Von Pepe Escobar
Kommen wir gleich zur Sache:
Vergangene Woche hat der Internationale Gerichtshof (IGH) zugunsten der Anklage Südafrikas gegen Israel entschieden und Israel angewiesen, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um einen Völkermord in Gaza zu unterbinden.
Wenn es um den am besten dokumentierten Völkermord aller Zeiten geht, der rund um die Uhr von jedem Smartphone auf diesem Planeten verfolgt werden kann, so kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass Südafrika – ein Mitglied des BRICS-Staatenbundes – einen erstaunlichen Sieg über den Zionismus erringen konnte. Und doch, so argumentiert eine Armada globaler Zyniker, findet sich im Wortlaut des Urteils kein einziges Wort darüber, das zu einem Waffenstillstand in Gaza aufruft. Natürlich lässt sich als Zyniker durchaus argumentieren, dass eine Forderung nach einem Waffenstillstand nur für einen bestimmten Krieg zu gelten hat – wie zum Beispiel im Fall des Stellvertreterkriegs in der Ukraine gegen Russland.
Gaza ist ein Fall von Völkermord an einer indigenen Bevölkerung durch eine Besatzungsmacht. Dies erfordert ein sofortiges Ende aller Akte, die diesen Völkermord voranbringen. Im Wesentlichen hat der IGH genau dies angeordnet, während das südafrikanische Außenministerium festgestellt hat, dass "wenn man das Urteil liest, es implizit bedeutet, dass ein Waffenstillstand verhängt werden muss". Der unschätzbare ehemalige britische Botschafter Craig Murray hat festgestellt, dass "nach einer äußerst vernichtenden Darstellung der Fakten durch Südafrika, kraftvoll und akribisch gut dargelegt, die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen unvermeidlich waren".
Nachfolgend die wichtigsten Urteile des IGH:
"Die von Israel im Gazastreifen durchgeführte Militäroperation hat zu unzähligen Toten und Verletzten geführt, erhebliche Infrastruktur und Wohneinheiten zerstört, massenhafte Unterernährung verursacht, das Gesundheitssystem zusammenbrechen lassen und die Mehrheit seiner Bewohner vertrieben. Dieser Krieg hat die gesamte Bevölkerung von Gaza getroffen und wird weitreichende Folgen haben. Das Gericht hat die entmenschlichende Sprache hochrangiger israelischer Regierungsbeamter zur Kenntnis genommen. Daher akzeptiert der IGH die südafrikanische Forderung nach dringenden vorläufigen Maßnahmen, zum Schutz der Palästinenser in Gaza vor Israel und empfiehlt:
Mit 15 zu zwei Stimmen:
"Der Staat Israel wird alle Maßnahmen ergreifen, um die Begehung eines Völkermords in Gaza zu verhindern."
Mit 15 zu zwei Stimmen:
"Der Staat Israel stellt sicher, dass das Militär keine Akte des Völkermords begeht."
Mit 16 zu einer Stimme:
"Israel wird alle Maßnahmen ergreifen, um alle öffentlichen Aufforderungen zum Völkermord zu bestrafen."
Mit 16 zu einer Stimme:
"Israel wird sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um die widrigen Lebensbedingungen im Gazastreifen zu lindern."
Mit 15 zu zwei Stimmen:
"Israel wird wirksame Maßnahmen ergreifen, um Beweise für Handlungen zu sichern, die in Bezug auf die Völkermordkonvention eine Auswirkung haben."
Mit 15 zu zwei Stimmen:
"Israel legt dem Gericht innerhalb eines Monats einen Bericht über alle Maßnahmen vor, die ergriffen wurden, um den Anordnungen dieses Gerichts Folge zu leisten."
Die Huthis und die Völkermordkonvention
Die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs ist im Grunde für Israel bindend. Doch selbst als der IGH entschied, dass Israel "alle Maßnahmen ergreifen muss, um Tod und Verletzungen zu verhindern" und für alle humanitären Bedürfnisse der Palästinenser zu sorgen – einschließlich des Zugangs zu Nahrungsmitteln, Medikamenten und Infrastruktur –, was genau wird passieren, sollte Tel Aviv das Urteil einfach ignorieren? Selbst wenn man bedenkt, dass Israel innerhalb eines Monats nach dem Urteil des IGH, einen Bericht über die geforderten Maßnahmen vorlegen muss, ist es nicht sicher, ob sich die Praktiker der biblischen Psychopathie daran halten werden.
Die Antwort darauf kam umgehend. Israels nationaler Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir, die Karikatur eines Kandidaten für die Rolle eines außer Kontrolle geratenen Psychopathen in einem billigen Horrorfilm, erklärte: "Die Entscheidung des antisemitischen Gerichts in Den Haag beweist, was bereits bekannt war: Dieses Gericht strebt nicht nach Gerechtigkeit, sondern vielmehr nach der Verfolgung des jüdischen Volkes. Sie haben während des Holocaust geschwiegen und heute setzen sie die Heuchelei fort und gehen sogar noch einen Schritt weiter."
Psychos schreiben keine Geschichte und lesen sie auch nicht. Der IGH, in seiner aktuellen Form, wurde nämlich erst 1945 gegründet – somit nach dem Holocaust. Aber das Urteil des Internationalen Gerichtshofs hat mit Sicherheit die moralische Stärke der Huthi, die "ihr Volk" in Gaza unterstützen, de facto legitimiert. Und das, während die USA und das Vereinigte Königreich im Globalen Süden damit beschäftigt sind, gegen die Huthis vorzugehen, deren Vorgehen bei der Verteidigung Palästinas nichts anderes als die Einhaltung der Völkermordkonvention einfordert, während die USA und das Vereinigte Königreich zynisch die Notwendigkeit beschwören, "das Völkerrecht zu schützen".
Die überwältigende Mehrheit des Globalen Südens interpretiert die Huthis stattdessen als eine Friedenstruppe, die sich für die Aufrechterhaltung der Völkermordkonvention einsetzt, und dafür von den Schurken der "regelbasierten internationalen Ordnung" angegriffen wird.
Parallel dazu hat der internationale Spitzenjurist Juan Branco einen entscheidenden Punkt hervorgehoben: Frankreich hat derzeit den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Gemäß Artikel 94.2 der UN-Charta: "Auf Antrag Südafrikas muss die UN Israel zwingen, das Urteil des Internationalen Gerichtshofs anzuwenden." Aber niemand sollte sich darauf verlassen, dass das wertlose macronistische Frankreich das Richtige tun wird.
Das Töten wird nicht aufhören
Aus der Sicht des Globalen Südens ist es nicht weniger entsetzlich, dass die afrikanische Richterin Julia Sebutinde aus Uganda, sich allen von Südafrika gegen Israel geforderten einstweiligen Maßnahmen widersetzte.
Da der Internationale Gerichtshof entschieden hat, dass "Israels Aktionen in Gaza einen Völkermord mit der Absicht darstellen könnten, eine bestimmte ethnische Gruppe – in diesem Fall die Palästinenser – ganz oder teilweise zu zerstören", folgt daraus logischerweise, dass die Komplizenschaft der USA mit Israel, einer Komplizenschaft der USA beim Völkermord an den Palästinensern gleichkommt.
Das Urteil des Internationalen Gerichtshofs urteilte in Tat und Wahrheit gegen die USA, gegen Großbritannien, Deutschland und andere Kollektivmitglieder des Westens, die alle erklärt haben, dass der südafrikanische Fall "substanzlos" sei und abgewiesen werden sollte. Kein Wunder also, dass ein Team von 47 südafrikanischen Anwälten bereits eine Klage gegen die USA und Großbritannien wegen Mittäterschaft vorbereitet.
Was auch immer als nächstes passiert, die überengagierte globale Armada der Zyniker wird nicht nachgeben. Die Anordnung des Internationalen Gerichtshofs an Israel, "alle Maßnahmen zu ergreifen, um Tod und Verletzung zu verhindern", kann sicherlich als Aufruf zu einem Waffenstillstand interpretiert werden, ohne das magische Wort zu erwähnen.
Aber was die globale Armada der Zyniker bei diesem Urteil in Tat und Wahrheit erkennt, sind vier miteinander verbundene toxische Punkte: Kein Waffenstillstand; tötet Palästinenser, aber bitte menschlich; gebt ihnen was zu essen, bevor ihr sie tötet und ihr habt immer noch einen ganzen Monat Zeit, um großflächig zu töten und zu vernichten.
So sehr der IGH auch als kollektive Farce des Westens abgetan werden kann: Tatsache ist, dass das Urteil Israel ausdrücklich dazu aufruft, das Töten zu stoppen. Man könnte auch argumentieren, dass der IGH das absolute Maximum dessen getan hat, was er im Rahmen seiner Zuständigkeit und seiner Verfahren tun kann.
Doch wenn man bedenkt, dass der IGH über keine Möglichkeiten verfügt, sein Urteil durchzusetzen – er ist auf die hyperkorrupten Vereinten Nationen angewiesen – hat die globale Armada der Zyniker möglicherweise das düstere Bild richtig interpretiert: Das Töten wird weitergehen.
Ersterscheinung in englischer Sprache bei Strategic Culture Foundation.
Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt "Raging Twenties" (Die wütenden Zwanziger). Man kann ihm auf Telegram und auf X folgen.
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