen zu wahren, und die Beziehungen zu den Westmächten auf der Grundlage führen, dass diese von Natur aus verräterisch und unzuverlässig sind und böswillige Absichten hegen.
Erstveröffentlichung in englischer Sprache bei Strategic Culture Foundation.
Finian Cunningham ist ein preisgekrönter Journalist. Mehr als 25 Jahre arbeitete er als Redakteur und Autor unter anderem für Zeitungen wie Mirror, Independent, Irish Times und Irish Independent.
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