Von Tatjana Montjan
Auch in Deutschland fragt man sich, warum die meisten ukrainischen Flüchtlinge im Land nicht arbeiten wollen und lieber von den Sozialleistungen leben. Nach einer Untersuchung haben nur 25 Prozent der Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland bislang – fast zwei Jahre nach der großen Fluchtwelle – eine Erwerbstätigkeit aufgenommen.
Das ist umso erstaunlicher, weil etwa im benachbarten Dänemark der Anteil ukrainischer Flüchtlinge, die für ihren eigenen Lebensunterhalt auch selbst sorgen, bei 78 Prozent liegt. In der Tschechischen Republik arbeiten 66 Prozent der Ukrainer, in Polen sind es 65 Prozent, in Schweden und Großbritannien jeweils 56 Prozent. Und selbst in den liberalen Niederlanden arbeitet immer noch jeder Zweite der Geflüchteten. Es ist also gewiss nicht eine Frage der Faulheit, und einige beginnen sicherlich, etwas zu ahnen.
Die Sache ist die, dass es jemandem in Deutschland wirtschaftlich kaum einen Vorteil bringt, sich für Jobs mit gering qualifizierter Tätigkeit zu entscheiden oder für die nur eine rudimentäre Qualifikation erforderlich ist. Der mit solcher Arbeit erzielbare Lohn wird kaum die Summe diverser Sozialleistungen übersteigen, auf die Flüchtlinge in Deutschland einen Anspruch haben. Wozu also für praktisch dasselbe elende Dasein jeden Tag hart arbeiten, wenn man es auch ohne Anstrengung haben kann?
Hinzu kommt, dass ein ausgebildeter und erfahrener Arbeiter aus einem anderen Land wegen der geltenden deutschen Gesetze gar nicht ohne weiteres in seinem Beruf arbeiten kann. Ein ukrainischer Elektriker kann nicht einfach so Elektriker, ein Klempner nicht einfach so Klempner und ein Maurer nicht einfach so Maurer werden. Im besten Fall dauert es mindestens ein Jahr, bis der Unglückselige seine berufliche Qualifikation auch nachgewiesen hat, von Berufen mit höherer Qualifikation wie Jurist, Apotheker oder Arzt ganz zu schweigen. Dort müssen die Anwärter teilweise Jahre warten und erneut eine Prüfung ablegen, bevor sie in ihrem Beruf, den sie in der Heimat vielleicht schon seit Jahrzehnten ausgeübt hatten, weiterarbeiten können.
Wer in Deutschland ohne alle erforderlichen Papiere arbeitet, wird – anders als in den Nachbarländern – hart bestraft, darum können die genannten Hindernisse in Deutschland auch nicht einfach so umgangen werden.
Das sind die wesentlichen Gründe, warum nicht nur Ukrainer, sondern auch neue Migranten generell in Deutschland nur zu einem geringen Prozentsatz arbeiten gehen.
Warum die Bosse ein so idiotisches System der Arbeits- und Sozialgesetzgebung geschaffen und gleichzeitig Millionen von Migranten ins Land gelassen haben, bleibt völlig unverständlich. Es ist zwar schwer zu glauben, dass sie ihrem Land damit womöglich bewusst schaden wollten. Aber wenn man sich in Erinnerung ruft, wie abrupt die deutschen Machthaber die für die deutsche Wirtschaft so vorteilhaften Beziehungen zu Russland abgebrochen haben, die für ihre Wirtschaft unglaublich günstig waren, dann sieht diese eigentlich absurde Version gar nicht mehr nach einer fantastischen Verschwörungstheorie aus.
Tatjana Montjan ist eine ukrainische Rechtsanwältin und Strafverteidigerin, Publizistin und Bloggerin. Vor Beginn der russischen militärischen Intervention musste sie Kiew verlassen, nachdem sie vor der UNO über die Zustände in der Ukraine gesprochen hatte. Derzeit lebt sie im Donbass, engagiert sich für humanitäre Hilfe und führt Videoblogs.
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