Von Elena Karajewa
Der Botschafter Frankreichs in Moskau ist dieser Tage nicht zu beneiden: Am Donnerstagabend wurde er in unser Außenministerium einbestellt, und Freitagnachmittag traf Pierre Levy in dem Gebäude am Smolensk-Platz ein.
Der Vorladung des außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafters war ein Aufschrei in der Presse des Landes vorausgegangen, das der Botschafter vertritt. Die Bemerkung, dass bei einem Angriff auf einen Stützpunkt ausländischer Söldner französische Bürger getötet und einige von ihnen verwundet wurden, löste eine Lawine hysterischer Dementis aus, sowohl offiziell als auch inoffiziell.
Ton und Inhalt der Dementis sind bekannt:
"Das kann nicht sein, weil es nicht sein darf."
Natürlich wurde Russland der "Manipulation" beschuldigt, der "Propaganda, die das Narrativ verbreitet, das Land befinde sich "im Krieg mit der NATO", und die Bevölkerung glaube das. Kurzum, mit neuen Thesen hatten die Autoren der Propaganda im Westen nicht aufzuwarten. Leider.
Denn die Vorladung des französischen Botschafters beim russischen Außenministerium passt nicht in das bisherige Schema des Informationskrieges. Sie ist ein stark formalisierter diplomatischer Akt, der Einladung ist zwingend mit persönlicher Anwesenheit Folge zu leisten. Es ist eines der stärksten Mittel der Diplomatie und das bedeutet, dass wir über absolut unwiderlegbare Beweise für die Präsenz französischer Söldner in der Ukraine verfügen. Und zwar nicht nur für deren Anwesenheit an sich, einen touristischen Aufenthalt etwa, sondern für deren militärischen Einsatz auf ukrainischer Seite. Etwas, das eine unmittelbare Bedrohung für das Leben unserer Landsleute und die Sicherheit unseres Staates darstellt.
Die Vorladung in unser Außenministerium kam für die Urheber der westlichen Propagandafloskeln und für diejenigen, die sie anwenden, überraschend und hatte die Wirkung einer kalten, ernüchternden Dusche.
Aus diesem Grund wurde sie, wenn überhaupt, nur mit zusammengebissenen Zähnen erwähnt. Denn es ist eine Sache, Depeschen mit Hinweisen auf "ungenannte hochrangige Armeeangehörige" zu veröffentlichen, und eine ganz andere, wenn hochrangige Diplomaten dem außerordentlichen und bevollmächtigten Vertreter eines europäischen Landes Dokumente übergeben, die den Worten des russischen Militärs historisches Gewicht verleihen.
Und nun zu den Gründen für die plötzliche Scheu des offiziellen Paris, selbst wenn es um französische Bürger geht, wohlgemerkt, um verwundete französische Bürger, die offenbar in medizinische Einrichtungen gebracht werden mussten.
Nach geltendem Recht ist Söldnertum in Frankreich ein Straftatbestand. Für einen Verstoß kann eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe von bis zu 75.000 Euro verhängt werden. Wird die Tat vorsätzlich und gemeinschaftlich begangen, erhöht sich das Strafmaß auf sieben Jahre Freiheitsentzug, ebenso steigt die zu verhängende Geldstrafe.
Der französische Staat hat zudem die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass auf seinem Hoheitsgebiet nicht einmal der Versuch der Anwerbung stattfindet.
Wenn es aber um den Krieg gegen Russland geht, dann verschließen die französischen Behörden ihre Augen davor, dass die Anwerbung von Söldnern vor ihrer eigenen Nase stattfindet, dass regelmäßig Dutzende Menschen angeworben werden, dass die Söldner danach wieder zurückkehren, dass ihre Ausreise und Ankunft nicht nur kein Geheimnis ist, sondern ganz offen erfolgt. So offen, dass sich sogar Parlamentarier dafür interessieren.
Kurzum, wenn es gesetzlich verboten, aber politisch sehr erwünscht ist, beschließt Paris, dass es erlaubt ist. Es ist wichtig, dies deutlich auszusprechen.
Die Rhetorik des für die Außenpolitik zuständigen Teils des französischen Establishments hat sich in den vergangenen vier Wochen drastisch verändert. Bis Mitte Dezember letzten Jahres hatte Paris Moskau auch in der Öffentlichkeit immer wieder signalisiert, dass man nach einem "diplomatischen Ausweg aus der derzeitigen Situation" suchen müsse. Es wurden hinter verschlossenen Türen Andeutungen gemacht und Vorschläge unterbreitet. Uns gegenüber. Über den möglichen Beginn von separaten Verhandlungen ohne die Beteiligung der Ukraine.
Nachdem diese Andeutungen und Vorschläge mehrmals – sowohl öffentlich als auch privat – höflich abgewiesen wurden, änderte sich das Konzept. Die französische Spitze selbst meldete sowohl neue Lieferungen von Radpanzern an die Ukraine als auch, dass Kiew Luftbomben erhalten wird und man sogar damit beginnen werde, speziell für Caesar SAUs zu bauen, um sie an die Front zu schicken. An unsere Front.
Natürlich soll das alles "verhindern, dass Russland gewinnt – sonst bricht die alte internationale Ordnung zusammen".
Mesdames et Messieurs, wir haben einige Neuigkeiten für Sie, wenn Sie gestatten. Genau in diesem Zusammenhang.
Erstens. Besagte internationale Ordnung hat vor zwei Jahren das Zeitliche gesegnet (nicht ohne Ihr Mitwirken).
Zweitens. Sie müssen – unabhängig davon, was Sie darüber denken – dieses Axiom akzeptieren, sich damit abfinden und alle Ihre künftigen Aktionen unter Berücksichtigung der neuen außenpolitischen Verhältnisse planen.
Drittens. Ausgehend von dem oben Gesagten ist es besser, heute und jetzt damit zu beginnen, all dies in die Praxis umzusetzen. Um eine echte militärische Konfrontation zu vermeiden. Mit uns.
Nicht aus Schadenfreude, sondern aus Erinnerung an bessere Zeiten (schließlich gab es auch viel Gutes in unseren Beziehungen). Das heißt: Wir sollten den Geist von Beresina nicht heraufbeschwören. Denn die vergangenen militärischen Fiaskos haben eine Besonderheit: Wenn man sich für sie rächen will, fällt die erneute Niederlage absolut ohrenbetäubend aus.
Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel ist am 19. Januar 2024 auf ria.ru erschienen.
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