Von Wladimir Iljitsch Lenin
Am vergangenen 21. Januar jährte sich der einhundertste Todestag von Wladimir Iljitsch Lenin, dem Revolutionsführer und ehemaligen Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare der Sowjetunion, Ikone der Kommunisten und der internationalen sozialistischen Linken. Aus Anlass dieses Ereignisses, veröffentlicht RT Deutsch den Text eines offenen Briefes, den Lenin an die Adresse der US-amerikanischen Arbeiterschaft richtete. In den späten 1910er-Jahren spielte dieser Text eine wichtige Rolle bei der Beeinflussung der öffentlichen Meinung in den USA und intensivierte später die Massenbewegung zur Verteidigung Sowjetrusslands.
Genossen!
Ein russischer Bolschewik, der bereits an der Revolution von 1905 teilgenommen hatte und danach viele Jahre in Ihrem Land lebte, hat mir angeboten, Euch diesen Brief zu übermitteln. Ich habe sein Angebot noch so gerne angenommen, weil die revolutionären Arbeiter Amerikas gerade jetzt eine außerordentlich wichtige Rolle als kompromisslose Feinde des amerikanischen Imperialismus spielen müssen, der sich als der neuste, stärkste und jüngste Imperialismus an der Tendenz beteiligt, sich weltweit an der Vernichtung von Nationen zu beteiligen, um die kapitalistischen Profite untereinander aufzuteilen. In diesem Augenblick haben die amerikanischen Multimillionäre, diese modernen Sklavenhalter, eine äußerst neue tragische Seite im Buch der blutigen Geschichte des blutigen Imperialismus aufgeschlagen, indem sie einer erneuten bewaffneten Expedition ihre Zustimmung gegeben haben – ob direkt oder indirekt, offen oder heuchlerisch oder im Verborgen spielt dabei keine Rolle. Die brutalen anglo-japanischen Imperialisten haben sich zum Ziel gesetzt, die erste sozialistische Republik zu erdrosseln.
Die Geschichte des modernen, zivilisierten Amerika begann mit einem jener großen, befreienden, und revolutionären Kriege, von denen es bisher so wenige gab, im Vergleich zu der großen Zahl von Eroberungskriegen, die, wie der gegenwärtige imperialistische Krieg gegen die Sowjetunion, durch Streitigkeiten zwischen Königen, Großgrundbesitzern oder Kapitalisten verursacht wurden, über die Aufteilung von annektiertem Land oder unrechtmäßig erworbenen Profiten. Es war jener Krieg, den das amerikanische Volk gegen die britischen Kolonialisten führte, die Amerika unterdrückten und es in kolonialer Sklaverei hielten, genauso wie diese "zivilisierten" Blutsauger immer noch Hunderte Millionen Menschen in Indien, Ägypten und in anderen Teilen der Welt unterdrücken und in kolonialer Sklaverei halten.
Seitdem sind rund 150 Jahre vergangen. Die bürgerliche Zivilisation hat all ihre luxuriösen Früchte geerntet. Amerika hat unter den freien und gebildeten Nationen den ersten Platz eingenommen, was den Entwicklungsstand der produktiven Kräfte kollektiver menschlicher Bemühungen, die Nutzung von Maschinen und aller Wunder der modernen Technik betrifft. Gleichzeitig ist Amerika zu einem der führenden Länder geworden, wenn es um die Tiefe des Abgrunds geht, der zwischen einer Handvoll arroganter Multimillionäre, die sich in Unflat und Luxus suhlen, und den Millionen arbeitenden Menschen auftut, die ständig am Rande der Armut leben müssen.
Das amerikanische Volk, das der Welt ein Beispiel gegeben hat, indem es einen revolutionären Krieg gegen den Feudalismus geführt hat, sieht sich in der neuesten kapitalistischen Phase der Lohnsklaverei einer Handvoll Multimillionären gegenüber. Es findet sich zugunsten wohlhabender Schurken in der Rolle von angeheuerten Schlägern wieder, die 1898 die Philippinen unter dem Vorwand, sie zu "befreien" und 1918 die Russische Sozialistische Republik unter dem Vorwand, sie vor den Deutschen zu "beschützen", erdrosselten.
Die vier Jahre des imperialistischen Massakers an Nationen im Ersten Weltkrieg waren jedoch nicht umsonst. Die Täuschung des Volkes durch die Schurken und Räuber auf beiden Seiten, der britischen und der deutschen, wurde durch unbestreitbare und offensichtliche Tatsachen völlig entlarvt. Die Ergebnisse der vier Kriegsjahre haben die allgemeine Grundlage des Kapitalismus offenbart, wie sie auf den Krieg zwischen Räubern zur Aufteilung der Beute angewendet wird: Die Reichsten und Stärksten profitieren und erbeuten am meisten, während die Schwächsten gänzlich ausgeraubt, gequält, unterdrückt und erdrosselt werden.
Die britischen, imperialistischen Räuber waren jene, die über die meisten "Kolonialsklaven" herrschten. Die britischen Kapitalisten haben keinen Zentimeter "ihres" Territoriums verloren – das heißt die Territorien, die sie im Laufe der Jahrhunderte erobert haben –aber sie haben alle deutschen Kolonien in Afrika übernommen, sie haben Mesopotamien und Palästina übernommen, sie haben Griechenland erdrosselt und haben damit begonnen, Russland auszuplündern.
Die deutschen imperialistischen Räuber waren in der Organisation und in der Disziplin "ihrer" Armeen am effizientesten, aber schwächer aufgestellt in Bezug auf ihre Kolonien. Deutschland hat alle seine Kolonien verloren, gleichzeitig die Hälfte Europas ausgeplündert und die meisten kleineren Staaten und schwächeren Nationen unterdrückt. Was für ein großer "Befreiungskrieg" auf beiden Seiten! Wie gut haben die Räuber auf beiden Seiten, die englischen, französischen und die deutschen Kapitalisten, zusammen mit ihren Lakaien, den Sozialchauvinisten, das heißt den Sozialisten, die auf die Seite "ihrer eigenen" Bourgeoisie gewechselt haben, "ihr Land verteidigt"!
Die amerikanischen Multimillionäre waren vielleicht die reichsten Multimillionäre und geografisch betrachtet diejenigen, die am weitesten von Krieg entfernt waren. Sie haben vom Krieg mehr profitiert als alle anderen Beteiligten. Sie haben alle Länder, auch die reichsten, in ihre Tributpflichtigen verwandelt und haben Hunderte Milliarden Dollar erbeutet. Und jeder Dollar ist mit Schmutz besudelt: dem Schmutz der Geheimverträge zwischen Großbritannien und seinen "Verbündeten", dem Schmutz zwischen Deutschland und seinen Vasallen, dem Schmutz der Verträge zur Aufteilung der Beute, dem Schmutz der Verträge über gegenseitige "Hilfe" zur Unterdrückung der Arbeiter und zur Verfolgung der sozialistischen Internationalisten. Jeder Dollar ist mit dem Schmutz "profitabler" Kriegsverträge besudelt, die in jedem Land die Reichen reicher und die Armen ärmer gemacht haben. Und jeder Dollar ist zudem mit Blut befleckt: Blut aus einem Ozean von Blut, den die zehn Millionen Getöteten und zwanzig Millionen Verstümmelten in dem "großen, edlen, befreienden und heiligen" Krieg vergossen haben, der darüber entscheiden sollte, ob die britischen oder die deutschen Räuber das meiste von der Beute abbekommen, ob die britischen oder die deutschen Verbrecher in der vordersten Reihe stehen sollen, wenn es darum geht, die schwachen Nationen auf der ganzen Welt zu erdrosseln.
Während die deutschen Räuber alle Rekorde in Bezug auf Gräueltaten gebrochen haben, haben die Briten alle Rekorde nicht nur in Bezug auf die Anzahl der eroberten Kolonien gebrochen, sondern auch in der Subtilität ihrer abscheulichen Heuchelei. Noch heute verbreiten die englischen, französischen und amerikanischen bürgerlichen Zeitungen, in Millionen und Abermillionen von Exemplaren, Lügen und Verleumdungen über Russland und rechtfertigen ihren Raubzug gegen Russland heuchlerisch mit der Behauptung, sie wollten damit Russland vor Deutschland schützen!
Es bedarf nicht vieler Worte, um diese verabscheuungswürdige und abscheuliche Lüge zu widerlegen. Es reicht aus, auf eine bekannte Tatsache hinzuweisen. Im Oktober 1917, nach dem Sturz der imperialistischen Regierung durch russische Arbeiter, schlug die Sowjetregierung, die Regierung der revolutionären Arbeiter und Bauern, offen einen gerechten Frieden vor. Einen Frieden ohne Annexionen oder Entschädigungen, einen Frieden, der allen Nationen vollkommen gleiche Rechte garantiert – und ein solcher Frieden wurde allen am Krieg beteiligten Ländern vorgeschlagen.
Es war die englische, französische und die amerikanische Bourgeoisie, die sich weigerte, unseren Vorschlag anzunehmen. Sie waren es, die sich weigerten, mit uns über einen allgemeinen Frieden zu sprechen! Sie waren es, die die Interessen aller Nationen verrieten. Sie waren es, die das imperialistische Gemetzel in die Länge zogen! Sie waren es, die auf die Möglichkeit hofften, Russland wieder in einen imperialistischen Krieg hineinzuziehen, sich weigerten, an den Friedensverhandlungen teilzunehmen und dadurch den nicht minder räuberischen deutschen Kapitalisten freie Hand gaben, Russland das annexionistische und ungerechte Abkommen von Brest-Litowsk aufzuzwingen!
Man kann sich kaum etwas Ekelhafteres vorstellen als die Heuchelei, mit der die englische, französische und amerikanische Bourgeoisie uns jetzt für den Friedensvertrag von Brest "die Schuld" gibt. Ausgerechnet die Kapitalisten jener Länder, die die Brest-Verhandlungen in Verhandlungen für einen allgemeinen Frieden hätten verwandeln können, sind jetzt unsere "Ankläger"! Die anglo-französischen imperialistischen Geier, die von der Plünderung der Kolonien und dem Abschlachten von Nationen profitiert haben, haben den Krieg nach dem Abkommen von Brest um fast ein ganzes Jahr verlängert und dennoch "beschuldigen" sie uns, die Bolschewiki, die ihnen einen gerechten Frieden vorgeschlagen haben.
Sie werfen uns vor, die geheimen, verbrecherischen Verträge zwischen dem ehemaligen Zaren und den englisch-französischen Kapitalisten veröffentlicht, der öffentlichen Schande ausgesetzt und zerrissen zu haben.
Die Arbeiter auf der ganzen Welt, egal in welchem Land sie leben, grüßen uns, sympathisieren mit uns, applaudieren uns dafür, dass wir die eisernen Ketten des imperialistischen Vasallentums und der schmutzigen imperialistischen Verträge zerbrochen und abgelegt haben, für einen Ausbruch in die Freiheit und dabei die schwersten Opfer erbringen, um sich als sozialistische Republik, obwohl von den Imperialisten belagert und ausgeplündert, aus dem imperialistischen Krieg herauszuhalten und das Banner des Friedens und das Banner des Sozialismus, für die ganze Welt sichtbar, zu hissen.
Kein Wunder, dass die internationale imperialistische Bande uns dafür hasst, dass sie uns "beschuldigen", so wie alle Lakaien der Imperialisten, einschließlich unserer rechten Sozialrevolutionäre und Menschewiki, die uns ebenfalls "beschuldigen". Der Hass, den diese Wächter des Imperialismus gegenüber den Bolschewiki zum Ausdruck bringen, und die Sympathie der klassenbewussten Arbeiter der Welt, überzeugen uns mehr denn je von der Gerechtigkeit unserer Sache.
Ein echter Sozialist würde nicht umhinkommen zu verstehen, dass wir für den Sieg über die Bourgeoisie, für den Übergang der Macht an die Arbeiter, für den Beginn der proletarischen Weltrevolution nicht davor zurückschrecken können und dürfen, die schwersten Opfer zu bringen, einschließlich der Opferung eines Teils unseres Territoriums, der Opfer durch schwere Niederlagen durch den Imperialismus. Ein echter Sozialist wird durch Taten seine Bereitschaft beweisen, dass "sein" Land das größte Opfer bringen wird, um der Sache der sozialistischen Revolution einen echten Sprung nach vorn zu verschaffen.
Um "ihrer" Sache willen, das heißt, um die Welthegemonie zu erringen, haben die Imperialisten Großbritanniens und Deutschlands nicht gezögert, eine ganze Reihe von Ländern völlig zu ruinieren und zu erdrosseln, von Belgien und Serbien bis zu Palästina und Mesopotamien. Aber müssen Sozialisten mit "ihrem" Anliegen, dem Anliegen, die Werktätigen der ganzen Welt vom Joch des Kapitals zu befreien, den universellen und dauerhaften Frieden zu erringen, warten, bis ein Weg ohne Opfer gefunden werden kann? Müssen sie Angst haben, den Kampf zu eröffnen, bis ein leichter zu erringender Sieg "garantiert" ist? Müssen sie die Integrität und Sicherheit "ihres" bürgerlich erschaffenen "Vaterlandes" über die Interessen der sozialistischen Weltrevolution stellen? Die Schurken in der internationalen sozialistischen Bewegung, die so denken, diese Lakaien, die sich der bürgerlichen Moral unterwerfen, sollen dreimal verflucht sein.
Die anglo-französischen und amerikanischen Geier des Imperialismus "beschuldigen" uns, ein "Abkommen" mit dem deutschen Imperialismus abgeschlossen zu haben. Was für Heuchler, was für Schurken sie sind, die eine Regierung der Arbeiter verleumden, während sie vor der Sympathie zittern, die uns die Arbeiter "ihrer" Länder entgegenbringen! Aber ihre Heuchelei wird aufgedeckt werden. Sie geben vor, den Unterschied zwischen einer Vereinbarung, die "Sozialisten" mit der Bourgeoisie – ihrer eigenen oder einer ausländischen – gegen die Arbeiter, gegen die Werktätigen geschlossen haben, und einer Vereinbarung zum Schutz der Arbeiter, die ihre Bourgeoisie besiegt hat, nicht zu kennen. Der Unterschied der Bourgeoisie einer Nationalfarbe gegenüber der Bourgeoisie einer anderen Nationalfarbe, mit der das Proletariat die Gegensätze zwischen den verschiedenen Gruppen der Bourgeoisie ausnutzen kann. Tatsächlich erkennt jeder Europäer diesen Unterschied sehr gut, und wie ich gleich darlegen werde, kann das amerikanische Volk aus seiner eigenen Geschichte eine besonders eindrucksvolle "Veranschaulichung" vorzeigen. Es gibt Vereinbarungen und es gibt Vereinbarungen, es gibt Reisigbündel und Reisigbündel, wie die Franzosen sagen.
Als im Februar 1918 die deutschen imperialistischen Geier ihre Kräfte gegen das unbewaffnete, demobilisierte Russland schleuderten, das sich auf die internationale Solidarität des Proletariats verlassen hatte, noch bevor die Weltrevolution voll ausgereift war, zögerte ich keinen Moment, eine "Vereinbarung" mit den französischen Monarchisten einzugehen. Hauptmann Jacques Sadoul, ein französischer Armeeoffizier, der zwar in Worten mit den Bolschewiki sympathisierte, in der Tat aber ein loyaler und treuer Diener des französischen Imperialismus war, brachte den französischen Offizier Guy de Lubersac zu mir. "Ich bin Monarchist. Mein einziges Ziel ist es, die Niederlage Deutschlands sicherzustellen", erklärte mir de Lubersac. "Das versteht sich von selbst", antwortete ich.
Dies hinderte mich jedoch nicht im Geringsten daran, mit de Lubersac eine "Vereinbarung" über bestimmte Dienste zu schließen, die französische Armeeoffiziere und Experten für Sprengstoffe für uns zu erbringen bereit waren, indem sie Eisenbahnstrecken sprengten, um die deutsche Invasion zu behindern. Dies ist ein Beispiel für eine "Vereinbarung", der jeder klassenbewusste Arbeiter zustimmen wird, eine Vereinbarung im Interesse des Sozialismus. Der französische Monarchist und ich schüttelten uns die Hand, obwohl wir wussten, dass jeder von uns den anderen bereitwillig hängen würde, aber zeitweilig stimmten unsere Interessen überein. Gegen die vorrückenden räuberischen Deutschen nutzten wir, im Interesse der russischen und der sozialistischen Weltrevolution, die ebenso räuberischen Gegeninteressen anderer Imperialisten. Auf diese Weise dienten wir den Interessen der Arbeiterklasse Russlands und anderer Länder, wir stärkten das Proletariat und schwächten die Bourgeoisie auf der ganzen Welt. Wir griffen auf die in jedem Krieg legitimen und wesentlichen Methoden zurück: Manöver, Kriegslist, Rückzug, in Erwartung des Augenblicks, in dem die schnell heranreifende proletarische Revolution in einer Reihe fortgeschrittener Länder vollständig ausgereift ist.
Egal, wie wütend die anglo-französischen und amerikanischen imperialistischen Haie sind, wie sehr sie uns verleumden, egal, wie viele Millionen sie für die Bestechung der rechten sozialrevolutionären und anderen sozialpatriotischen Zeitungen ausgeben, ich werde keine Sekunde zögern, eine ähnliche "Vereinbarung" mit den deutschen imperialistischen Geiern einzugehen, wenn ein Angriff englisch-französischer Truppen auf Russland dies erfordert. Und ich weiß ganz genau, dass meine Taktik vom klassenbewussten Proletariat Russlands, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, und Amerikas – kurz der gesamten zivilisierten Welt – gebilligt werden wird. Solche Taktiken werden die Aufgabe der sozialistischen Revolution erleichtern, sie beschleunigen, die internationale Bourgeoisie schwächen und die Position der Arbeiterklasse stärken, die am Ende die Bourgeoisie besiegen wird.
Das amerikanische Volk hat schon vor langer Zeit zum Vorteil seiner Revolution auf diese Taktiken zurückgegriffen. Als sie ihren großen Befreiungskrieg gegen die britischen Unterdrücker führten, hatten sie auch die französischen und spanischen Unterdrücker gegen sich, denen ein Teil der heutigen Vereinigten Staaten von Nordamerika gehörte. In seinem mühsamen Freiheitskrieg schloss das amerikanische Volk ebenfalls "Vereinbarungen" mit einigen Unterdrückern gegen andere Unterdrücker, um diese zu schwächen und diejenigen zu stärken, die auf revolutionäre Weise gegen Unterdrückung kämpften, mit dem Ziel, den Interessen der unterdrückten Menschen zu dienen. Das amerikanische Volk nutzte den Streit zwischen den Franzosen, den Spaniern und den Briten aus und manchmal kämpften sie sogar Seite an Seite mit den Kräften der französischen und spanischen Unterdrücker gegen die britischen Unterdrücker. Zuerst besiegten sie die Briten und befreiten sich dann – teilweise durch Geldleistungen – von den Franzosen und Spaniern.
"Historisches Handeln ist nicht das Kopfsteinpflaster des Newski-Prospekts", sagte der große russische Revolutionär Tschernyschewski. Ein Revolutionär würde einer proletarischen Revolution nicht nur unter der Bedingung zustimmen, dass sie leicht und reibungslos verläuft, dass von Anfang an eine gemeinsame Aktion der Proletarier verschiedener Länder erfolgt und es Garantien gegen Niederlagen gibt, dass der Weg der Revolution breit, frei und gerade ist, dass es auf dem Marsch zum Sieg nicht notwendig sein wird, die schwersten Verluste zu erleiden, in einer belagerten Festung auszuharren oder einen extrem schmalen Weg, unpassierbare, kurvenreiche und gefährliche Bergwege zu beschreiten. Ein solcher Mensch ist kein Revolutionär, weil er sich nicht von der Pedanterie der bürgerlichen Intellektuellen befreit hat. Eine solche Person wird ständig in das Lager der konterrevolutionären Bourgeoisie zurückfallen, wie unsere rechten Sozialrevolutionäre, die Menschewiki und sogar – wenn auch seltener – die linken Sozialrevolutionäre.
In Anlehnung an die Bourgeoisie geben diese Leute uns gerne die Schuld für das "Chaos" der Revolution, für die "Zerstörung" der Industrie, für die Arbeitslosigkeit und die Nahrungsmittelknappheit. Wie heuchlerisch diese Anschuldigungen sind, die von jenen Leuten kommen, die den imperialistischen Krieg begrüßten und unterstützten oder die mit Alexander Kerenski, der diesen Krieg fortsetzte, eine "Vereinbarung" eingingen! Es ist dieser imperialistische Krieg, der die Ursache all dieser Unglücke ist. Die durch den Krieg hervorgerufene Revolution kann die schrecklichen Schwierigkeiten und das Leid nicht vermeiden, das ihr durch das langwierige, ruinöse und reaktionäre Abschlachten der Nationen hinterlassen wurde. Uns für die "Zerstörung" der Industrie oder für den "Terror" verantwortlich zu machen, ist entweder Heuchelei oder dumme Pedanterie. Es offenbart die Unfähigkeit, die Grundbedingungen des erbitterten Klassenkampfes zu verstehen, der auf die höchste Intensitätsstufe gesteigert wird, die Revolution genannt wird.
Selbst wenn "Ankläger" dieser Art den Klassenkampf "anerkennen", beschränken sie sich auf die verbale Anerkennung. Tatsächlich verfallen sie ständig in die spießbürgerliche Utopie der "Klassenübereinstimmung" und "Zusammenarbeit", denn in revolutionären Epochen hat der Klassenkampf immer und zwangsläufig und in jedem Land die Form eines Bürgerkriegs angenommen. Und ein Bürgerkrieg ist ohne die schwerste Zerstörung, den Terror und die Einschränkung der formellen Demokratie im Interesse dieses Krieges undenkbar. Nur salbungsvolle Pfarrer – seien sie nun Christen oder "weltlich" in der Gestalt parlamentarischer Sozialisten – können diese Notwendigkeit nicht erkennen, verstehen oder fühlen. Nur ein lebloser Mann mit dem Kopf im Sand kann aus diesem Grund die Revolution meiden, anstatt sich in einer Zeit, in der die Geschichte es verlangt, dass die größten Probleme der Menschheit durch Kampf und Krieg gelöst werden, mit größtem Eifer und Entschlossenheit in den Kampf zu stürzen.
Das amerikanische Volk hat eine revolutionäre Tradition, die von den besten Vertretern des amerikanischen Proletariats übernommen wurde, die wiederholt ihre volle Solidarität mit uns Bolschewiki zum Ausdruck gebracht haben. Diese Tradition ist der Befreiungskrieg gegen die Briten im 18. Jahrhundert und der Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert. Wenn wir nur die "Zerstörung" einiger Industriezweige und der Volkswirtschaft in Betracht ziehen, war Amerika im Jahr 1870 in gewisser Hinsicht hinter 1860 zurück. Aber was für ein Pedant, was für ein Idiot wäre jemand, der aus diesen Gründen das Unermessliche leugnen würde, die welthistorische, fortschrittliche und revolutionäre Bedeutung des amerikanischen Bürgerkriegs von 1863 bis 65!
Die Vertreter der Bourgeoisie verstehen, dass es sich für den Sturz der Negersklaverei, für den Sturz der Herrschaft der Sklavenhalter gelohnt hat, das Land lange Jahre des Bürgerkriegs durchmachen zu lassen, durch den abgrundtiefen Ruin, die Zerstörung und den Terror, die jeden Krieg begleiten. Aber jetzt, wo wir vor der weitaus größeren Aufgabe stehen, die kapitalistische Lohnsklaverei zu stürzen, die Herrschaft der Bourgeoisie zu stürzen – jetzt müssen die Vertreter und Verteidiger der Bourgeoisie, und auch die reformistischen Sozialisten, die Angst vor der Bourgeoisie haben und die Revolution meiden, begreifen, dass ein Bürgerkrieg notwendig und legitim ist.
Die amerikanischen Arbeiter werden der Bourgeoisie nicht folgen. Sie werden mit uns im Bürgerkrieg gegen die Bourgeoisie zusammenstehen. Die gesamte Geschichte der Welt und der amerikanischen Arbeiterbewegung bestärkt mich in meiner Überzeugung, dass dies so ist. Ich erinnere mich auch an die Worte eines der beliebtesten Führer des amerikanischen Proletariats, Eugene Debs, der, glaube ich, gegen Ende des Jahres 1915 in einem Appell an die Vernunft den Artikel "Wofür soll ich kämpfen" schrieb. Ich habe aus diesem Artikel zu Beginn des Jahres 1916 auf einer öffentlichen Arbeiterversammlung im schweizerischen Bern zitiert, dass er, Debs, sich lieber erschießen lassen würde, als dem gegenwärtigen verbrecherischen und reaktionären Krieg zuzustimmen. Dass er, Debs, nur einen heiligen und aus proletarischer Sicht legitimen Krieg kennt, nämlich den Krieg gegen die Kapitalisten, den Krieg zur Befreiung der Menschheit aus der Lohnsklaverei.
Es überrascht mich nicht, dass Woodrow Wilson, der Chef der amerikanischen Multimillionäre und Diener der kapitalistischen Haie, Debs ins Gefängnis werfen ließ. Möge die Bourgeoisie den wahren Internationalisten, den wahren Vertretern des revolutionären Proletariats gegenüber brutal sein! Je wilder und brutaler sie sind, desto näher kommt der Tag der siegreichen proletarischen Revolution.
Wir werden für die Zerstörung verantwortlich gemacht, die unsere Revolution verursacht hat. Aber wer sind die Ankläger? Die Mitläufer der Bourgeoisie, jener Bourgeoisie, die in den vier Jahren des imperialistischen Krieges fast die gesamte europäische Kultur zerstört und Europa in Barbarei, Brutalität und Hungersnot verwandelt hat? Diese Bourgeoisie verlangt nun, dass wir keine Revolution auf diesen Ruinen durchführen sollen, inmitten von Trümmern unserer Kultur, inmitten von Trümmern und Ruinen, die der Krieg geschaffen hat, inmitten von Menschen, die durch den Krieg brutal behandelt wurden. Wie menschlich und gerecht diese Bourgeoisie doch ist!
Ihre Diener beschuldigen uns, auf Terror zurückzugreifen. Die britische Bourgeoisie scheint das Jahr 1649 vergessen zu haben, die französische Bourgeoisie das Jahr 1793. Der Terror war damals gerecht und legitim, als die Bourgeoisie zu ihrem eigenen Vorteil gegen den Feudalismus darauf zurückgriff, der Terror wurde erst dann monströs und kriminell, als die Arbeiter und verarmten Bauern es wagten, ihn gegen die Bourgeoisie einzusetzen! Terror war gerecht und legitim, wenn er zu dem Zweck eingesetzt wurde, eine ausbeutende Minderheit durch eine andere ausbeutende Minderheit zu ersetzen. Der Terror wurde monströs und kriminell, als er zum Sturz jeder ausbeuterischen Minderheit eingesetzt wurde, um ihn im Interesse der großen tatsächlichen Mehrheit, im Interesse des Proletariats und Halbproletariats, der Arbeiterklasse und der armen Bauern einzusetzen!
Die internationale imperialistische Bourgeoisie hat in ihrem Krieg zehn Millionen Menschen abgeschlachtet und zwanzig Millionen verstümmelt, in einem Krieg, der darüber entscheiden soll, ob die britischen oder die deutschen Geier die Welt beherrschen sollen. Wenn unser Krieg, der Krieg der Unterdrückten und Ausgebeuteten gegen die Unterdrücker und Ausbeuter, in allen Ländern zu einer halben oder einer Million Opfern führt, wird die Bourgeoisie sagen, dass erstere Opfer gerechtfertigt sind, während die letzteren kriminell sind. Aber das Proletariat wird etwas ganz anderes zu sagen haben.
Jetzt, inmitten der Schrecken des imperialistischen Krieges, erhält das Proletariat eine äußerst anschauliche und eindrucksvolle Illustration der großen Wahrheit, die uns alle Revolutionen gelehrt haben und die von ihren besten Lehrern, den Begründern des modernen Sozialismus, den Arbeitern hinterlassen wurde. Diese Wahrheit ist, dass keine Revolution erfolgreich sein kann, wenn der Widerstand der Ausbeuter nicht niedergeschlagen wird. Als wir, die Arbeiter und werktätigen Bauern, die Staatsmacht eroberten, wurde es zu unserer Pflicht, den Widerstand der Ausbeuter zu brechen. Wir sind stolz darauf, dass wir dies getan haben. Wir bedauern, dass wir dies nicht mit ausreichender Zielstrebigkeit und Entschlossenheit tun. Wir wissen, dass ein erbitterter Widerstand der Bourgeoisie gegen die sozialistische Revolution in allen Ländern unvermeidlich ist und dieser Widerstand mit der Ausbreitung dieser Revolution zunehmen wird. Das Proletariat wird diesen Widerstand niederschlagen und im Kampf gegen die widerstrebende Bourgeoisie wird das Proletariat schließlich zum Sieg und zur Macht reifen.
Möge die korrupte bürgerliche Presse die ganze Welt über jeden Fehler informieren, den unsere Revolution macht. Wir lassen uns von unseren Fehlern nicht einschüchtern. Die Menschen sind nicht zu Unfehlbaren geworden, weil die Revolution begonnen hat. Die werktätigen Klassen, die seit Jahrhunderten unterdrückt, geknechtet und gewaltsam in Armut, Brutalität und Ignoranz festgehalten werden, können bei der Durchführung einer Revolution Fehler nicht vermeiden, und wie ich schon einmal betont habe, kann der Leichnam der bürgerlichen Gesellschaft nicht in einen Sarg genagelt und begraben werden. Der Leichnam des Kapitalismus verfällt und zerfällt in unserer Mitte, verschmutzt die Atemluft und vergiftet unser Leben, indem er das Neue, Frische, Junge und Männliche mit Tausenden Fäden und Fesseln des Alten, Sterbenden und Verfallenden verstrickt.
Für alle hundert Fehler, die wir begehen und die die Bourgeoisie und ihren Lakaien – einschließlich der rechten Sozialrevolutionäre – in die ganze Welt hinausschreien, werden 10.000 große und heroische Taten vollbracht sein, die größer und heroischer sind, weil sie einfach und unauffällig mitten im Alltag eines Arbeiterviertels oder eines abgelegenen Dorfes stattfinden, ausgeführt von Menschen, die es nicht gewohnt sind – und auch keine Gelegenheit dazu haben – ihre Erfolge der ganzen Welt vorzutragen.
Aber selbst wenn das Gegenteil wahr wäre – obwohl ich weiß, dass eine solche Annahme falsch ist – selbst wenn wir 10.000 Fehler für jeweils 100 richtige Handlungen begehen würden, wäre unsere Revolution sogar in diesem Fall groß und unbesiegbar. Und so wird sie auch in Zukunft von der Weltgeschichte betrachtet, weil zum ersten Mal nicht die Minderheit, nicht nur die Reichen, nicht nur die Gebildeten, sondern die wirklichen Menschen, die große Mehrheit der Werktätigen, selbst eine neue Gesellschaft aufbauen, auf eigene Faust und mit der Erfahrung bei der Lösung der schwierigsten Probleme einer sozialistischen Organisation.
Jeder Fehler, der im Verlauf einer solchen Arbeit begangen wird, im Verlauf dieser äußerst gewissenhaften und ernsthaften Arbeit von Dutzenden Millionen einfacher Arbeiter und Bauern, bei der Neuorganisation ihrer gesamten Lebensumstände, ist Tausende und Abermillionen "gesetzloser" Erfolge der ausbeuterischen Minderheit wert – Erfolge beim Betrug und der Täuschung der Werktätigen. Denn nur durch solche Fehler werden die Arbeiter und Bauern lernen, das neue Leben aufzubauen, lernen ohne Kapitalisten auszukommen. Nur so werden sie sich – über Tausende Hindernisse hinweg – einen Weg zum siegreichen Sozialismus bahnen.
Im Laufe ihrer revolutionären Bestrebungen begehen unsere Bauern, die auf einen Schlag, in der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober 1917, das Privateigentum von Grund und Boden abgeschafft haben und nun Monat für Monat enorme Schwierigkeiten überwinden, Fehler. Und sie müssen ihre Fehler selbst korrigieren, indem sie die schwierigsten Aufgaben bei der Organisation neuer Bedingungen des Wirtschaftslebens, des Kampfes gegen die Kulaken, der Bereitstellung von Land für die Werktätigen – und nicht für die Reichen – und des Wandels hin zu einer kommunistischen Großlandwirtschaft praktisch lösen.
Fehler begehen im Laufe ihrer revolutionären Bestrebungen unsere Arbeiter, die bereits nach wenigen Monaten fast alle größten Fabriken und Werke verstaatlicht haben und durch harte, tägliche Arbeit die neue Aufgabe erlernen, ganze Industriezweige zu leiten. Sie bringen die verstaatlichten Betriebe wieder in Gang, überwinden den mächtigen Widerstand der Trägheit, der kleinbürgerlichen Mentalität und des Egoismus und legen Stein für Stein das Fundament für neue soziale Bindungen, für eine neue Arbeitsdisziplin, für einen neuen Einfluss der Gewerkschaften über ihre Mitglieder.
Unsere Sowjets, die sich bereits im Jahr 1905 durch eine gewaltige Volkserhebung organisiert haben, begehen bei ihren revolutionären Bestrebungen Fehler. Die Arbeiter- und Bauernsowjets sind eine neue Staatsform, eine neue und höhere Form der Demokratie, eine Form einer proletarischen Diktatur, ein Mittel zur Staatsverwaltung ohne die Bourgeoisie und gegen die Bourgeoisie. Zum ersten Mal steht die Demokratie hier im Dienst des Volkes, der Werktätigen, und ist keine Demokratie für die Reichen mehr, so wie sie es immer noch in allen bürgerlichen Republiken der Fall ist, selbst in den demokratischsten. Zum ersten Mal ringt das Volk in einer Größenordnung von hundert Millionen mit dem Problem der Durchsetzung der Diktatur des Proletariats und Halbproletariats – einem Problem, das, wenn es nicht gelöst wird, den Sozialismus außer Frage stellt.
Mögen die Pedanten oder die Menschen, deren Geist unheilbar von bürgerlich-demokratischen oder parlamentarischen Vorurteilen erfüllt ist, ratlos den Kopf schütteln über unsere Sowjets, zum Beispiel über das Fehlen direkter Wahlen. Diese Menschen haben in der Zeit der großen Umwälzungen von 1914 bis 1918 nichts vergessen und nichts gelernt. Die Kombination der Diktatur des Proletariats mit der neuen Demokratie für die Werktätigen – des Bürgerkriegs mit umfassendster Beteiligung des Volkes an der Politik – eine solche Kombination kann nicht auf einen Schlag herbeigeführt werden und passt auch nicht in die überholten Formen der Routine parlamentarischer Demokratie. Die Umrisse einer neuen Welt, der Welt des Sozialismus, zeichnen sich vor uns ab, in Gestalt der Sowjetrepublik. Es ist nicht verwunderlich, dass diese Welt nicht fertig entstehen, nicht wie Minerva aus dem Kopf des Jupiter hervorgehen kann.
Die alten bürgerlich-demokratischen Verfassungen schwärmten von formaler Gleichheit und Versammlungsrecht. Aber unsere proletarische und bäuerliche Sowjetverfassung wirft diese Heuchelei der formellen Gleichheit beiseite. Als die bürgerlichen Republikaner die königlichen Häuser stürzten, sorgten sie sich nicht um die formelle Gleichheit zwischen Monarchisten und Republikanern. Wenn es darum geht, die Bourgeoisie zu stürzen, können nur Verräter oder Idioten die formelle Gleichberechtigung der Bourgeoisie fordern. Versammlungsfreiheit für Arbeiter und Bauern ist keinen Heller wert, wenn die besten Versammlungsgebäude der Bourgeoisie gehören. Unsere Sowjets haben alle guten Gebäude in den Städten und auf dem Land von den Reichen beschlagnahmt und sie den Arbeitern und Bauern für ihre Gewerkschaften und Versammlungen übergeben. Das ist unsere Versammlungsfreiheit – eine für die Werktätigen!
Das ist der Sinn und der Inhalt unserer sowjetischen, unserer sozialistischen Verfassung! Deshalb sind wir so fest davon überzeugt, dass unsere Sowjetrepublik unbesiegbar ist, egal welche Unglücke ihr noch bevorstehen. Sie bleibt unbesiegbar, weil jeder Schlag des wütenden Imperialismus, jede Niederlage, die uns die internationale Bourgeoisie zufügt, immer mehr Teile der Arbeiter- und Bauernschaft zum Kampf aufrüttelt, der sie unter enormen Opfern Kampferfahrung lehrt, sie stählt und massenhaft neues Heldentum hervorbringen wird.
Wir wissen, dass die Hilfe von Euch wahrscheinlich nicht so schnell kommen wird, Genossen amerikanischer Arbeiter, denn die Revolution entwickelt sich in verschiedenen Ländern in unterschiedlicher Form und in unterschiedlichem Tempo – und es kann auch nicht anders möglich sein. Wir wissen, dass die europäische proletarische Revolution, obwohl sie in letzter Zeit sehr schnell heranreifte, in den kommenden Wochen vielleicht doch nicht ausbrechen wird. Wir setzen auf die Unvermeidlichkeit der Weltrevolution, aber das bedeutet nicht, dass wir so dumm sind, darauf zu vertrauen, dass die Revolution unweigerlich zu einem bestimmten und frühen Zeitpunkt kommt. Wir haben in unserem Land zwei große Revolutionen erlebt, 1905 und 1917, und wir wissen, dass Revolutionen nicht auf Befehl oder durch Vereinbarung erfolgen können. Wir wissen, dass die Umstände unsere russische Fraktion des sozialistischen Proletariats nicht wegen unserer Verdienste in den Vordergrund gerückt haben, sondern wegen der außergewöhnlichen Rückständigkeit Russlands und dass vor dem Ausbruch der Weltrevolution eine Reihe einzelner Revolutionen scheitern werden können.
Dennoch sind wir fest davon überzeugt, dass wir unbesiegbar sind, denn der Geist der Menschheit wurde durch das imperialistische Massaker nicht gebrochen. Die Menschheit wird dieses Massaker beenden und das erste Land, das die Ketten der Sklaverei des imperialistischen Krieges zerreißen konnte, war unser Land. Wir haben im Kampf, diese Ketten zu zerreißen, enorm schwere Verluste erlitten, aber wir haben sie zerrissen. Wir sind frei von imperialistischer Abhängigkeit, wir haben das Banner des Kampfes für den vollständigen Sturz des Imperialismus gehisst, damit die ganze Welt es sehen kann.
Wir befinden uns jetzt sozusagen in einer belagerten Festung und warten darauf, dass die anderen Fraktionen der sozialistischen Weltrevolution uns zu Hilfe kommen. Diese Fraktionen existieren, sie sind zahlreicher als unsere, sie reifen heran, wachsen und gewinnen an Stärke, je länger die Brutalität des Imperialismus andauert. Die Arbeiter lösen sich von ihren Sozialverrätern – von den Samuel Gompers in den USA, von den Fred Hendersons in England, den Pierre Renaudels in Frankreich, den Philipp Scheidemanns in Deutschland und den Karl Renners in Österreich. Langsam aber sicher übernehmen die Arbeiter die kommunistische, bolschewistische Taktik und marschieren der proletarischen Revolution entgegen, die allein in der Lage ist, die sterbende Kultur und die sterbende Menschheit zu retten.
Kurz gesagt, wir sind unbesiegbar, weil die proletarische Weltrevolution unbesiegbar ist.
Wladimir Lenin
20. August 1918
Aus dem Englischen.
Wladimir Iljitsch Lenin war Revolutionsführer und Vorsitzender des Rates der Volkskommissare der Sowjetunion
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