Von Jan Müller
Seit den Anti-AfD-Aufmärschen ist die weitverbreitete Unzufriedenheit mit der Ampel scheinbar wie weggewischt. Allerdings wird im Nachhinein immer deutlicher, dass der Anlass dieser Aufmärsche – ein angebliches Geheimtreffen zur Massendeportation von Deutschen mit Migrationshintergrund – keine Substanz hat. Das spielt aber keine Rolle mehr.
Noch Anfang 2024 sah es danach aus, als sei die Ampel am Ende. Die Bauernproteste wurden trotz einer massiven Medienhetze von der Bevölkerung mit viel Sympathie begleitet. Sogar Anhänger der Ampel waren mit der sozialen Schlagseite der Regierungspolitik nicht einverstanden.
Da kam die Enthüllung von Correctiv vom 10. Januar 2024 über ein Geheimtreffen von Rechten, das als Wannseekonferenz 2.0 geframt wurde, wie gerufen. Dass etwas daran nicht stimmen konnte, ergibt sich schon daraus, dass dieses Treffen bereits am 25. November 2023 stattfand, aber ein Artikel darüber erst nach fast zwei Monaten erschien. Wie es scheint, ist das Treffen mit nachrichtendienstlichen Mitteln abgehört worden, von wem auch immer. Um das Treffen als Wannseekonferenz 2.0 framen zu können, musste Correctiv seinen Artikel dennoch mit vielen Mutmaßungen und einer bewusst verwendeten romanhaften Sprache aufpeppen.
Dennoch reichte das Ergebnis völlig aus, um die wohlhabenden Anhänger der Ampel und besonders der Grünen zu mobilisieren. Das ist letztlich auch kein Wunder, zeichnen sie sich doch durch eine fanatische Mediengläubigkeit aus. Die Anzahl der Teilnehmer an den Anti-AfD-Aufmärschen schwankt nach unterschiedlichen Angaben zwischen 100.000 (Die Welt) und 1,45 Millionen (Tagesschau).
Wie auch immer: Tatsache ist jedenfalls, dass das um Größenordnungen mehr Menschen waren als bei den Bauernprotesten. Das ist letztlich auch nicht verwunderlich. Denn der Deutsche Bauernverband ist genauso mit den Ampel-Parteien verbandelt wie viele andere Organisationen. Die große Protestwoche diente wohl vor allem dazu, Druck aus dem Kessel abzulassen. Dabei wurde bewusst darauf geachtet, nur die Bauern anzusprechen und gerade nicht die unzufriedene Bevölkerung. Obwohl die Regierung den Forderungen der Bauern nicht entsprochen hat, wurden die Proteste beendet.
Die Pro-Regierungsdemonstrationen dürften aus dem gleichen wohlhabenden Milieu stammen wie die Teilnehmer des letzten großen "Klimastreiks" am 20. September 2019. Damals nahmen bundesweit ebenfalls etwa 1,4 Millionen Menschen nach einem teils beträchtlichen sozialen Druck an Demonstrationen für das "Klima" teil. Heute wurde dieser soziale Druck durch perfektionierte massenmediale Angstmaschinen ersetzt.
Während die Regierung mit den Demos damals weitere soziale Grausamkeiten legitimierte, darunter die CO2-Steuer, das Heizungszwangsgesetz, die Abschaltung der Kernkraftwerke und das Verbrennerverbot, dürften die Demos 2024 – wie viele Menschen auch immer daran teilgenommen haben – völlig ausreichen zur Schaffung eines gesellschaftlichen Klimas, in dem ein Verbot der nahezu einzigen und größten Oppositionspartei, der AfD, denkbar erscheint.
Regieren mit Angst und gesellschaftlicher Spaltung ist die einzige Option, die den westlichen Regierungen angesichts einer brutalen Verarmungspolitik noch bleibt. In den USA ist die Stimmung zwischen den Demokraten und Republikanern so aufgeheizt, dass ein neuer Bürgerkrieg denkbar erscheint. Auch in Deutschland dürfte mit den Anti-AfD-Aufmärschen das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht sein. Als erster Schritt in Richtung eines AfD-Verbots wollen die Grünen zum Beispiel die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative verbieten, was einfach umsetzbar ist. So ist man beim KPD-Verbot auch vorgegangen. Bekanntlich haben in der Adenauerzeit Gerichte das Verbot der FDJ und dann der KPD selbst widerstandslos abgenickt.
Es ist damit zu rechnen, dass die Regierung ihre wohlhabenden Anhänger immer wieder mobilisieren kann. Dabei handelt es sich im Kern um die urbane Mittelschicht, die vielleicht 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Sie ist die einzige soziale Gruppe, die von der Ampel-Politik noch profitiert, bzw. nicht besonders stark geschädigt wird. Sie vertritt jedoch in keinster Weise die deutsche Bevölkerung insgesamt, auch wenn die Systemmedien dies suggerieren. Große Teile der Bevölkerung sind nach wie vor mit der Regierungspolitik unzufrieden, aber vorerst noch durch harte Repression und Medienhetze eingeschüchtert, sodass regierungskritische Proteste vorerst nicht zu erwarten sind.
Für eine tatsächliche Opposition ist die gegenwärtige Situation außerordentlich schwierig. Die AfD ist eine rechtspopulistische Partei, die in vielen Themenbereichen richtige Detailkritik an der Ampel übt. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass sie vor allem als Vertreter der weniger bedeutenden nationalen Bourgeoisie fungiert. Diese kann Deutschland nicht einfach verlassen und ist deshalb auf eine Standortpolitik existenziell angewiesen. So fordert die AfD zum Beispiel niedrige Energiepreise etwa durch Nutzung der Kernenergie, aber auch einen weiteren brutalen Sozialabbau.
Demgegenüber vertreten die Ampel-Parteien die Interessen der US-Bourgeoisie, besonders der reichsten Männer der Welt. Das gilt genauso für die Linkspartei und das aus ihr hervorgegangene Bündnis Sahra Wagenknecht. Das BSW vertritt eine klar grüne Energiepolitik, die ausschließlich auf Windkraft und Photovoltaik setzt, allenfalls noch ergänzt durch hypothetische Gaskraftwerke. Es versteht sich von selbst, dass hiermit das proklamierte Ziel, durch niedrige Energiepreise die deutsche Industrie zu retten, nicht erreicht werden kann.
Damit hängen auch alle anderen sinnvollen sozialen Forderungen des BSW in der Luft. Der einzige Unterschied zur Ampel und zur Linken ist, dass Sahra Wagenknecht gegen überbordende Arroganz und den Wokismus der grünen, wohlhabenden urbanen Mittelschicht polemisiert. Bei einer im Kern identischen Politik! Offenbar soll Sahra Wagenknecht die allgemeine Unzufriedenheit mit den Ampel-Parteien kanalisieren und erneut für eine grüne Politik im Interesse der US-Milliardäre begeistern. Wobei sie die grüne Ideologie im engeren Sinne auch sonst regelmäßig befeuert.
Tatsächlich sozialistische oder auch nur sozialdemokratische Parteien gibt es derzeit in Deutschland nicht. Deshalb haben wir hier nur eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Eine solche Partei müsste eine realistische, sinnvolle Energiepolitik mit sozialen Forderungen im Interesse der Werktätigen verbinden. Das geht freilich nur, wenn das CO2-Narrativ wenigstens ansatzweise hinterfragt wird.
Dieser Artikel von Jan Müller erschien zuerst am 2. Februar im Magma-Magazin.
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