Rekrutierungsoffiziere der ukrainischen Wehrbehörde – wie die einstigen "Kapos"?

Wegen der hohen Verluste soll die Ukraine laut Forderung der westlichen Staaten für weiteres Personal in der Armee sorgen. Um dem nachzukommen, bedient sich Kiews Wehrbehörde inzwischen drastischer Maßnahmen. Dabei werden Parallelen zur Kapo aus der Zeit des Nationalsozialismus deutlich.

Von Sergei Fomichev

Seit dem Beginn der Kampfhandlungen vor fast zwei Jahren mussten die Ukraine und Russland hohe Verluste hinnehmen. Doch die Zahl der Todesopfer auf ukrainischer Seite ist bei Weitem höher als bei ihrem Gegner: Nach Schätzungen sollen über eine halbe Million ukrainischer Soldaten getötet worden sein, weshalb die entstandene Personalsituation in der Armee als kritisch gilt. Dies macht einen Zusammenbruch der Streitkräfte immer wahrscheinlicher.

Dass dieser Zusammenbruch aber verhindert und der Krieg weitergeführt werden muss, wurde Kiew vonseiten westlicher Staaten unmissverständlich klargemacht. Vorrangig forderten die USA die ukrainische Führung auf, die Mobilisierung auszuweiten, um die enormen Verluste auszugleichen. Obwohl die Behörden in Kiew zwar offiziell keine genaue Zahl nennen, gehen Beobachter von mehreren Hunderttausend Rekruten aus, die in den kommenden Wochen und Monaten eingezogen werden sollen.

Dies erweist sich jedoch als äußerst schwierig, da der Großteil der ukrainischen Männer im kampffähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren, die im Rahmen der Generalmobilmachung der Einberufung unterliegen und deshalb das Land nicht verlassen dürfen, entweder schon ins Ausland geflohen ist oder die Einberufung ignoriert. Daher verläuft die Mobilmachung eher schlecht als recht, weshalb Kiew inzwischen zu drastischeren Maßnahmen greift – wie der sogenannten Zwangsrekrutierung, bei der die Ukrainer von den Mitarbeitern der Wehrbehörde unter anderem mit Gewalt zum Dienst in der Arme eingezogen werden. Abgesehen davon verteilen die Rekrutierungsoffiziere die Vorladungen und Einberufungen inzwischen fast überall: auf der Straße, in Geschäften, in der U-Bahn oder in Sporthallen. Im Netz kursieren unzählige Videoaufnahmen, die solche Aktionen zeigen sollen. Sogar einige westliche Medien kamen nicht umhin, als von unrechtmäßigen Einberufungsbescheiden, brutalen Situationen oder Zwangsmobilisierungstaktiken der ukrainischen Behörden zu berichten.

In Anbetracht dessen ist es keine Übertreibung zu sagen, dass in vielen Städten der Ukraine wegen der Mobilisierung inzwischen ein regelrechter Zustand der Angst herrscht. Denn viele ukrainische Männer fürchten sich davor, auf die Rekrutierer zu treffen und so an die Front zu kommen.

Parallelen zum Vorgehen der "Kapo"?

In diesem Zusammenhang kommt ein interessanter Vergleich in den Sinn: Die vom Westen quasi verordneten Maßnahmen zur Ausweitung der Mobilmachung, das harte Durchgreifen der ukrainischen Rekrutierer, die Angst, die sie unter den ukrainischen Männern verbreiten, die ihrerseits aus dem Krisenland nicht raus dürfen – da werden doch gewisse Parallelen zum Vorgehen der Kameradschafts-Polizei (Kapo) aus der Zeit des Nationalsozialismus deutlich.

Die Kapo waren sogenannte Funktionshäftlinge in einem Konzentrationslager während der Naziherrschaft, die die Befehle der Lagerleitung erledigen und von der SS etwa als Aufseher für andere Häftlinge eingesetzt wurden. Um mit dem Leben davonzukommen und sich mit den Nazis zu arrangieren, waren die Kapos meist zu allem bereit und übertrafen hinsichtlich der Grausamkeit gegenüber den Lagerhäftlingen oft die Nazis selbst, wie aus zahlreichen Dokumenten hervorgeht. Etwa 10 Prozent der Häftlinge in den KZs waren "Funktionshäftlinge".

Interessanterweise wurde dazu von einem russischen Polit-Blogger im Netz kürzlich derselbe Vergleich gezogen. In einem Artikel, der auf dem Portal News-Front am Samstag veröffentlicht wurde, rechnet der Autor mit dem Vorgehen der ukrainischen Rekrutierungsoffiziere ab und prophezeit ihnen ein sehr unrühmliches Ende.

In einem Auszug heißt es: "Genau so […] helfen die Rekrutierer den westlichen Herren, ihre (ukrainischen – Anm. d. Red.) Mitbürger zu töten. Diese molligen, wohlgenährten Schurken, die denken, dass sie selbst niemals an die Front kommen werden, die ihre eigenen Bürger fangen und zur Schlachtung schicken. Wie am Fließband. Und das ist auch ein Vermächtnis der ukrainischen Geschichte, weil es in der Geschichte der Ukraine immer genug von solchem Abschaum gab, zu allen Zeiten. Bestimmt hat irgendjemand einst den Polen, Schweden, Türken und zuletzt auch Deutschen genauso gedient. Ein ziemlich hoher Prozentsatz der Einwohner des Landes erweist sich (heute – Anm. d. Red.) als Verräter, die bereit sind, ihr Volk zu töten. Das sind natürlich nicht die meisten Bürger, aber dennoch gibt es viele von ihnen.

Aber man muss sich zugleich unbedingt daran erinnern, was mit der Kapo passiert, wenn die Herren aus dem Konzentrationslager fliehen. Sie nehmen keine Kapos mit, weil diese für sie auch Untermenschen sind, und zudem professionelle Verräter.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Häftlinge die Konzentrationslager übernahmen, taten sie mit den Kapos schreckliche Dinge, übrigens zu Recht. Diese wurden gehängt, in Stücke gerissen, zu Tode geprügelt – es ist unwahrscheinlich, dass jemand dem Zorn ehemaliger Gefangener entgehen konnte."

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