Von Pierre Levy
Eine Nachricht jagt die nächste. Die politische Klasse Frankreichs ist mit der Ernennung des jüngsten Premierministers in der Geschichte des Landes und der Bildung der neuen Regierung in Aufruhr geraten.
Einige Tage zuvor hatte der Tod von Jacques Delors am 27. Dezember eine Flut von Lobeshymnen und Ströme von Tränen ausgelöst.
Der ehemalige Finanzminister (1981–1984) unter François Mitterrand, der später Präsident der Europäischen Kommission (1985–1995) wurde, wird nun zu einem der "Väter Europas" erhoben. Der ehemalige Papst von Brüssel wird gewissermaßen seliggesprochen.
Selbst diejenigen, die behaupten, ihn in Bezug auf die europäische Integration bekämpft zu haben, zogen ihren Hut. So lobte Jean-Luc Mélenchon, der angeblich die "radikale Linke" verkörpert, "den Aktivisten und den Mann der Tat, der mit Blick auf das Gemeinwohl handelte". Die Vizepräsidentin des Rassemblement National, Edwige Diaz, schloss sich ihrerseits dieser einvernehmlichen Würdigung durch die Kaste an.
Aber es war natürlich die Aufgabe des französischen Präsidenten, eine feierliche Rede zu halten; eine Übung, der er sich am 5. Januar unterzogen hat. Emmanuel Macron hatte sich 2017 wählen lassen, indem er die Fahne Europas hochhielt. Doch wenn man seinen Worten aus dem Jahr 2024 lauscht, fällt sofort ein Kontrast zu den Reden auf, die er kurz nach seinem ersten Amtsantritt in Athen und später an der Sorbonne gehalten hat. Damals zählte er zahlreiche konkrete Ambitionen auf, um die europäische Integration zu beschleunigen und zu stärken. Viele seiner Anhänger bedauerten damals das Ausbleiben einer Antwort des offiziellen Deutschlands. Das Land befand sich aber im Wahlkampf.
Sieben Jahre später häufen sich in der Hommage an Jacques Delors die leeren Floskeln. Dieser habe "Europa mit seiner Zukunft versöhnt", rühmte der Staatschef, und die EU "gehört uns ebenso wie wir ihr, und es liegt an uns, sie fortzusetzen".
Natürlich bleibt Emmanuel Macron ein glühender Kämpfer für "die europäische Sache". Aber die harte Realität hat sich aufgedrängt, weit entfernt von den Träumen der Euro-Eliten.
Die Realität, das heißt einerseits das Erstarken der Kräfte, die als "euroskeptisch" gelten (wenn auch zu Unrecht) – ein gefährliches Alarmsignal aus der Sicht des Élysée-Palasts; und andererseits die wachsenden Widersprüche zwischen den Mitgliedsstaaten in so gut wie allen Bereichen.
Nicht nur im Hinblick auf traditionelle Abweichler wie Ungarn oder gar Polen (dieses Land wird zwar mittlerweile von dem sehr brüsselfreundlichen Donald Tusk geführt, aber dieser ist nicht in der Lage, die polnische Souveränität liquidieren zu lassen).
Sondern auch und vor allem zwischen den Gründungsmitgliedern (wie die Wahlen in den Niederlanden kürzlich gezeigt haben) und insbesondere zwischen Paris und Berlin. Ohne ein aktives und kohärentes deutsch-französisches "Tandem" könne die EU nicht vorankommen, heißt es hinter den Kulissen der Kommission. Es ist eine Untertreibung zu sagen, dass es an Streitthemen zwischen den beiden Seiten links und rechts des Rheins nicht mangelt.
Die Gegensätze sind zwar nicht neu, aber sie werden nicht nur nicht weniger, sondern vertiefen sich. Die Liste ist lang, angefangen mit dem Tauziehen um die Zukunft des Stabilitätspakts, der das Überleben der Einheitswährung sichert und dessen Prinzip darin besteht, drastische Einschränkungen bei den öffentlichen Ausgaben vorzuschreiben. Der im Dezember gefundene Kompromiss kam letztlich den deutschen Forderungen sehr nahe: eine automatische Verpflichtung zur Reduzierung des Defizits. Der französische Minister erhielt lediglich eine Flexibilität in Bezug auf das Startdatum der neuen Regelung, die schließlich von den 27 Mitgliedsstaaten gebilligt wurde.
Ein weiterer Bereich, in dem der Gegensatz zwischen den beiden Ländern offensichtlich wird, ist die Energiepolitik. Emmanuel Macron war nach der Schließung eines Atomkraftwerks gezwungen, zurückzurudern und auf Atomkraft umzusteigen, was für die Bundesregierung ein Horror ist; die Bundesregierung zögert wiederum nicht, die Kohleverstromung zu verlängern. Auf EU-Ebene führte dies zu einem Schlagabtausch über die Reform des Strommarktes und die (mehr oder weniger grüne) Klassifizierung der verschiedenen Energietechnologien. Und der Waffenstillstand ist nur vorläufig.
Beim internationalen Handel sind die Differenzen zwischen den beiden größten EU-Mächten ebenso deutlich. Wo Paris vor "chinesischem Protektionismus" warnt, ist es für Berlin oberste Priorität, Peking nicht zu verärgern, das nach wie vor einen riesigen Markt für Exporte darstellt. Dasselbe gilt für das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay). Der Vertrag ist unterzeichnet, aber Paris blockiert derzeit die Ratifizierung (im Namen ökologischer Gründe, aber das Abkommen wäre vor allem eine Katastrophe für die Landwirte), während Berlin Druck macht.
Man könnte auch den zukünftigen Raketenabwehrschild erwähnen, der die EU schützen soll: Jede der beiden Hauptstädte sammelt ihre Verbündeten, um zwei inkompatible Systeme zu verteidigen. Auch die Streitigkeiten über das "Kampfflugzeug der Zukunft" sind seit Jahren ein Klassiker zwischen den beiden Ländern, wobei jedes Land seine nationalen Champions vorantreibt.
Selbst über die Form der Militärhilfe für Kiew (natürlich nicht über das Prinzip) gibt es diskrete Spannungen. Die Liste der aktuellen und künftigen Reibungen ist nicht erschöpfend. Das Schlimmste für die europäischen Staats- und Regierungschefs ist jedoch, dass trotz des offiziellen Lächelns der Geist des Dialogs versiegt – weit entfernt von den Zeiten von Schmidt und Giscard, Kohl und Mitterrand oder Schröder und Chirac, wie Nostalgiker bedauern. So sehr, dass der CDU-Europaabgeordnete David McAllister im Oktober letzten Jahres enerviert sagte: "Ich glaube nicht, dass wir jemals so wenig Zusammenarbeit zwischen Paris und Berlin beobachtet haben."
In Wirklichkeit ist das Problem weniger, dass die "Chemie" zwischen den Staatsoberhäuptern nicht stimmt, als dass hier eine doppelte politische Grundschwierigkeit zum Tragen kommt: die realen Interessenunterschiede zwischen den Ländern; und die Tatsache, dass der Anteil der Wähler, die sich vom "großen europäischen Abenteuer" verführen lassen, immer kleiner wird.
In dieser Hinsicht befinden sich die derzeitigen deutschen und französischen Politiker in einer vergleichbaren Situation. Mit dem Abflachen der europabegeisterten Rede des französischen Präsidenten korrespondiert das Vergessen des ursprünglichen Programms der deutschen Ampelkoalition: Diese hatte Europa symbolisch an die Spitze des Dokuments gestellt und für eine föderale Vereinigung der EU plädiert.
Heute haben sowohl Olaf Scholz als auch Emmanuel Macron andere Sorgen: Ersterer befürchtet regelmäßig, dass seine Koalition zerbrechen könnte, Letzterer verfügt nicht einmal über eine parlamentarische Mehrheit, was ihn zu einem zermürbenden Guerillakrieg für jeden zu verabschiedenden Gesetzesentwurf (und nun auch zum Wechsel des Premierministers) zwingt.
Vor allem aber verkörpern sie jeweils Regime, deren Unbeliebtheit einen Rekord nach dem anderen bricht. Und offensichtlich können sie nicht darauf hoffen, das Ruder herumzureißen, indem sie die Vorzüge Europas preisen und noch weniger, indem sie versprechen, Europa "voranzubringen".
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